VwGH 91/13/0099

VwGH91/13/009919.5.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde der H & Co GmbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. P, RA in W, gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld, vom 26.2.1991, Zl. 6/1 - 1150/90-12, betr Wiederaufnahme des Verfahrens 1979 - 1982 zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften, Umsatz- und Gewerbesteuer, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §69 Abs1 Z2;
BAO §303 Abs1;
BAO §303 Abs2;
BAO §303 Abs4;
BAO §85 Abs2;
AVG §13 Abs3;
AVG §69 Abs1 Z2;
BAO §303 Abs1;
BAO §303 Abs2;
BAO §303 Abs4;
BAO §85 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betätigte sich bis zum Tode ihres einzigen Kommanditisten und Geschäftsführers ihrer Komplementärgesellschaft im Baugewerbe. Nach Stillegung ihres Betriebes im Jahre 1982 ersuchte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin in mehreren Schriftsätzen um Vornahme einer Betriebsprüfung und Abgabenfestsetzung auf dem Schätzungswege mit dem Vorbringen, daß die Buchhaltung des Unternehmens insofern Mängel aufwiese, als nachweisliche Ausgaben erheblichen Umfangs in ihr nicht berücksichtigt worden wären. Das Finanzamt führte daraufhin eine die Jahre 1979 bis 1982 umfassende Betriebsprüfung durch, welche zu Wiederaufnahme- und neuen Sachbescheiden betreffend Gewinnfeststellung und Gewerbesteuer der Jahre 1979 bis 1982 sowie betreffend Umsatzsteuer des Jahres 1982 führten, die zufolge Rechtsmittelverzichts des steuerlichen Vertreters aus Anlaß der Schlußbesprechung am 5. Dezember 1984 in Rechtskraft erwuchsen.

In einem mit 6. Dezember 1984 datierten und am 24. Dezember 1984 beim Finanzamt eingelangten Schriftsatz beantragte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin die Wiederaufnahme "der Betriebsprüfung ab 1974" mit dem Vorbringen, daß er nunmehr darüber informiert worden sei, daß von allen Umsätzen der letzten Jahre 10 % Provision bezahlt habe werden müssen, welche Beträge auch in der Betriebsprüfung nicht berücksichtigt worden seien. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 8. April 1987, Zl. 6/1 - 1309/86, wies die belangte Behörde diesen Antrag mit der Begründung ab, daß die als neu hervorgekommen behauptete Tatsache betrieblich veranlaßter Provisionszahlungen dem einzigen Kommanditisten und Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der Beschwerdeführerin von Anfang an bekannt gewesen sei; die Geltendmachung dieser Tatsache könne im vorangegangenen Verfahren auch nicht ohne Verschulden der Partei unterblieben sein, überdies sei auch die Frist des § 303 Abs. 2 BAO nicht eingehalten worden. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit seinem Beschluß vom 25. Jänner 1989, 87/13/0097, aus dem Grunde der Versäumung der Einbringungsfrist zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 18. März 1990 beantragte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin erneut "die Wiederaufnahme einer Betriebsprüfung (7. Dezember 1984) wegen neuer Tatsachen". Zur Begründung führte er aus, daß das Unternehmen zwei Betriebsfahrzeuge gehabt hätte, für welche "laufend die Kfz-Marken entrichtet worden" seien. Weiters seien Bewirtungskosten und Provisionen als Betriebsausgaben nicht berücksichtigt worden. "Erst jetzt" habe Frau Maria H. weitere Kassabücher, Belege etc., die "obige Ausgaben bestätigen, aber in der Bilanz erlösmindernd nicht aufscheinen", gefunden. Weiters bestätige u.a. der Präsident der XY, daß er von Provisionen erfahren habe, welche an Mitarbeiter der AB in diesem Zeitraum bezahlt worden seien.

Mit Schriftsatz vom 6. Mai 1990 wiederholte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin sein Ansuchen um Wiederaufnahme "einer Betriebsprüfung für die Jahre 1979 bis 1982" und behauptete erneut, daß das Unternehmen "eine Menge von Betriebsausgaben" gehabt habe, welche nicht berücksichtigt, bzw. vom Finanzamt nicht anerkannt worden seien. Der kürzlich verstorbene Präsident der XY habe vor dem Handelsgericht bestätigt, daß die Beschwerdeführerin immer 10 % vom Umsatz als Provision an Dritte in der AB zahlen habe müssen.

Mit Bescheid vom 30. Mai 1990 wies das Finanzamt diese beiden Anträge auf "Wiederaufnahme der Verfahren 1979 bis 1982" betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften, sowie Umsatz- und Gewerbesteuer mit der Begründung ab, daß die für die Wiederaufnahme der Verfahren geltend gemachten Fakten keine neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel seien, die ohne Verschulden der Beschwerdeführerin in den bisherigen Betriebsprüfungs- und Veranlagungsverfahren nicht hätten geltend gemacht werden können. Alle für die Besteuerung maßgebenden Sachverhalte seien anläßlich der Betriebsprüfungsverfahren einer eingehenden und genauen Prüfung unterzogen worden.

Der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin erhob Berufung und bestritt die vom Finanzamt unterstellte Bekanntheit der von ihm als neu hervorgekommen behaupteten Tatsachen. Im Zuge des Berufungsverfahrens forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin am 5. Oktober 1990 zur Angabe der von der Wiederaufnahme betroffenen Bescheide und zur genauen Benennung der neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel und zu deren Übermittlung an die belangte Behörde auf. Der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin beantwortete diese Aufforderung in seinem Schreiben vom 20. Oktober 1990 durch den Hinweis auf die im Vorverfahren namhaft gemachten Zeugen und legte Teile der bisherigen Korrespondenz mit der Abgabenbehörde sowie ein Schreiben an seinen vormaligen Rechtsvertreter vom 10. September 1987 und eine eidesstattliche Erklärung der Maria H. vom 22. Dezember 1986 bei. Am 9. November 1990 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin erneut dazu auf, die im Vorhalt vom 5. Oktober 1990 gestellten Fragen genau zu beantworten und die angebotenen Beweismittel vorzulegen, wobei für angebotene Zeugen auch deren Adresse und für Gerichtsverfahren deren Geschäftszahl bekanntzugeben sei. Diese Aufforderung beantwortete der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin inhaltlich mit der Angabe von Namen zweier Zeugen, welche sämtliche bei der AB erreichbar seien, gleichzeitig gab er die Zahl eines beim Handelsgericht Wien anhängigen Verfahrens bekannt. Mit Schreiben vom 28. Dezember 1990 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin ein drittes Mal auf, die in den Wiederaufnahmeanträgen angeführten, neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel zu benennen und sie vorzulegen. Diese Aufforderung beantwortete der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin in seinem Schreiben vom 28. Jänner 1991 durch die Erklärung, daß es Aussagen und Beweise gebe, wonach die Beschwerdeführerin laufend 10 % Provision an diverse Herren der AB gezahlt habe; dies seien Betriebsausgaben, die trotz der Eingaben der Beschwerdeführerin nicht bearbeitet worden wären. Darüber hinaus sei eine Menge anderer Betriebsausgaben nicht berücksichtigt worden, bzw. "neu hinzugekommen". Die neuen Tatsachen könnten jederzeit vorgelegt werden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und sprach aus, daß "der angefochtene Bescheid unverändert" bleibe und "eine Wiederaufnahme von Amts wegen im Sinne von § 303 Abs. 4 BAO nicht durchgeführt" werde. In der Begründung ihres Bescheides führte die belangte Behörde aus, daß die Wiederaufnahmeanträge der Beschwerdeführerin jene Angaben und Nachweise vermissen ließen, aus welchen sich die Rechtzeitigkeit ihres Wiederaufnahmeantrags im Sinne des § 303 Abs. 2 BAO ergeben würde. Dieser Mangel der Wiederaufnahmeanträge sei einem Verbesserungsverfahren nach § 85 Abs. 2 BAO nicht zugänglich und stehe einem Erfolg des Begehrens der Beschwerdeführerin entgegen. Des weiteren begründete die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ihren in die Berufungsentscheidung aufgenommenen Ausspruch, von der Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen Abstand zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben; das Beschwerdevorbringen läßt erkennen, daß die Beschwerdeführerin sich deswegen in ihren Rechten als verletzt erachtet, weil die belangte Behörde ihrem Wiederaufnahmsantrag nicht stattgegeben und auch eine amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren der Streitjahre nicht verfügt habe. Die Beschwerdeführerin sieht sich auch in ihren Verfahrensrechten verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, sofern die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Nach dem zweiten Absatz dieses Paragraphen ist der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß Abs. 1 binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Nach der im angefochtenen Bescheid zutreffend dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß bereits der Wiederaufnahmeantrag selbst alle für die Beurteilung seiner Rechtzeitigkeit maßgeblichen Angaben enthalten, wobei das Fehlen dieser Angaben nicht ein einem Behebungsauftrag zugängliches Formgebrechen ist, sondern deswegen zur Zurückweisung des Antrags führen muß, weil nicht von dessen Rechtzeitigkeit ausgegangen werden kann (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1992, 92/15/0017, mit weiteren Nachweisen). Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß weder der Wiederaufnahmeantrag vom 18. März 1990, noch jener vom 6. Mai 1990 die für die Rechtzeitigkeit des erhobenen Wiederaufnahmebegehrens zu fordernden Angaben enthalten. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, daß der im Antrag vom 18. März 1990 enthaltenen Formulierung "erst jetzt fand Frau Maria H." die Behauptung eines innerhalb der Frist von drei Monaten gelegenen Zeitpunkts des Hervorkommens der im § 303 Abs. 1 lit. b BAO genannten Umstände unterstellt werden müsse, ist nicht beizupflichten. Ist für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit eines Wiederaufnahmeantrages die Angabe des im § 303 Abs. 2 BAO genannten Zeitpunkts schon generell in einer Weise zu fordern, die einen ausreichend verläßlichen Bezugspunkt zu einem zumindest bestimmbaren Kalenderdatum herstellt, so wird die unzureichende Bestimmtheit der Zeitangabe "erst jetzt" im Beschwerdefall noch dadurch verdeutlicht, daß der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin in seinem Antrag vom 18. März 1990 anführte, auf den nunmehr gestellten Wiederaufnahmeantrag bereits im Jänner dieses Jahres hingewiesen zu haben; die in der Beschwerde angestellte Vermutung, daß der Ausdruck "erst jetzt" im Sinne der Behauptung eines Zeitpunkts innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Monaten zu deuten sei, erweist sich damit vollends als unbegründet.

Damit allein ist das Schicksal der Beschwerde aber schon entschieden. Wären die Wiederaufnahmeanträge der Beschwerdeführerin schon deshalb vom Finanzamt zurückzuweisen gewesen, weil sie die für die Beurteilung ihrer Rechtzeitigkeit maßgeblichen Angaben nicht enthielten, dann kann es die Beschwerdeführerin in ihren Rechten nicht verletzen, wenn die belangte Behörde das in der Abweisung an Stelle der Zurückweisung der Wiederaufnahmeanträge dem Finanzamt unterlaufene Versehen nicht aufgegriffen, sondern die abweisende Entscheidung der Erstbehörde bestätigt hat. Auch konnte die Beschwerdeführerin in der Erledigung ihrer aus dem dargestellten Grunde von vornherein zurückzuweisenden Anträge in ihren Verfahrensrechten nicht mehr verletzt werden; der Vollständigkeit halber sei der Beschwerde lediglich erwidert, daß der Berufung auf § 113 BAO das Fehlen eines Verlangens des steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin auf Anleitung entgegenstand und dieser sich überdies der von der belangten Behörde - ungeachtet dessen - inhaltlich gewährten Anleitung als unzugänglich erwiesen hatte, wie die Darstellung des Verfahrensverlaufes zeigt.

Auf die Wiederaufnahme des Verfahrens vom Amts wegen nach § 303 Abs. 4 BAO aber hat der Abgabepflichtige keinen Anspruch (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, 727, mit Nachweisen zur hg. Judikatur). Da es der Beschwerdeführerin an einem subjektiv-öffentlichen Recht auf amtswegige Verfügung der Wiederaufnahme der Abgabenverfahren durch die Behörde mangelt, konnte sie auch durch den in den Spruch des angefochtenen Bescheides aufgenommenen Ausspruch über das Unterbleiben einer Wiederaufnahme von Amts wegen im Sinne von § 303 Abs. 4 BAO in ihren Rechten nicht verletzt werden.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte