VwGH 92/05/0208

VwGH92/05/020819.1.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde der F GmbH in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. Juni 1992, Zl. R/1-V-91145, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) K GmbH in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, 2) Stadtgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauRallg;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
VwRallg;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauRallg;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach den dem Verwaltungsgerichtshof nur unvollständig vorgelegten Verwaltungsakten hat die erstmitbeteiligte Partei am 31. Jänner 1991 bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Bewilligung des Umbaues des Kasernengebäudes X, A-Gasse 2, in ein Wohnhaus beantragt. Nach der bei den Verwaltungsakten erliegenden Verhandlungsschrift vom 21. Februar 1991 wendete die Beschwerdeführerin als Nachbarin gegen dieses Bauvorhaben ein, daß es mit der Widmung des Areals nicht im Einklang stehe. Die Beschwerdeführerin habe der beabsichtigten Umwidmung in Wohngebiet widersprochen, weil sie das ihr gehörige, dem zu bebauenden Grundstück gegenüberliegende Grundstück seinerzeit zum Zweck der Betriebsansiedlung erworben habe. Sie spreche sich daher ausdrücklich gegen die Schaffung von Wohnraum und Wohngebiet auf dem benachbarten Areal aus. Obwohl in der Verhandlungsschrift eine weitere Einwendung der Beschwerdeführerin nicht protokolliert worden ist, ergibt sich aus der Stellungnahme des Sachverständigen, daß sie offensichtlich auch vorgebracht hat, das Bauvorhaben nehme in seiner Konstruktion (Schalldämmung etc.) keine Rücksicht darauf, daß unmittelbar gegenüber ein Betriebsgrundstück liege und in Kürze auf diesem ein Gewerbebetrieb entstehen könne. Der Sachverständige führte nämlich zu dieser Einwendung aus, daß das Projekt entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin den Bestimmungen der NÖ Bauordnung entspreche und darüber hinausgehende Auflagen gegebenenfalls dem diese Lärmentwicklung verursachenden Betrieb, nicht jedoch dem Bauwerber angelastet werden müßten. Zusätzlich stellte der Sachverständige fest, daß das gegenüberliegende Objekt, in dem eine Betriebsnutzung möglich wäre, seit Jahren leer stehe, sodaß jede Grundlage für die Beurteilung von eventuellen Einflüssen fehle. Mit Bescheid vom 16. April 1991 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde die angestrebte Baubewilligung, wobei die Verhandlungsschrift vom 21. Februar 1991 zum Bestandteil dieses Bescheides erklärt wurde. Ein Abspruch über die Einwendungen der Beschwerdeführerin erfolgte nicht. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, daß der Bescheid überhaupt keine Begründung enthält.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin insbesondere vor, daß sowohl der Bauplatz der Bauwerberin als auch ihre Liegenschaft nach dem Flächenwidmungsplan als Bauland-Betriebsgebiet gewidmet sei und das Bauvorhaben mit dieser Widmung im Widerspruch stehe. Schon aus diesem Grunde hätte die Baubewilligung versagt werden müssen. Aus Vorsichtsgründen werde noch vorgebracht, daß auch unter der Annahme, es komme die Erteilung einer Baubewilligung rechtens überhaupt in Betracht, diese nur unter Auflagen erteilt werden dürfe, die auf die Lage des Objektes in einem Betriebsgebiet Bedacht nehmen. Demzufolge wären der Bauwerberin Schalldämmungsmaßnahmen aufzuerlegen gewesen, die die mögliche Lärmentwicklung eines benachbarten Betriebes in ausreichendem Maße abhalten.

Diese Berufung wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 23. Juli 1991 als unbegründet ab. Die Berufungsbehörde vertrat die Auffassung, daß das gesamte Areal der ehemaligen Kaserne an allen Seiten von als Bauland-Wohngebiet bzw. Bauland-Kerngebiet gewidmeten Flächen umgeben sei und sich daher die Beibehaltung der Widmung Bauland-Betriebsgebiet auf die Umgebung eher störend auswirke. Auf Antrag des mitbeteiligten Bauwerbers sei daher das Gebiet nunmehr als Bauland-Wohngebiet gewidmet worden. Diese Änderung des örtlichen Raumordnungsplanes sei am 22. März 1991 vom Gemeinderat beschlossen worden, sodaß im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung bereits die Widmung Bauland-Wohngebiet wirksam gewesen sei. Die behauptete Rechtswidrigkeit liege sohin nicht vor.

Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die NÖ Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 11. Juni 1992 keine Folge. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens stellte die Gemeindeaufsichtsbehörde zunächst fest, daß die Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes von Bauland-Betriebsgebiet auf Bauland-Wohngebiet mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 5. Dezember 1991 genehmigt und in der Zeit vom 16. bis 31. Dezember 1991 kundgemacht worden sei. Der Gemeinderat irre jedoch, wenn er davon ausgehe, daß bereits durch die Beschlußfassung über diese Umwidmung bei der Erlassung des Bescheides die Widmung Bauland-Wohngebiet rechtswirksam gewesen wäre. Der Beschluß des Gemeinderates habe nämlich gemäß § 21 Abs. 5 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 noch der Genehmigung durch die Landesregierung bedurft und erst nach Zustellung des Genehmigungsbescheides der Landesregierung sei diese Verordnung gesetzmäßig kundgemacht worden. Dennoch sei die Beschwerdeführerin in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme nämlich einem Nachbarn nicht schlechthin ein Rechtsanspruch auf die Einhaltung der einzelnen Widmungs- und Nutzungsarten zu, vielmehr sei ein solches Recht nur dann gegeben, wenn die bestimmte Widmungs- und Nutzungsart einen Immissionsschutz gewährleiste. Die bewilligten Wohnungen würden zu keinen Immissionen führen, die das örtlich zumutbare Ausmaß in einem Bauland-Betriebsgebiet überschreiten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne aber ein Betriebsinhaber gegen die Errichtung eines Wohnhauses auch nicht mit Erfolg einwenden, die künftigen Bewohner hätten seinen (bestehenden oder zukünftig zu errichtenden) Betrieb und die davon ausgehenden Immissionen hinzunehmen. Im Lichte dieser Rechtsprechung erweise sich auch der Einwand der Beschwerdeführerin, die Baubehörde hätte über das in der NÖ Bauordnung 1976 (BO) vorgesehene Maß hinausgehende Schalldämmungsmaßnahmen vorschreiben müssen, gleichfalls als unbegründet, zumal § 62 Abs. 2 BO die Vorschreibung von Auflagen nur insoweit zulasse, als diese zur Abwehr von Gefahren oder Belästigungen, die von der zu errichtenden Baulichkeit ausgehen und die das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, notwendig seien. Die Vorschreibung von baulichen Maßnahmen zum Schutz vor künftigen Immissionen von Betrieben wäre aber durch diese Gesetzesstelle nicht gedeckt gewesen. Sollte die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen als eine privatrechtliche Einwendung verstehen, so wäre dies aus der Sicht der von der Baubehörde wahrzunehmenden Belange ebenfalls insoweit ohne Bedeutung, als die Baubehörde nicht etwa verpflichtet gewesen wäre, die von der Bauwerberin beantragte Baubewilligung aus diesem Grunde zu verweigern. Schließlich verwies die Gemeindeaufsichtsbehörde auf die Zulässigkeit eines Intimationsbescheides und erachtete insgesamt eine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin als nicht gegeben.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Sie erachtet sich in ihren Rechten insofern verletzt, als die belangte Behörde entgegen der Bestimmung des § 98 Abs. 2 BO ihrer Vorstellung nicht stattgegeben habe.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der erstmitbeteiligten Partei erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 98 Abs. 2 Satz 1 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) ist ein Antrag ohne Bauverhandlung abzuweisen, wenn er dem Flächenwidmungsplan oder dem Bebauungsplan widerspricht.

Nach § 118 Abs. 8 BO genießen alle Grundstückseigentümer als Anrainer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. In den Verfahren nach §§ 10, 108 und 110 kommt Anrainern jedoch keine Parteistellung zu. Die Zustellung einer Bescheidausfertigung hat an alle Parteien zu erfolgen, selbst wenn sie trotz Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen sind.

Subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer werden gemäß § 118 Abs. 9 BO durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über

  1. 1. den Brandschutz;
  2. 2. den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;

    3. die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;

    4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

    Aus dieser Rechtslage ergibt sich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß die Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nur ein beschränktes Mitspracherecht besitzen. In einem solchen Fall ist die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde und auch der Gemeindeaufsichtsbehörde im Vorstellungsverfahren auf jene Fragen beschränkt, hinsichtlich derer den Nachbarn ein solches Mitspracherecht als subjektiv-öffentliches Recht zusteht (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10.317/A, das Erkenntnis vom 15. Dezember 1987, Zl. 84/05/0043, BauSlg. Nr. 1021, u.a.).

    Für den Beschwerdefall bedeutet dies, daß die Beschwerdeführerin entgegen ihrer Auffassung nicht schlechthin einen Rechtsanspruch darauf besitzt, daß ein Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung nach § 98 Abs. 2 BO ohne Bauverhandlung abgewiesen wird, wenn er dem Flächenwidmungsplan oder dem Bebauungsplan widerspricht. Eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin wäre vielmehr nur dann gegeben, wenn sie durch die erteilte Baubewilligung in einem ihr zustehenden subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden wäre. Nun läßt gerade die beispielhafte Aufzählung subjektiv-öffentlicher Rechte im § 118 Abs. 9 BO eindeutig erkennen, daß der NÖ Landesgesetzgeber den Nachbarn weder hinsichtlich der Übereinstimmung des zu bewilligenden Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan noch mit dem Bebauungsplan schlechthin ein solches Recht einräumen wollte, wie sich aus der Umschreibung der Z. 2, 3 und 4 ergibt. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher, wie die belangte Behörde zutreffend ausführte, in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, daß ein Recht auf Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes nur dann gegeben ist, wenn die bestimmte Widmungskategorie auch einen Immissionsschutz gewährleistet (vgl. etwa die bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 2. Auflage, S. 172 ff, wiedergegebene Rechtsprechung). Immissionen von dem bewilligten Bauvorhaben macht aber die Beschwerdeführerin gar nicht geltend, sodaß die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen durfte, daß eine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten der Beschwerdeführerin durch die erteilte Baubewilligung nicht gegeben ist. Der Verwaltungsgerichtshof teilt nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß die durch die Rechtslage gegebene Reduzierung der Antrags- und Rechtsmittelbefugnis im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens eine sachlich nicht gerechtfertigte Einschränkung der Nachbarrechte bedeutet, ist doch der Landesgesetzgeber nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht verpflichtet, Nachbarn im Baubewilligungsverfahren überhaupt eine bestimmte Rechtsstellung einzuräumen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 11. März 1978, Slg. Nr. 8279, und vom 21. März 1986, Slg. Nr. 10.844).

    Da auf Grund der dargelegten Erwägungen die Beschwerdeführerin im geltend gemachten Beschwerdepunkt in ihren Rechten nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

    Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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