VwGH 92/02/0318

VwGH92/02/031831.3.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 2. Oktober 1992, Zl. Senat-BN-91-078, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 13. Mai 1991 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, zu einem näher bestimmten Zeitpunkt am im einzelnen näher umschriebenen Tatort als Fahrzeuglenker nicht vor der Haltelinie angehalten zu haben, obwohl die Verkehrsampel rotes Licht gezeigt habe und dies als Zeichen für "Halt" gelte. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 38 Abs. 5 StVO 1960 begangen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Einspruch, in dem er folgendes ausführte:

"Die mir zur Last gelegte Verwaltungsübertretung entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten, entgegen den Ausführungen in der Strafverfügung, habe ich die Kreuzung bei grünblinkender Verkehrsampel überquert.

Beweis: PV, vorzunehmender Lokalaugenschein, beizuschaffender Ampelphasenplan."

In der Folge wurde der Beschwerdeführer, der sich an dem weiteren Verfahren nicht mehr beteiligte, mit dem erstbehördlichen Straferkenntnis vom 16. August 1991 der ihm bereits in der Strafverfügung zur Last gelegten Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür mit einer Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) bestraft.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung mit folgendem Wortlaut:

"Gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 16.8.1991, Zahl 3-13785-91, zugestellt am 21.8.1991, erhebt der Beschuldigte innerhalb offener Frist durch seinen ausgewiesenen Vertreter

BERUFUNG

und erhebt sein bisheriges Vorbringen zum Inhalt dieser Berufung.

Abschließend wird nach Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung und Einvernahme des Meldungslegers die Einstellung des anhängigen Verwaltungsverfahrens beantragt."

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Oktober 1992 wies der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit § 63 Abs. 3 AVG als unzulässig mit der Begründung zurück, der Berufung mangle es an einem begründeten Berufungsantrag.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG, welche Bestimmung zufolge § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, soll bei der Auslegung des Merkmales eines "begründeten Berufungsantrages" kein strenger Maßstab angelegt werden, weil es sich um eine Vorschrift handelt, die sich auch an rechtsunkundige Parteien richtet. Enthält jedoch eine Eingabe nicht einmal eine Andeutung darüber, worin die Unrichtigkeit des bekämpften Bescheides gelegen sein soll, dann fehlt es jedenfalls an einem begründeten Berufungsantrag; die Eingabe muß - ohne daß auf anderweitige Parteienerklärungen zurückgegriffen werden darf - zumindest erkennen lassen, welchen Erfolg der Einschreiter anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1985, Zl. 85/07/0327, und die dort zitierte zahlreiche Vorjudikatur).

Der belangten Behörde ist zuzugestehen, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Berufung, die zu ihrer Begründung lediglich auf das bisherige Vorbringen einer Partei im Verwaltungsverfahren verweist, dem Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages im allgemeinen nicht nachkommt (vgl. z.B. auch das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1991, Zl. 91/04/0141).

Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt jedoch darin, daß das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers sich in einer einzigen Stellungnahme, nämlich in den inhaltlichen Ausführungen im Einspruch gegen die erstbehördliche Strafverfügung, erschöpfte, sodaß kein Zweifel darüber bestehen kann, welchen Inhalt das in der Berufung genannte "bisherige Vorbringen" hatte (vgl. sinngemäß auch das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1993, Zl. 92/02/0329).

Die belangte Behörde verkannte daher die Rechtslage, wenn sie davon ausging, dem Vorbringen in der Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstbehördliche Straferkenntnis sei ein begründeter Berufungsantrag im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG nicht zu entnehmen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das den Zuspruch eines höheren Schriftsatzaufwandes betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die Pauschalierung des diesbezüglichen Aufwandersatzes abzuweisen.

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