Normen
KStG 1966 §19 Abs2;
StruktVG 1969 Art1 §1 Abs1;
StruktVG 1969 Art1 §1 Abs3;
KStG 1966 §19 Abs2;
StruktVG 1969 Art1 §1 Abs1;
StruktVG 1969 Art1 §1 Abs3;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Notariatsakt vom 23. Februar 1987 wurde die W GmbH (übertragende Gesellschaft) mit der Beschwerdeführerin (übernehmende Gesellschaft) gemäß § 96 GmbH-Gesetz verschmolzen. Einer Erhöhung des Stammkapitals der übernehmenden Gesellschaft bedurfte es nicht, weil diese das gesamte Stammkapital der übertragenden Gesellschaft besaß und die Verschmelzung zur Gänze gegen Aufgabe dieser Geschäftsanteile erfolgte. Einen aus dieser Verschmelzung resultierenden Buchverlust in der Höhe von S 2,080.000,-- machte die Beschwerdeführerin im Jahre 1987 als Betriebsausgabe geltend.
Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde die Ansicht vertreten, daß "zwischen einer Verschmelzung nach Art I StruktVG und § 19 Abs 2 KStG 1966" kein Wahlrecht bestehe. Seien - wie im konkreten Fall - alle Voraussetzungen des Art I StruktVG erfüllt, so seien die steuerlichen Sonderbestimmungen des StruktVG zwingend anzuwenden. Art I § 1 Abs 3 StruktVG sehe vor, daß ein bei der Verschmelzung entstehender Buchverlust steuerlich unbeachtlich sei.
Das Finanzamt folgte dieser Ansicht und rechnete bei Veranlagung der Beschwerdeführerin zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer 1987 den erklärten Buchverlust zuzüglich eines im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht strittigen Betrages außerbücherlich hinzu.
In einer dagegen eingebrachten Berufung vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, daß die allgemeinen Bestimmungen des Abgabenrechts neben den Sonderbestimmungen des StruktVG weiterhin voll gültig seien und es ihr überlassen bleibe, ob sie von den Bestimmungen dieses Gesetzes Gebrauch machen wolle oder nicht. Eine andere Handhabung würde der Zielsetzung des StruktVG widersprechen, wenn aus seiner Anwendung ein erheblicher steuerlicher Nachteil für den Steuerpflichtigen entstünde.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung in diesem vor dem Verwaltungsgerichtshof allein strittigen Punkt ab.
Nach "der Verwaltungspraxis" sowie wesentlichen Lehrmeinungen seien die Bestimmungen des StruktVG bei Vorliegen der für dessen Anwendung maßgeblichen Voraussetzungen zwingend. Dieser Ansicht entspreche die allgemeine Auslegungslehre, welche zur Beseitigung eines scheinbaren Normenwiderspruches davon ausgehe, daß die speziellere Regel (Art I StruktVG) der allgemeineren (§ 19 Abs 2 KStG 1966) vorgehe ("lex specialis derogat legi generali").
Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist den Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde zu erwidern, daß mit den darin dargestellten Umständen eine mängelfreie Zustellung des angefochtenen Bescheides unmittelbar an die Beschwerdeführerin nicht dargetan werden kann. Die Vollmacht vom 12. April 1989 enthält auch den Passus, daß die Ermächtigung zum Empfang von Schriftstücken der Abgabenbehörde erteilt wird. Dem Umstand, daß der Teilsatz "welche nunmehr ausschließlich dem Bevollmächtigten zuzustellen sind" gestrichen ist, kommt demgegenüber keine Bedeutung zu, weil die belangte Behörde gemäß § 9 Abs 1 ZustellG im vorliegenden Fall einer zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigten Person diese als Empfänger zu bezeichnen gehabt hätte. Der angefochtene Bescheid hätte somit auch ohne Berücksichtigung der der Abgabenbehörde am 6. September 1990 bekanntgegebenen Vollmacht nicht unmittelbar an die Beschwerdeführerin zugestellt werden dürfen.
Da somit dem Beschwerdevorbringen, wonach die Zustellung des angefochtenen Bescheides (wohl unter Berücksichtigung des § 9 Abs 1 zweiter Satz ZustellG) am 4. Juni 1991 erfolgte, zu folgen ist, war die Einbringung der Beschwerde als rechtzeitig zu beurteilen.
In der Sache selbst ist der belangten Behörde jedoch im Ergebnis zuzustimmen:
Gemäß § 19 Abs 1 KStG 1966 ist § 18 entsprechend anzuwenden, wenn das Vermögen einer Kapitalgesellschaft mit oder ohne Abwicklung (Liquidation) auf einen anderen übergeht ....
Gemäß § 19 Abs 2 KStG 1966 scheidet der beim Übergang sich ergebende Gewinn für die Besteuerung insoweit aus, als die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- 1. Das Vermögen einer inländischen Kapitalgesellschaft muß als Ganzes auf eine andere inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten der übernehmenden Gesellschaft übergehen;
- 2. es muß sichergestellt sein, daß dieser Gewinn später der Körperschaftsteuer unterliegt.
Art I § 1 Abs 1 StruktVG lautet auszugsweise: Werden Kapitalgesellschaften nach den Bestimmungen ... des § 96 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, RGBl Nr 58/1906, oder nach den Bestimmungen eines anderen Bundesgesetzes verschmolzen, so ist § 19 Abs 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1966, BGBl Nr 156, auch dann anzuwenden, wenn und soweit bei der übernehmenden Gesellschaft eine Kapitalerhöhung unterbleibt, weil
- a) die Verschmelzung gegen die Aufgabe von Anteilen an der übertragenden Gesellschaft erfolgt, oder
- b) - e) ....
Art I § 1 Abs 3 erster Satz StruktVG lautet: Soweit eine Verschmelzung oder Einbringung im Sinne der Abs 1 und 2 erfolgt ist, bleibt ein daraus entstehender Buchgewinn oder Buchverlust bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens und des Gewerbeertrages der übernehmenden Gesellschaft außer Ansatz.
In der Beschwerde führt die Beschwerdeführerin zunächst aus, daß ihrer Ansicht nach ein Wahlrecht zwischen der Anwendung der steuerlichen Sonderbestimmungen des StruktVG und der Anwendung des § 19 Abs 2 KStG 1966 besteht.
Nun ist der Beschwerdeführerin einzuräumen, daß in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten wurde, es bleibe den Steuerpflichtigen überlassen, ob sie von den Bestimmungen des StruktVG Gebrauch machen wollen oder nicht (vgl etwa Langer,
Das StruktVG in der Fassung der Novelle BGBl 1970/417, ÖStZ 1971, 26 ff; Okrouhly, Die Steuervorteile einer Fusion ohne Inanspruchnahme des StruktVG, FJ 1977, 104; oder derselbe,
Die Behandlung von Buchgewinnen und Buchverlusten gemäß § 1 Abs 3 StruktVG in der Handels- und Steuerbilanz, FJ 1986, 67).
Die Beschwerdeführerin (und die belangte Behörde) mißversteht dieses in der Literatur vertretene Wahlrecht jedoch insofern, als jedenfalls kein Wahlrecht zwischen der Anwendung des § 19 Abs 2 KStG 1966 und der Anwendung des Art I § 1 StruktVG, sei es nun dessen Abs 1 oder dessen Abs 3 (die belangte Behörde zitiert diesbezüglich wohl irrtümlich "§ 3"), besteht. Derartiges wird auch von den Autoren, die sich für ein Wahlrecht hinsichtlich Anwendung oder Nichtanwendung des StruktVG aussprechen, nicht vertreten.
Zwischen § 19 Abs 2 KStG 1966 und Art I § 1 Abs 1 StruktVG kann schon deshalb kein Wahlrecht bestehen, weil nach einhelliger Auffassung in der Literatur diese gesetzliche Bestimmung für eine Klarstellung der bis dahin strittigen Frage gesorgt hat, ob bei der untergehenden (übertragenden) Gesellschaft ein sich beim Übergang ergebender Gewinn für die Besteuerung auch insoweit ausscheidet, als das Vermögen einer inländischen Kapitalgesellschaft als Ganzes auch ohne Gewährung von Gesellschaftsrechten (ohne Erhöhung des Grund- oder Stammkapitals) auf eine andere inländische Kapitalgesellschaft übergeht, bzw diese gesetzliche Bestimmung eine Erweiterung bzw Ergänzung des § 19 KStG 1966 darstellt. Diese Ansicht wird auch von den zitierten Autoren, aaO, vertreten. Wird jedoch eine gesetzliche Bestimmung, gegenständlich § 19 KStG 1966, durch eine andere gesetzliche Bestimmung, gegenständlich Art I § 1 Abs 1 lit a bis e StruktVG, ergänzt bzw erweitert, oder erfolgt eine diesbezügliche Klarstellung, so besteht für die Annahme eines Wahlrechtes, ob § 19 Abs 2 KStG 1966 mit oder ohne Anwendung dessen Erweiterung oder Klarstellung anzuwenden ist, kein Raum. Nach Langer, aaO, stehen diese Ergänzungen zu den Grundsätzen des KStG nicht in Widerspruch, sodaß diesbezüglich auch kein Anwendungsfall des Auslegungsgrundsatzes
"lex specialis derogat legi generali" gegeben ist.
Zwischen § 19 Abs 2 KStG 1966 und Art I § 1 Abs 3 StruktVG kann ein Wahlrecht deswegen nicht bestehen, weil die genannten gesetzlichen Bestimmungen jeweils andere Regelungsinhalte haben. Während § 19 KStG 1966 (sei es mit oder ohne Ergänzung durch Art I § 1 Abs 1 StruktVG) die Frage eines allfälligen Gewinnes der ÜBERTRAGENDEN GESELLSCHAFT und dessen steuerliche Behandlung regelt, denn nur bei dieser kommt eine "entsprechende Anwendung des § 18 KStG 1966" in Betracht, regelt Art I § 1 Abs 3 StruktVG die Behandlung eines allenfalls entstehenden Buchgewinnes oder Buchverluste bei der ÜBERNEHMENDEN GESELLSCHAFT.
Fraglich kann daher im Beschwerdezusammenhang nur sein, ob bei sogenannten Verschmelzungen auf betrieblicher Grundlage ein Wahlrecht des Abgabepflichtigen zwischen den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen, wonach ein in der betrieblichen Sphäre liegender Geschäftsvorfall grundsätzlich der Steuerpflicht unterliegt bzw steuerwirksam ist, und den Sonderbestimmungen des StruktVG, gegenständlich konkret dem Art I § 1 Abs 3 StruktVG, wonach derartige Buchergebnisse (sowohl Buchgewinne als auch Buchverluste) außer Ansatz bleiben, besteht. Auch in der Literatur wird - wie oben aufgezeigt - nur diese Frage unterschiedlich beantwortet.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt in dieser Frage - ungeachtet des Umstandes, daß die belangte Behörde die "zur Wahl" stehenden gesetzlichen Bestimmungen verkannt hat - insoweit deren Ansicht, als nach dem Auslegungsgrundsatz "lex specialis derogat legi generali" der zwingenden Anwendung des StruktVG der Vorzug zu geben ist. Unter Berücksichtigung dieses Auslegungsgrundsatzes und der gesetzlichen Bestimmung
des Art I § 1 Abs 3 StruktVG, wonach bei Verschmelzungen ... im Sinne des Abs 1 ... ein daraus entstehender Buchgewinn oder
Buchverlust außer Ansatz bleibt, vermag der Versuch einer Begründung für ein entsprechendes Wahlrecht bei Langer, aaO, die allgemeinen Bestimmungen des Abgabenrechts blieben neben den Sonderbestimmungen des StruktVG weiterhin voll gültig, ebensowenig zu überzeugen wie die Ansicht der Beschwerdeführerin, hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, ein Wahlrecht auszuschließen, sei anzunehmen, daß dies durch eine Änderung oder Ergänzung des KStG oder des StruktVG geschehen wäre. Der Wortlaut des Art I § 1 Abs 3 StruktVG (... bleibt ... außer Ansatz) bietet für keine der beiden Ansichten einen Anhaltspunkt, zumal es dem Gesetzgeber zur Vermeidung allfälliger Nachteile in Einzelfällen offengestanden wäre, eine Regelung vorzusehen, wonach nur BuchGEWINNE außer Ansatz bleiben sollen. Da dies nicht geschehen ist, ist auch klargestellt, daß der Gesetzgeber derartige Nachteile in Einzelfällen in Kauf genommen hat bzw zur Erreichung einer in Verbindung mit Art I § 1 Abs 1 StruktVG systementsprechenden Regelung, wonach Unterschiedsbeträge zwischen dem Buchwert der aufgegebenen Gesellschaftsrechte und dem Buchwert des bei der übernehmenden Gesellschaft dafür eingehenden Vermögens steuerlich außer Ansatz bleiben sollen, unabhängig davon, ob nun der erstgenannte Buchwert den zweitgenannten übersteigt oder umgekehrt, in Kauf nehmen mußte.
Zuzustimmen ist damit auch der in der Literatur vertretenen Ansicht, daß sich aus dem Fehlen eines Antragstatbestandes im StruktVG eine zwingende Anwendung dieses Gesetzes ergibt (vgl Wiesner, Buchgewinne und Buchverluste bei Umgründungen in FS, Helbich S 232).
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.
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