VwGH 92/01/0909

VwGH92/01/090927.5.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der H in B, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 9. September 1992, Zl. Senat-B-92-008, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Verweigerung der Akteneinsicht, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art129a Abs1 Z2;
B-VG Art132;
GdO NÖ 1973 §22;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
B-VG Art132;
GdO NÖ 1973 §22;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 9. September 1992 wies die belangte Behörde eine Beschwerde der Beschwerdeführerin, mit der diese eine Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte durch die als Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gewertete Verweigerung der Akteneinsicht seitens des Bürgermeisters der Marktgemeinde Bisamberg in zwei, bei dieser Marktgemeinde anhängigen Angelegenheiten (Wasserschaden, Auftragsvergabe für öffentliche Beleuchtung) geltend gemacht hatte, gemäß § 67 c Abs. 3 AVG als unzulässig zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, es stehe auf Grund des Parteienvorbringens fest, daß der Beschwerdeführerin als Mitglied des Gemeinderates die von ihr begehrte Akteneinsicht hinsichtlich zweier konkreter Vorgänge formlos nicht gewährt bzw. verweigert worden sei. Die im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat belangte Behörde sei untätig geblieben. Dieses Unterbleiben eines Verhaltens, auch wenn auf dieses Verhalten ein Anspruch bestehe, könne, da es die Voraussetzung eines positiven Tuns der die Zwangsgewalt gebrauchenden Behörde nicht erfülle, nicht als Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt gewertet werden, weshalb sich die Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat als unzulässig erweise.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem in § 22 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung Mitgliedern des Gemeinderates zugestandenen Recht auf Einsicht in jene Akten, deren Verhandlungsgegenstände in den Wirkungskreis der Gemeinde fallen, sowie "ganz allgemein" in ihrem Recht auf Kontrolle der Verwaltung der genannten Marktgemeinde verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Das von der Beschwerdeführerin in den Vordergrund ihrer Beschwerde gestellte, in § 22 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-0, jedem Mitglied des Gemeinderates eingeräumte Recht, die Akten jener Verhandlungsgegenstände einzusehen, die in den Wirkungskreis des Gemeinderates fallen, ist dem Bereich der inneren Willensbildung des Gemeinderates zuzurechnen (vgl. den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 1972, VfSlg.Nr. 6837). Im Bereich der Willensbildung einer Kollegialbehörde haben die einzelnen Mitglieder dieser Behörde eine staatliche Funktion auszuüben, die - sofern nicht gesetzlich anderes normiert ist - ihre subjektive Rechtssphäre nicht berührt. Die die Willensbildung regelnden Normen haben nämlich nicht die Rechtsstellung der Organwalter, sondern deren Funktion zum Gegenstand. Im Bereich der kollegialen Willensbildung steht somit auch der diesen Verfahrensvorgang leitende Vorsitzende des Kollegiums (im Beschwerdefall der Bürgermeister) dessen Mitgliedern nicht als Verwaltungsbehörde gegenüber (vgl. den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 1988, VfSlg. Nr. 11750, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Vorgänge, die sich auf den internen Akt der Willensbildung des Gemeinderates beziehen, können somit nicht unter dem Gesichtspunkt des Bescheides einer Verwaltungsbehörde bzw. der von einer Verwaltungsbehörde ausgehenden faktischen Amtshandlung von dem durch den Vorgang betroffenen Mitglied des Gemeinderates mit Beschwerde angefochten werden (vgl. die Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1955, VfSlg. Anh. 3/1955, und vom 26. September 1972, VfSlg. Nr. 6837, sowie den hg. Beschluß vom heutigen Tag, Zl. 93/01/0197). Daß die Beschwerdeführerin etwa ein außerhalb des Bereiches ihrer Teilnahme an der Willensbildung des Gemeinderates gelegenes Recht auf Akteneinsicht geltend machen wollte, kann ihren im angefochtenen Bescheid unwidersprochen wiedergegebenen Ausführungen nicht entnommen werden. Die belangte Behörde hat daher - wenn auch mit einer anderen Begründung - im Ergebnis zu Recht die bei ihr erhobene Beschwerde zurückgewiesen.

Soweit die Beschwerdeführerin im Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde einen "schweren" Verfahrensmangel erblickt, ist ihr entgegenzuhalten, daß gemäß § 67d AVG im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung u. a. dann nicht zwingend vorgeschrieben ist, wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist. Im Beschwerdefall war - wie dargelegt - die Erhebung der Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat unzulässig. Die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Zurückweisung der Beschwerde erfolgte daher zu Recht, weshalb das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat keinen Verfahrensmangel darstellt.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren und somit auch ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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