VwGH 91/12/0187

VwGH91/12/018728.9.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Würdinger, über die Beschwerde des E und der M in X, beide vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 14. Mai 1991, Zl. 03-38 H 2-91/80, betreffend Bewilligung nach dem Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetz (mitbeteiligte Partei: Abfallwirtschaftsverband Hartberg), zu Recht erkannt:

Normen

AWG 1990 §44 Abs6;
AWG Stmk 1990 §21;
B-VG Art10 Abs1 Z12;
AWG 1990 §44 Abs6;
AWG Stmk 1990 §21;
B-VG Art10 Abs1 Z12;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.870,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei beantragte mit Eingabe vom 23. Juli 1990 die Erteilung der Genehmigung für die Errichtung einer Bezirksmülldeponie von Hausmüllreststoffen auf dem Grundstück Nr. 1114/1 der Katastralgemeinde St. Johann in der Haide nach dem Steiermärkischen Müllwirtschaftsgesetz.

Über diesen Antrag wurde am 11. und 12. September 1990 die Augenscheinverhandlung durch das Amt der Steiermärkischen Landesregierung durchgeführt. Auf Grund der Ergebnisse dieses Ermittlungsverfahrens erließ die Bezirkshauptmannschaft Hartberg am 7. November 1990 folgenden Bescheid:

"Spruch I

Gemäß § 21 Abs. 1 des Steiermärkischen Müllwirtschaftsgesetzes 1988, LGBl. Nr. 7, in der Fassung LGBl. Nr. 68/1990, nunmehr Steiermärkisches Abfallwirtschaftsgesetz (StAWG), wird der vom Müllwirtschaftsverband Hartberg erstellte Betriebsplan, der bei der abfallrechtlichen Augenscheinverhandlung am 11.9. und 12.9.1990 adaptiert und in seiner Neufassung vorliegt,

genehmigt.

Spruch II

Gemäß § 21 StAWG wird die Betriebsanlagengenehmigung für die Bezirksrestmülldeponie des Müllwirtschaftsverbandes Hartberg (MWV Hartberg) auf dem Gst. Nr. 1114/1 KG. St. Johann i. d.H. nach Maßgabe der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Projektunterlagen und des Ergebnisses der am 11.9. und 12.9.1990 durchgeführten Augenscheinverhandlung

erteilt,

wobei die unten angeführten Auflagen zu erfüllen und

einzuhalten sind.

Gemäß § 21 Abs. 6 StAWG wird die Erteilung einer Betriebsbewilligung vorbehalten und wird ein Probebetrieb in der Dauer von zwei Jahren

angeordnet,

wobei die für den Probebetrieb zusätzlich festgelegten Auflagen

zu erfüllen und einzuhalten sind.

Die Fertigstellung der Anlage und die Aufnahme des Probebetriebes sind der BH Hartberg bekanntzugeben."

Es folgen im Spruch des Bescheides eine Reihe von Auflagen aus bautechnischer, brandschutztechnischer Sicht, aus der Sicht des Arbeitnehmerschutzes, aus maschinentechnischer Sicht und zusätzliche Auflagen für den Probebetrieb.

Im Spruch III wird über die gemäß § 42 AVG erhobenen Einwendungen wie folgt abgesprochen:

"Die Einwendungen, die sich auf Schutzinteressen nach dem Wasserrechtsgesetz und nach dem Forstgesetz beziehen, werden als unzulässig zurückgewiesen.

Die übrigen Einwendungen werden, soweit sie subjektiv öffentlicher Natur sind, abgewiesen; soweit sie öffentlich-rechtlicher Natur sind, zurückgewiesen; soweit sie privatrechtlicher Natur sind, auf den Privatrechtsweg verwiesen."

Im Spruchabschnitt IV wird über die Kosten des Verwaltungsverfahrens abgesprochen.

In der Bescheidbegründung wird auf Grund des vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung durchgeführten Ermittlungsverfahren unter anderem festgestellt, das Areal der geplanten Bezirksmülldeponie Hartberg weise eine Gesamtfläche von ca. 134 ha auf. Das Grundstück sei im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Freiland ausgewiesen. Unter anderem wird auch die Errichtung eines Problemstofflagers (43 m2) vorgesehen, für das besondere bauliche Vorschriften (Pumpensumpf, korrosionssichere Wannen und Lagerung in 200 Liter-Fässern und mechanische Be- und Entlüftung) angeordnet sind. Weiters ein Klärschlammlager, für das besondere Einrichtungen angeordnet werden. Gegen diesen Bescheid erhoben (unter anderen) die Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde im Abschnitt I aus, der erstinstanzliche Bescheid werde gemäß § 62 Abs. 4 AVG durch eine bestimmte zusätzliche Auflage für den Probebetrieb (Einhaltung von Emissionsgrenzwerten) berichtigt. Im Spruchabschnitt II wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG den Berufungen der Parteien gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Folge gegeben. In der Bescheidbegründung wird im wesentlichen ausgeführt, nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens durch das Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Rechtsabteilung 3, sei der Akt samt allen Plan- und Beschreibungsunterlagen und den erhobenen Einwendungen der Bezirkshauptmannschaft Hartberg zur Entscheidung vorgelegt worden, da mit 6. Oktober 1990 durch die Novelle LGBl. Nr. 68/1990 das Steiermärkische Müllwirtschaftsgesetz in § 30 dahin abgeändert worden sei, daß die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zur Genehmigung von Betriebsplänen und Abfallbehandlungsanlagen zuständig geworden sei. Grundlage des Verfahrens zum Zeitpunkt des Antrages der Mitbeteiligten (23. Juli 1990) sei das Steiermärkische Müllwirtschaftsgesetz, in der Fassung LGBl. Nr. 7/1988, gewesen, das in § 20 Abs. 3 bestimme, daß Müllbehandlungsanlagen ausschließlich nach einem mit Bescheid zu genehmigenden Betriebsplan betrieben werden dürfen. In diesem Genehmigungsverfahren seien, sofern nicht eine Betriebsbewilligung auf Grund der Gewerbeordnung 1973 notwendig sei, die §§ 74 bis 84, 353 bis 359, 366 bis 368 und 371 der Gewerbeordnung 1973, BGBl. Nr. 50/1974, in der geltenden Fassung, sowie die darauf beruhenden Verordnungen anzuwenden. Zuständige Behörde sei nach dieser Gesetzesstelle die Landesregierung. Voraussetzung für die Genehmigung eines Betriebsplanes sei gemäß § 19 Abs. 5 leg. cit. das Vorliegen eines von der Landesregierung genehmigten und kundgemachten Müllwirtschaftsplanes, der die Standortbereiche der vorgesehenen Müllbehandlungsanlagen des Müllwirtschaftsverbandes zu enthalten habe. Die im Müllwirtschaftsplan vorgesehenen Standorte für die Errichtung von Müllbehandlungsanlagen seien nach Genehmigung durch die Landesregierung und ordnungsgemäßer Kundmachung nach § 22 Abs. 7 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 durch die betroffene Standortgemeinde im Flächenwidmungsplan als übergeordnete Planung ersichtlich zu machen. Mit dem Steiermärkischen Landesgesetz LGBl. Nr. 68/1990 (ausgegeben am 5. Oktober 1990) seien das Steiermärkische Müllwirtschaftsgesetz und die Steiermärkische Bauordnung 1988 geändert worden. Die für das gegenständliche Verfahren maßgeblichen Bestimmungen seien insoweit abgeändert, als nach § 21 des nunmehr als Steiermärkisches Abfallwirtschaftsgesetz in Geltung stehenden Gesetzes die Errichtung und der Betrieb von Abfallbehandlungsanlagen nur im Rahmen eines Betriebsplanes möglich sei, der mit Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde zu genehmigen sei. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen sei unabhängig von der Genehmigung des Betriebsplanes für die Errichtung und den Betrieb sowie die wesentliche Änderung von Abfallbehandlungsanlagen eine Betriebsanlagengenehmigung durch die Bezirksverwaltungsbehörde erforderlich, sofern nicht für diese Anlage eine gewerbebehördliche Genehmigung erforderlich sei. Die Genehmigung für Anlagen zur Behandlung von Abfällen erfolge auf der Grundlage des rechtsgültigen Abfallwirtschaftsplanes des jeweiligen Abfallwirtschaftsverbandes. Im Genehmigungsverfahren seien die bereits oben zitierten Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973, in der Fassung BGBl. Nr. 254/1989 sinngemäß anzuwenden. Nach Art. 2 des zitierten Landesgesetzes sei § 57 Abs. 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 angefügt worden, demzufolge von der Widmungs- und Baubewilligungspflicht Abfallbehandlungsanlagen ausgenommen seien, für die nach den abfallrechtlichen Bestimmungen des Landes oder des Bundes eine Genehmigung erforderlich sei. Diese Anpassung sei durch das Inkrafttreten des Bundesabfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990, erforderlich gewesen.

Nach Wiedergabe der von der Behörde anzuwendenden Bestimmungen der Gewerbeordnung zur rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes in bezug auf die Einwendungen der Parteien wird zunächst ausgeführt, es sei keine Rechtswidrigkeit des Spruches III des Bescheides der Behörde erster Instanz darin zu erblicken, daß ein einheitlicher Abspruch erfolgt sei, weil in der Begründung eingehend auf die Punkte der Einwendungen Bezug genommen worden sei. Die Berufungen seien zum Anlaß genommen worden, einen offenkundigen Schreibfehler der Behörde erster Instanz zu korrigieren (§ 62 Abs. 4 AVG), woraus sich der Spruch I des angefochtenen Bescheides ableite. Die belangte Behörde habe zusätzliche Auflagen für den Probebetrieb vorgeschrieben, insbesondere eine Biofilteranlage. Das verfahrensgegenständliche Grundstück stehe im Eigentum der Stadtgemeinde Hartberg, die dem Müllwirtschaftsplan der Mitbeteiligten, der dieses Grundstück als Standort einer Bezirksmülldeponie vorsehe, zugestimmt und somit auch ihr Einverständnis erteilt habe, die zum Betrieb notwendigen Verwaltungsverfahren einzuleiten. Die belangte Behörde (Rechtsabteilung 3) habe auf Grund des Antrages der Mitbeteiligten vom 23. Juli 1990 eine mündliche Ortsverhandlung im Sinne des § 20 Abs. 3 des Steiermärkischen Müllwirtschaftsgesetzes abgeführt, wobei die zur Beurteilung dieser Betriebsanlage erforderlichen Amtssachverständigen beigezogen worden seien. Bevor es der Behörde möglich gewesen sei, eine Entscheidung zu treffen, sei mit LGBl. Nr. 68/1990 das Steiermärkische Müllwirtschaftsgesetz dahin abgeändert worden, daß für die Erteilung der Genehmigung für Abfallbehandlungsanlagen die örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde betraut worden sei. Da die zitierte Novelle keine Übergangsbestimmungen für anhängige Verfahren festgelegt habe, habe die Landesregierung der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde in Hartberg den Akt samt allen Unterlagen zur Entscheidung übermittelt. Diese habe auf Grund der vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach der geltenden Rechtslage entschieden. Zur Frage einer allfälligen Befangenheit des Organs der Berufungsbehörde sei anzumerken, daß der nach dem Organisationshandbuch der Rechtsabteilung 3 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung für die Berufung zuständige Beamte nicht an der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides mitgewirkt habe. Die Betriebsanlagengenehmigung stütze sich auf den rechtskräftigen ordnungsgemäß kundgemachten Müllwirtschaftsplan des Abfallwirtschaftsverbandes Hartberg, der als Standort der Bezirksmülldeponie das gegenständliche Grundstück vorsehe. Diese Planungsvorgabe sei gemäß den einschlägigen Bestimmungen nach § 20 Abs. 6 des Steiermärkischen Müllwirtschaftsgesetzes, LGBl. Nr. 7/1988, nunmehr § 19 Abs. 2 des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes 1990, von der Standortgemeinde im Flächenwidmungsplan als übergeordnete Planung ersichtlich zu machen. Die Ausweisung der Gemeinde St. Johann im Landesentwicklungsprogramm des Landes Steiermark als Fremdenverkehrsgebiet stütze sich auf eine andere gesetzliche Grundlage, die keinesfalls geeignet sei, ein Standortverbot im Sinne des § 77 Abs. 1 der Gewerbeordnung 1973 zu begründen. Die Errichtung einer Bezirksmülldeponie in einem verhältnismäßig kleinen Teil des Grundstückes schließe die Erholungsfunktion des umliegenden Waldes in keiner Weise aus, sodaß eine widersprüchliche Nutzung im Gesamten betrachtet nicht vorliege. Die zur Ablagerung auf der Deponie zugelassenen Abfälle seien nicht nur im Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg sondern vor allem auch im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid der Rechtsabteilung 3 vom 15. Mai 1990 festgesetzt, sodaß davon auszugehen sei, daß diese Abfalldeponie nach den einschlägigen Richtlinien errichtet und betrieben werde. Im übrigen seien diese Festsetzungen nach den Eluatklassen der Richtlinie für die Ablagerung von Abfällen des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft getroffen worden. Aus den Planunterlagen gehe deutlich hervor, welche Einrichtungen zur Nachsortierung vorgesehen seien, welche Zufahrtswege benützt werden und welche Vorkehrungen die Mitbeteiligte für die Nachsorge der Deponie treffen müsse. In der im Bescheid erster Instanz wiedergegebenen Niederschrift seien als Emissionsquellen Betriebsfahrzeuge bzw. Müll-Lastkraftfahrzeuge, Emissionen nach Abfackelung und Emissionen ohne Abfackelung angegeben. Auf Grund der LKW-Frequenz von maximal acht pro Tag sei mit Sicherheit anzunehmen, daß diese Fahrzeuge bereits in wenigen Metern Entfernung von der Deponie keine meßtechnisch nachweisbaren Immissionen verursachen könnten. Durch den Betrieb von Radladern und Kompaktoren würden in erster Linie Kohlenwasserstoffe, CO und Staub auftreten. Die Massenströme dieser Schadstoffe bewegten sich allerdings in Größenordnungen von wenigen Gramm pro Stunde und würden mit Sicherheit in Entfernung von wenigen "Zehnermetern" von der Deponie nicht mehr als Immission nachweisbar sein. Auf die Belästigungen durch Verfrachtungen sei im emissionstechnischen Gutachten eingehend eingegangen worden. Zu den Einwendungen betreffend Windbewegung und kleinklimatische Verhältnisse wird auf den Bescheid erster Instanz und das geländeklimatische Gutachten des Sachverständigen verwiesen. Auch zu den Einwendungen bezüglich der Biofilteranlage und der Abfackelungsanlage verweist die belangte Behörde in der Bescheidbegründung auf den erstinstanzlichen Bescheid und das Amtssachverständigengutachten. Weiters stützt sich die belangte Behörde auf das Gutachten des sanitätstechnischen Amtssachverständigen und ein Untersuchungsergebnis des Hygieneinstitutes der Universität Graz bezüglich der Ungeziefergefahr.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführer in der Berufung verweist die belangte Behörde in der Bescheidbegründung darauf, daß die Frage der auf der Deponie abzulagernden Abfälle sowohl im Anlagenbescheid der Behörde erster Instanz als auch im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid eingehend erörtert worden sei. Zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz sei das Bundesabfallwirtschaftsgesetz 1990, BGBl. Nr. 325, bereits in Kraft gewesen, doch sei in den Übergangsbestimmungen dieses Gesetzes festgelegt, daß die Bestimmungen des § 29 dieses Gesetzes bei bereits vor dem 1. Juli 1990 anhängigen Verfahren keine Anwendung fänden. Da der erstinstanzliche wasserrechtliche Bewilligungsbescheid mit 15. Mai 1990 ergangen sei, sei in diesem Verfahren die Verfahrensregelung des Bundesabfallwirtschaftsgesetzes nicht anzuwenden. Es sei ein eigenes forstrechtliches Verfahren durchgeführt worden, in dem festgestellt worden sei, daß die Nutzung der gegenständlichen Fläche als Abfalldeponie den öffentlichen Interessen an der Erhaltung der Waldfläche nicht widerspreche. Die Bezirkshauptmannschaft sei als monokratische Behörde eingerichtet, wobei sich die Vertretungsbefugnisse nach den Organisationsvorschriften des jeweiligen Amtes der Landesregierung richteten. Der den erstinstanzlichen Bescheid unterfertigende Beamte sei nach dem geltenden Organisationshandbuch der Bezirksverwaltungsbehörde Hartberg in Angelegenheiten des Betriebsanlagenverfahrens vertretungsbefugt und könne daher den Genehmigungsbescheid rechtswirksam unterfertigen. Mit einer erhöhten Lärmbelästigung müsse auf Grund der Ausführungen des Amtssachverständigen im erstinstanzlichen Bescheid nicht gerechnet werden. Die Deponieabwässer seien nicht Gegenstand des Anlagenverfahrens und im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren eingehend erörtert worden. Der sanitätsfachliche Sachverständige habe bei ordnungsgemäßem Betrieb der Deponie Geruchsemissionen von 60 bis 70 Geruchseinheiten pro m2 angenommen und daher geruchliche Wahrnehmungen praktisch ausgeschlossen. Eine bloß leichte Wahrnehmung von Gerüchen sei nicht in der Lage, unzumutbare Belästigungen der Nachbarschaft zu verursachen. Dies umso mehr, als die große Entfernung vom Deponiegelände zu einem Verdünnungseffekt führen werde, sodaß eine Zuordnung bestimmter Gerüche nach dem Gutachten des immissiontechnischen Sachverständigen nicht mehr möglich sei. Die Auflagen des erstinstanzlichen Bescheides seien ausreichend bestimmt und entsprächen den einschlägigen Richtlinien für Mülldeponien. Geruchsbelästigungen aus der Abwasseranlage seien nach dem emissionstechnischen Sachverständigengutachten ausgeschlossen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht, daß keine Deponie genehmigt werde, verletzt.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben Gegenschriften erstattet und Gegenanträge gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der angefochtene Bescheid stützt sich auf Bestimmungen des Steiermärkischen Landesrechtes, die im Zuge des Verfahrens über den Antrag der Mitbeteiligten, der mit Eingabe vom 23. Juli 1990 gestellt worden ist, geändert worden sind. Zur Zeit der Antragstellung galt das Steiermärkische Müllwirtschaftsgesetz, LGBl. Nr. 7/1988, das in seinem § 18 die Errichtung und den Betrieb der im Müllwirtschaftsplan (§ 18) vorgesehenen Müllbehandlungsanlagen durch den Müllwirtschaftsverband regelte. Nach Abs. 5 leg. cit. durften die Errichtung und der Betrieb einer Müllbehandlungsanlage nur im Rahmen eines Betriebsplanes erfolgen, der vom Betreiber zu erstellen und von der Landesregierung mit Bescheid auf Grund des kundgemachten Müllwirtschaftsplanes zu genehmigen war. Der Betriebsplan hatte den Standort, den Müllentsorgungsbereich, das technische Verfahren, die Betriebsweise, die Art des zu entsorgenden Mülls sowie die technische Beschreibung der Anlage zu enthalten.

Das genannte Gesetz wurde durch das Steiermärkische Abfallwirtschaftsgesetz - StAWG - LGBl. Nr. 68/1990 geändert. Dieses Gesetz regelt nach § 1 Abs. 1 die Vermeidung, Sammlung, Verwertung und Entsorgung von Abfällen, sofern nicht die Zuständigkeit des Bundes gegeben ist. § 19 StAWG regelt die Erstellung von Abfallwirtschaftsplänen, wobei dessen Abs. 2 vorsieht, daß die im (mit Bescheid der Landesregierung genehmigten) Abfallwirtschaftsplan vorgesehenen Standorträume für die Errichtung von Abfallbehandlungsanlagen nach § 22 Abs. 7 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 durch die betroffenen Gemeinden im Flächenwidmungsplan als übergeordnete Planungen ersichtlich zu machen sind.

§ 20 Abs. 1 StAWG definiert Abfallbehandlungsanlagen wie folgt:

"a) Anlagen zur Trennung, Sortierung, Aufbereitung, Sammlung, Zwischenlagerung und Kompostierung mit für die Entsorgung regionaler Bedeutung, worüber im Zweifel die Landesregierung auf Antrag des Betreibers oder von Amts wegen zu entscheiden hat, oder einem Entsorgungsbereich von mehr als 15.000 Einwohnern;

b) Anlagen zur thermischen, chemischen oder physikalischen Behandlung;

c) Ablagerungsplätze als geordnete Deponien (Restedeponien)."

Nach § 21 StAWG dürfen die Errichtung und der Betrieb sowie die wesentlichen Änderungen von Abfallbehandlungsanlagen nur im Rahmen eines Betriebsplanes erfolgen, der vom Betreiber zu erstellen und mit Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde zu genehmigen ist (Abs. 1).

Unabhängig von der Genehmigung des Betriebsplanes ist für die Errichtung und den Betrieb sowie die wesentlichen Änderungen von Abfallbehandlungsanlagen eine Betriebsanlagengenehmigung durch die Bezirksverwaltungsbehörde nach diesem Gesetz erforderlich, sofern nicht für diese Anlage eine gewerbebehördliche Genehmigung erforderlich ist (Abs. 2).

Die Genehmigung nach Abs. 1 und 2 für Anlagen zur Behandlung von Abfällen gemäß § 2 Abs. 3 Z. 1 (das sind Abfälle aus privaten Haushalten und öffentlichen Einrichtungen sowie hausmüllähnliche Abfälle - Müll) erfolgt auf der Grundlage des Abfallwirtschaftsplanes, für Anlagen zur Behandlung von Abfällen gemäß § 2 Abs. 3 Z. 2 (das sind Abfälle aus Gewerbe- und Industriebetrieben, Anstalten und sonstigen Arbeitsstellen, sofern sie nicht hausmüllähnlich sind) auf Grundlage des Landesabfallwirtschaftskonzeptes gemäß § 5 Abs. 3, worüber ein abfallwirtschaftliches Gutachten der zuständigen Fachabteilung des Amtes der Landesregierung einzuholen ist. Gemäß § 21 Abs. 6 StAWG sind im Genehmigungsverfahren nach Abs. 1 und 2, soweit dieses Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt, die §§ 74 bis 84 und 354 bis 360 der Gewerbeordnung 1973, BGBl. Nr. 50/1974, in der Fassung BGBl. Nr. 254/1989, sinngemäß anzuwenden. Dem Verfahren sind die für die Anlagengenehmigung erforderlichen Sachverständigen sowie ein Sachverständiger für den Bereich Abfallwirtschaft beizuziehen. Ist eine Genehmigung nach Abs. 2 erforderlich, so hat die Behörde gleichzeitig über die Genehmigung nach Abs. 1 zu entscheiden (§ 21 Abs. 7 StAWG).

§ 30 StAWG lautet:

"Behörden

Behörde ist in Verfahren gemäß § 21 (Genehmigung von Betriebsplänen und Abfallbehandlungsanlagen), § 27 (Untersagung), § 28 (Strafverfahren) und Art. III Abs. 6 des Gesetzes, mit dem das Steiermärkische Müllwirtschaftsgesetz und die Steiermärkische Bauordnung 1968 geändert werden (Genehmigung des Betriebsplanes), die Bezirksverwaltungsbehörde, sonst die Landesregierung."

Nach Art. III Abs. 1 leg. cit. trat dieses Gesetz mit dem seiner Kundmachung folgenden Tag, das war der 6. Oktober 1990, in Kraft.

Eine Übergangsbestimmung hinsichtlich der geänderten Behördenzuständigkeit enthält das Gesetz nicht.

Auf Grund der Kompetenzbestimmung des Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG betreffend Abfallwirtschaft hinsichtlich gefährlicher Abfälle und hinsichtlich anderer Abfälle soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften vorhanden ist, erging das Bundesgesetz vom 6. Juni 1990 über die Vermeidung und Behandlung von Abfällen (Abfallwirtschaftsgesetz - AWG BGBl. Nr. 325/1990, welches nach Art. VIII Abs. 1 mit 1. Juli 1990 in Kraft getreten ist (die Ausnahmebestimmungen des zweiten Satzes dieser Bestimmung spielen im Beschwerdefall keine Rolle).

Nach § 29 Abs. 1 Z. 6 dieses Gesetzes bedürfen Deponien für nicht gefährliche Abfälle mit einem Gesamtvolumen von mindestens 100.000 m3 einer Genehmigung des Landeshauptmannes. Nach dem letzten Satz der genannten Bestimmung bleiben für Anlagen gemäß Z. 6 landesrechtliche Vorschriften, die sich nicht auf das Genehmigungsverfahren beziehen - unbeschadet der Regelung des Abs. 13 - unberührt. Die Verfassungsbestimmung des Abs. 13 betrifft die baubehördliche Genehmigung von Anlagen, die danach nicht erforderlich ist.

§ 44 Abs. 6 AWG lautet:

"Anhängige Genehmigungsverfahren sind nach den bisherigen

Rechtsvorschriften zu beenden."

Auf die zuletzt zitierte Bestimmung gestützt machten die Beschwerdeführer geltend, die Behörden des Verwaltungsverfahrens hätten unzuständigerweise eine Kompetenz für sich in Anspruch genommen, weil die belangte Behörde rechtsirrig den Standpunkt vertrete, das AWG finde keine Anwendung, da bereits ein wasserrechtlicher Bewilligungsbescheid ergangen sei.

Die belangte Behörde brachte dazu in ihrer Gegenschrift vor, das Steiermärkische Landesrecht sei anzuwenden, wenn zum Zeitpunkt des Antrages der mitbeteiligten Partei bereits ein wasserrechtliches Verfahren anhängig gewesen sei, weshalb § 44 Abs. 6 AWG anzuwenden wäre. Deshalb sei die Verfahrensbestimmung des § 29 AWG auf das vorliegende Verfahren nicht anzuwenden gewesen. Während der Verfahrensdauer sei die Zuständigkeit von der Landesregierung auf die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde übergegangen. Die mitbeteiligte Partei brachte dagegen vor, die Verfahren seien von ihr vor dem 5. Oktober 1990, dem Inkrafttreten des StAWG anhängig gemacht worden. Sie sei vor der Wahl gestanden, ihre bisherigen Eingaben um Durchführung der vorgesehenen einzelnen Behördenverfahren zurückzuziehen und einen Antrag auf ein Verfahren nach dem "StAWG bzw. BAWG (Konzentrations-Verfahren) zu stellen oder das ausständige Genehmigungsverfahren nach dem StAWG (Anlagenverfahren) fortzuführen". Nach diesem im wesentlichen übereinstimmenden Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hängt die Zuständigkeit der belangten Behörde von der Lösung der Rechtsfrage ab, ob die Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 6 AWG auf das Verfahren der Verwaltungsbehörden im vorliegenden Fall anzuwenden war oder nicht. Offenbar gehen die Parteien des Verwaltungsverfahrens davon aus, daß das Verfahren über die Errichtung sowie die Inbetriebnahme für die gegenständliche Abfallbehandlungsanlage (Deponie im Sinne der Z. 7 leg. cit.) einer Genehmigung des Landeshauptmannes bedurft hätte. Dies entspricht auch dem von der mitbeteiligten Partei im technischen Bericht angegebenen Volumen der Deponie.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich der Rechtsauffassung der belangten Behörde, wonach der Begriff "anhängige Genehmigungsverfahren" im § 44 Abs. 6 AWG so weit auszulegen sei, daß auch ein wasserrechtliches Bewilligungsverfahren vor Einleitung eines abfallrechtlichen Verfahrens zur Weitergeltung der bisherigen Rechtsvorschriften materieller und verfahrensrechtlicher Art führen sollte, nicht anzuschließen. Seit dem 1. Jänner 1989 verfügt der Bund über die unbedingte Zuständigkeit für die "Abfallwirtschaft hinsichtlich gefährlicher Abfälle" und darüber hinaus über eine Bedarfskompetenz "hinsichtlich anderer Abfälle" nämlich "soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften vorhanden ist (Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG in der Fassung der Novelle 1988, BGBl. Nr. 685). Dementsprechend gelten die Bestimmungen des AWG zum Teil nur für gefährliche, zum Teil aber auch für nicht gefährliche Abfälle. Das Bundesland Steiermark hat, wie bereits ausgeführt, durch das StAWG LGBl. Nr. 5/1991 sein Abfallrecht dieser Änderung entsprechend bereits erneuert. Bezüglich des Inhaltes des Begriffes der "Abfallwirtschaft" für die Festlegung des anlagenrechtlichen Inhaltes der neuen Kompetenz ist nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum AWG (17. GP, 1274 der Beilagen, S 25) davon auszugehen, daß Ursache für die bisherige extreme Rechtszersplitterung im Bereich der Abfallwirtschaft die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen waren, was mangels eigener Kompetenztatbestände für Abfallwirtschaft, Abfallbeseitigung, Abfallbehandlung oder Abfallentsorgung vor der B-VG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 685, zur Folge hatte, daß unter diesen Gesichtspunkten keine einheitliche Regelung erfolgen konnte. Als sogenannte "Annexmaterie" konnte die Abfallwirtschaft vom Bund nur im Zusammenhang mit Sachmaterien geregelt werden, die in den Kompetenzbestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes als Angelegenheiten des Bundes angeführt wurden; im übrigen war sie nach Maßgabe des Art. 15 Abs. 1 B-VG von den Ländern wahrzunehmen. Aus der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Regelung der in den Kompetenzbestimmungen des Art. 10 B-VG umschriebenen Sachgebiete (z.B. "Wasserrecht") ergab sich seine Kompetenz, die Beseitigung von Abfällen zu regeln, soweit sie mit diesen Sachgebieten im Zusammenhang stand.

Nicht der Abfallwirtschaft, sondern den einschlägigen Schutzgut-Kompetenzen zuzuordnen sind daher die Vorschriften über die Vermeidung von Wasserverunreinigungen (als Teil des Umweltschutzes).

Auf Grund dieser Überlegungen kann der Begriff der "anhängigen Genehmigungsverfahren" im § 44 Abs. 6 AWG nur strikt auf solche Verfahren bezogen sein, die spezifisch abfallrechtliche Normen der Länder oder des Bundes vor Inkrafttreten des AWG zum Gegenstand hatten. Einer ausdehnenden Auslegung ist diese Übergangsregelung nicht zugänglich.

Ausgehend von der dargestellten verfehlten Rechtsansicht hat es die belangte Behörde unterlassen, weitere Ermittlungen anzustellen, ob sich eine Zuständigkeit der Landesbehörden allenfalls aufgrund einer sonstigen Bestimmung des AWG ergeben könnte. Dies kann der Verwaltungsgerichtshof auch auf Grund der vorgelegten Akten nicht beurteilen (§ 41 VwGG).

Die Entscheidung der Steiermärkischen Landesregierung als Berufungsbehörde mußte daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG augehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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