VwGH 92/01/1108

VwGH92/01/110829.10.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Bernegger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. November 1992, Zl. 4.294.705/8-III/13/92, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. November 1992 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines rumänischen Staatsangehörigen ungarischer Nationalität, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. Oktober 1991, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien habe den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 22. März 1990 mit Bescheid vom 5. August 1991 - den der Beschwerdeführer am 30. August 1991 persönlich übernommen habe - abgewiesen. Der am 26. September 1991 - unter Anschluß einer Berufung gegen diesen Bescheid - gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist sei damit begründet worden, daß die Sekretärin der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers die ihr aufgetragene Vormerkung des letzten Tages der Berufungsfrist, die üblicherweise durch Eintragung des Namens des Berufungswerbers im Kalender erfolge, irrtümlich unterlassen habe, da für diesen Tag bereits eine "Asylberufung" eines anderen Klienten unter demselben Namen wie dem des Beschwerdeführers eingetragen gewesen sei. Ein solches Versehen - das erst anläßlich einer Kontrolle am 23. September 1991 aufgefallen sei - sei der Kanzleileiterin, bei der es sich um eine erfahrene, gewissenhafte und genaue Kanzleikraft handle, noch nie unterlaufen. Dieses Vorbringen vermöge allerdings nicht darzutun, daß der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden verhindert gewesen wäre, die Berufungsfrist einzuhalten. Im vorliegenden Fall handle es sich - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - um ein seit Stellung des Asylantrages, somit am 1. Jänner 1991 bereits anhängiges Verfahren, auf das daher gemäß Anlage 2 BGBl. Nr. 51/1991 § 71 Abs. 1 lit. a AVG in der bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 357/1990 geltenden Fassung anzuwenden sei. Bei Organisation ihres Kanzleibetriebes hätte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers die Sicherstellung der richtigen Vormerkung von Terminen zu besorgen und daher die Kanzleileiterin darauf hinzuweisen gehabt, daß auf Vornamen dann besonderes Augenmerk gelegt werden müsse, wenn der Familienname ein häufig vorkommender sei. Darüber hinaus hätte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers die richtige Eintragung in den Kalender zu überwachen gehabt. Da die Folgen eines Versehens des Rechtsanwaltes den Beschwerdeführer träfen, könne somit nicht davon gesprochen werden, daß der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden verhindert gewesen wäre, die Berufungsfrist einzuhalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer, der sich in seinem Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist sowie in seinem Recht auf ein mängelfreies Verfahren verletzt erachtet, bringt - wie schon im Verwaltungsverfahren - im wesentlichen vor, seine Rechtsvertreterin habe ihrer Kanzleileiterin den Auftrag erteilt, nach Anlegung eines neuen Aktes das Ende der Berufungsfrist im Kalender einzutragen. Letzteres habe diese jedoch deshalb irrtümlich unterlassen, weil zufällig am selben Tag eine Berufungsfrist unter dem Namen S bereits eingetragen gewesen sei, es sich dabei jedoch um einen anderen S gehandelt habe. Die Kanzleileiterin habe irrtümlich gemeint, daß es sich dabei um die Eintragung betreffend den Beschwerdeführer gehandelt habe. Auch die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers habe im Zuge der regelmäßigen Routinekontrollen keine Unterlassung feststellen können, weil es ein absoluter Zufall und ungewöhnlich sei, daß am selben Tag zwei Berufungen mit dem gleichen Namen zur Eintragung gelangten. Es handle sich daher bei der Versäumung der Eintragung der Berufungsfrist zweifellos um einen minderen Grad des Versehens, der auch einer erfahrenen Kanzleikraft passieren könne. Die belangte Behörde übersehe, daß nicht die Organisation des Kanzleibetriebes Schuld an dieser Unterlassung trage, sondern der seltene Umstand, daß an einem Tag zwei gleichlautende Namen zur Eintragung hätten gelangen sollen und verwechselt worden wären. Es sei zwar richtig, daß der Familienname des Beschwerdeführers kein ungewöhnlicher sei, es sei aber ungewöhnlich und im bereits langjährigen Betrieb der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers bisher noch nie vorgekommen, daß an einem Tag zwei Rechtsmittel für ein und denselben Namen einzutragen gewesen wären.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen:

Die belangte Behörde geht zwar von der - in Ansehung der im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juli 1993, Zl. 93/01/0366, getroffenen Ausführungen zur Frage der Anhängigkeit eines Verfahrens im Sinne der Anlage 2 der Kundmachung des Bundeskanzlers, mit dem das AVG wiederverlautbart wurde, BGBl. Nr. 51/1991 - unzutreffenden Auffassung aus, das Verfahren über den Wiedereinsetzungsantrag sei nicht als eigenständig zu beurteilen, sondern als Teil des als eine Einheit zu betrachtenden Verfahrens über den am 22. März 1990 gestellten Asylantrag. Unzutreffend ist daher auch die von ihr vertretene Auffassung, im vorliegenden Fall sei § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 in der Fassung vor der AVG Novelle 1990, BGBl. Nr. 357/1990, anzuwenden, wonach bereits bei einem minderen Grad des Versehens eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen ist.

Dennoch trifft die Meinung der belangten Behörde, die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht erfüllt, im Ergebnis zu.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt ein Versehen von Kanzleiangestellten für einen Rechtsanwalt und damit für die von ihm vertretene Partei ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleiangestellten nachgekommen ist (vgl. z.B. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1992, Zl. 92/09/0043). Da das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen ist, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist gesteckt ist, hat der Antragsteller, wenn er als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Kanzleibediensteten des bevollmächtigten Rechtsanwaltes geltend macht, nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch, darzulegen, daß es zur Fehlleistung des Kanzleibediensteten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten eingehalten wurden. Schon im Wiedereinsetzungsantrag sind Art und Intensität der vom Parteienvertreter über seine Rechtsanwaltskanzlei ausgeübten Kontrolle darzutun (vgl. z.B. den, zur vergleichbaren Bestimmung des § 46 VwGG ergangenen Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0174). Ob und in welcher Art und Intensität jedoch die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers ihrer Aufsicht- und Kontrollpflicht in Ansehung des von ihrer Kanzleileiterin geführten Fristenvormerks nachgekommen ist, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Auch der sich bloß in der Beschwerde findende Hinweis, daß "auch im Zuge der regelmäßigen Routinekontrollen" durch die Rechtsvertreterin keine Unterlassung habe festgestellt werden können, vermag keinen Aufschluß hinsichtlich der über die Kanzlei ausgeübten Kontrolle zur Hintanhaltung von Versehen der Kanzleileiterin bei Führung des Fristenvormerks zu geben. Weil es aber an derartigen Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag völlig fehlt, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung als nicht gegeben erachtete. Damit erübrigt es sich auch, auf die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers einzugehen.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

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