VwGH 91/13/0091

VwGH91/13/009122.3.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde der I in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat V, vom 15. März 1991, GZ 6/3-3223/90-09, betreffend Einkommensteuer 1988, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §2 Abs3;
EStG 1972 §24;
EStG 1972 §32 Z2;
EStG 1972 §2 Abs3;
EStG 1972 §24;
EStG 1972 §32 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 19. Dezember 1980 veräußerte die Beschwerdeführerin ein ihr gehöriges Einzelunternehmen um den Preis von insgesamt S 2,220.000,-- an die F. GmbH. Nach der Vertragsurkunde sollte der Kaufpreis in zehn Jahren in monatlichen Raten zu je S 15.167,-- entrichtet werden. Für den Kaufpreis wurde eine Wertsicherung vereinbart.

In einer Beilage zu den Abgabenerklärungen für 1980 wurde - abgesehen von zwei Abschlagszahlungen von S 300.000,-- und S 100.000,-- - der Teilkaufpreis von S 1,820.000,-- unter Berücksichtigung eines Zinssatzes von 8 % auf einen Barwert von S 1,259.538,-- abgezinst. Dieser Wert wurde der Ermittlung des Veräußerungserlöses zugrunde gelegt. Das Finanzamt folgte bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1980 der eingereichten Erklärung.

Die Differenz zwischen dem Teilkaufpreis von S 1,820.000,-- (für den die auf zehn Jahre befristeten Ratenzahlungen vereinbart waren) und dem von der Beschwerdeführerin ermittelten "Barwert" von S 1,259.538,-- beträgt S 560.462,--. Ein Zehntel dieses Betrages, also S 56.046,--, setzte das Finanzamt bei der Veranlagung (nur) für die Jahre 1981 bis 1986 als Einkünfte aus Kapitalvermögen an.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, daß die F. GmbH ihren Verpflichtungen gegenüber der Beschwerdeführerin nur unzureichend nachgekommen sei. Nach einem Rechtsstreit habe die F. GmbH das Unternehmen wiederum verkauft, wobei aus dem Verkaufspreis S 850.000,-- an die Beschwerdeführerin geleistet wurden. Im einzelnen seien folgende Zahlungen an die Beschwerdeführerin erfolgt:

1980 S 300.000,--

1981 S 100.000,--

S 182.004,--

1982 S 121.336,--

1983 S 36.200,--

1984 S 175.000,--

1985 S 103.000,--

1986 S 48.000,--

1987 S 30.500,--

1988 S 850.000,--

S 1,946.040,--

Der Ausfall der Forderung aus der Betriebsveräußerung

stellte nach Auffassung des Prüfers negative nachträgliche

Einkünfte aus Kapitalvermögen dar. Der Prüfer stellte den

Kaufpreis, den die Beschwerdeführerin letztlich tatsächlich

erhalten hatte (S 1,946.040,--), dem Betrag gegenüber, der bis

einschließlich 1986 "der Einkommensteuer unterzogen" worden war

("abgezinster Barwert" von S 1,259.538,-- zuzüglich

seinerzeitige Barzahlung von S 400.000,-- zuzüglich der

Einkünfte aus Kapitalvermögen 1981 bis 1986 von zusammen

S 336.276,--, insgesamt S 1,995.814,--). Den Differenzbetrag

von S 49.774,-- behandelte der Prüfer als

Werbungskostenüberschuß bei den Einkünften aus Kapitalvermögen

des Jahres 1988.

Das Finanzamt folgte bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1988 der Ermittlung des Prüfers.

In der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1988 wurde beantragt, als Verlust des Jahres 1988 den "Kaufpreisrest" von S 273.960,-- sowie den vom Finanzamt für die Jahre 1981 bis 1986 angenommenen "Wertsteigerungsbetrag" von S 336.276,--, zusammen also S 610.236,--, anzuerkennen. Weiters sei dem Finanzamt nach Auffassung der Beschwerdeführerin bei der Ermittlung des Barwertes der "Rente" ein Fehler unterlaufen. Der "Rentenbetrag" mache nicht S 1,259.528,--, sondern S 1,447.295,80 aus.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde führte in der Begründung dieses Bescheides aus, die Beschwerdeführerin habe im Zeitpunkt der Veräußerung nur den Barwert versteuert und damit "bereits de facto einen Aufwand (in Höhe des Zinsenbetrages)" hingenommen. Werde nun die Forderung teilweise uneinbringlich, so könnten, um eine "Netto-Ist-Versteuerung" des Einkommens zu erreichen, nur die bereits vereinnahmten und versteuerten Beträge (Barwert und abgereifte Zinsen) dem tatsächlich zugeflossenen Gesamtbetrag gegenübergestellt werden. Die "noch nicht abgereiften bzw. vereinnahmten" Zinsen betrügen S 224.184,--; abzüglich den Forderungsverlust von S 273.960,-- ergebe sich die Größe von S 49.776,--, die einkommensmindernd zu berücksichtigen sei. Schließlich verwies die belangte Behörde darauf, daß ihrer Meinung nach bei richtiger Barwertermittlung ein höherer Veräußerungsgewinn zu versteuern gewesen sei.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 32 Z. 2 EStG 1972 gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 des Gesetzes unter anderem Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 4 EStG 1972. Solche Einkünfte sind somit der Einkunftsart zuzurechnen, der die frühere Tätigkeit zuzuordnen war (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar, Rz 8.1 zu § 32 EStG 1972). Entgegen der von der belangten Behörde bestätigten Auffassung des erstinstanzlichen Bescheides stellen die Einkünfte, deren Höhe im Beschwerdefall strittig ist, nicht Einkünfte aus Kapitalvermögen, sondern solche aus Gewerbebetrieb dar.

Ansonsten stimmen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens darin überein, daß die Beschwerdeführerin im Streitjahr 1988 den Verlust eines Teiles ihrer Forderung aus der im Jahre 1980 erfolgten Veräußerung eines gewerblichen Unternehmens erlitten hat. Der Ausfall einer bereits bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes zu erfassenden Forderung auf den Erlös aus der Betriebsveräußerung führt zu nachträglichen negativen Einkünften im Sinne des § 32 Z. 2 EStG 1972 (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juni 1987, 86/14/0181, Slg. 6233/F, mit weiterem Hinweis). Zu solchen negativen Einkünften führt dabei der Forderungsausfall in dem Kalenderjahr, in dem dieser Ausfall eingetreten ist. Die Bestimmung des § 32 Z. 2 EStG 1972 ist nicht dazu da, fehlerhafte Veranlagungen der Vorjahre zu sanieren (vgl. Hofstätter-Reichel, a.a.O.).

Da der Einkommensteuer das Einkommen zugrunde zu legen ist, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat (vgl. § 2 Abs. 1 EStG 1972), entsprach die von den Abgabenbehörden eingeschlagene Vorgangsweise, die über den Zeitraum 1980 bis 1988 von der Beschwerdeführerin eingenommenen Kaufpreisteile den von 1980 bis 1986 besteuerten Teilen des Veräußerungserlöses gegenüberzustellen und den Differenzbetrag im Jahre 1988 als (negative) Einkünfte anzusetzen, keineswegs dem Gesetz. Die belangte Behörde ist bei ihrer Vorgangsweise zwar offenkundig - ohne daß sie dies im angefochtenen Bescheid deutlich zum Ausdruck gebracht hat - einem Teil der Lehre gefolgt, wonach die Raten in Zins- und Tilgungsanteil zu zerlegen sind und der Zinsanteil Einkünfte aus Kapitalvermögen bildet (vgl. Herrmann-Heuer-Raupach, Kommentar zum EStG und KStG, Rz 200 zu § 16d EStG mit Hinweisen auf die unterschiedlichen Rechtsmeinungen). Ob diese Meinung der Behörde zutrifft, kann aber dahingestellt bleiben, weil selbst in diesem Falle es nicht gerechtfertigt wäre, die Jahre vor 1988 betreffenden Vorgänge in die Einkommensermittlung der beschwerdegegenständlichen Periode einzubeziehen.

Vielmehr ist der Auffassung der Beschwerdeführerin zu folgen, daß der Forderungsverlust im Zeitpunkt seiner Verwirklichung einen steuerrechtlichen Tatbestand - im Sinne des § 32 Z. 2 EStG 1972 - bildet. Mangels entgegenstehender Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde war dabei davon auszugehen, daß die im Jänner 1988 bestehende Restforderung von S 273.960,-- im Zeitpunkt der (Weiter-)Veräußerung des Unternehmens durch die F. GmbH verloren gegangen ist. Dieser Betrag war daher bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Jahres 1988 (als negative Einkünfte) zu berücksichtigen.

Da Gegenstand des angefochtenen Bescheides wie ausgeführt allein die Festsetzung der Einkommensteuer für 1988 ist, gehen die Ausführungen beider Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über die Unrichtigkeit des bei der Festsetzung der Einkommensteuer 1980 ermittelten "Barwertes" ins Leere.

Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, daß der Beschwerdeführerin nicht zugeflossene Beträge aus der vereinbarten Wertsicherungsklausel gleichfalls als (negative) Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln seien, ist sie unbegründet: Erhöht sich ein in Raten zu entrichtender Veräußerungserlös auf Grund der Verwirklichung einer vereinbarten Wertsicherung, so stellt diese Erhöhung eine nachträgliche Betriebseinnahme dar, die im Sinne des § 32 Z. 2 EStG 1972 steuerlich zu erfassen ist. Im Beschwerdefall ist jedoch entgegen den Bestimmungen des Kaufvertrages eine Abrechnung der Wertsicherung nicht erfolgt. Es ist somit im Beschwerdefall weder eine Erhöhung der Forderung der Beschwerdeführerin aus der Unternehmensveräußerung noch in der weiteren Folge ein Ausfall einer der Forderungserhöhung entsprechenden Forderung eingetreten. Im übrigen ist die Beschwerdeführerin einem Irrtum unterlegen, wenn sie meint, die Behörde habe den Betrag von S 336.276,-- als einen Betrag behandelt, um den sich die Kaufpreisforderung erhöht. Es handelte sich dabei vielmehr um die Summe der als Zinsenanteil der Jahre 1981 bis 1986 behandelten Teile der Ratenzahlungen. (Dabei war die Berechnung der Behörde aber wiederum deswegen unrichtig, weil die Vereinbarung über die Ratenzahlung nicht eingehalten worden war.)

Da die Behörde wie ausgeführt den Verlust des Kaufpreisrestes von S 273.960,-- bei der Ermittlung der nachträglichen Einkünfte nach § 32 Z. 2 EStG 1972 nicht berücksichtigt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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