Normen
BauO NÖ 1976 §2 Z1;
BauO NÖ 1976 §2 Z21;
BauO NÖ 1976 §21 Abs7;
BauO NÖ 1976 §5 Abs2 Z1;
BauO NÖ 1976 §5 Abs2 Z2;
BauO NÖ 1976 §5 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1976 §87 Abs1;
BauO NÖ 1976 §87 Abs2;
BauO NÖ 1976 §2 Z1;
BauO NÖ 1976 §2 Z21;
BauO NÖ 1976 §21 Abs7;
BauO NÖ 1976 §5 Abs2 Z1;
BauO NÖ 1976 §5 Abs2 Z2;
BauO NÖ 1976 §5 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1976 §87 Abs1;
BauO NÖ 1976 §87 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 23. Oktober 1985 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Beschwerdeführern die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück Nr. 1790/2, Katastralgemeinde O. Der Lageplan, auf den sich dieser Bescheid (auch) bezog, wies auf der Westseite eine an das Haupthaus angebaute Garage auf, deren äußere Längsmauer unmittelbar an der Grenze zum Grundstück 1784/4 errichtet werden sollte. Zum östlichen Nachbargrundstück 1790/3 (Erstmitbeteiligter) blieb ein Seitenabstand in der Breite von 3,70 bis 4,10 m frei.
Mit Bescheid vom selben Tag wurde dem Erstmitbeteiligten die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses erteilt, wobei der Lageplan die Freihaltung eines 3,00 m breiten Abstandes zum Grundstück der Beschwerdeführer, aber die Errichtung einer Garage, angebaut an das Haupthaus im Bauwich zu den östlichen Nachbarn vorsah. Für den westlichen Nachbarn der Beschwerdeführer (Grundstück Nr. 1784/4) wurde mit Bescheid vom 21. Dezember 1987 die Baubewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses erteilt. Der Lageplan weist eine Garage, gleichfalls angebaut an das Haupthaus, an der Grundgrenze zu den Beschwerdeführern auf.
Mit Schreiben vom 13. Juni 1988 stellte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde fest, daß die Beschwerdeführer entgegen ihrem Einreichplan eine Garage östlich ihres Hauses und nicht westlich desselben errichtet haben. Es wurde die Baueinstellung angeordnet. Mit Schreiben vom 2. Juni 1989 forderte der Erstmitbeteiligte die mitbeteiligte Gemeinde auf, den Rohbau mit Garage wegen Nichteinhaltung der Bauvorschriften ("zu hohe Garage an der Grundstücksgrenze, mehrmalige Beschwerde") ehestens "einer Bauverhandlung zuzuführen".
Einem Bauansuchen der Beschwerdeführer vom 2. Juni 1989 lag ein Lageplan zugrunde, der die Garage an der dem Erstmitbeteiligten zugewandten Seite unmittelbar an der Grundstücksgrenze auswies. Nach diesem Plan hätte die an das Haupthaus angebaute Garage eine Länge von 8,50 m gehabt. Der Plan zeigte ein Flachdach und eine Gesamthöhe von 2,50 m.
Mit Bescheid vom 14. Juni 1989 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die Baubewilligung für die Errichtung der Garage gemäß dem zuletzt genannten Plan. Allerdings wurde in der Verhandlung festgestellt, daß die Garage eine Höhe von 2,65 m aufweise; der Bausachverständige hielt diese Überschreitung aber für tolerierbar.
Gegen den letztgenannten Bescheid erhob der Erstmitbeteiligte Berufung. Darin wird geltend gemacht, daß die zulässige Bauhöhe von 2,50 m überschritten werde. Eine Behandlung dieser Berufung durch den Gemeinderat der Zweitmitbeteiligten ist dem Akt nicht zu entnehmen.
Am 14. August 1989 beantragten die Beschwerdeführer die Baubewilligung für die Vergrößerung der geplanten Garage und eine andere Dachform. Die Garage sollte nun eine Länge von 10,90 m und ein 40-Grad Satteldach aufweisen. Rund die Hälfte der Längsausdehnung der Garage bildet einen Anbau an das Haupthaus. Der anläßlich der Bauverhandlung vom 4. Oktober 1989 beigezogene Bausachverständige legte die Widmung (Bauland-Wohngebiet) dar und erklärte, der Bebauungsplan verbiete die Errichtung von Kleingaragen im Seitenabstand nicht. Der anwesende Erstmitbeteiligte brachte abermals vor, daß die zulässige Gebäudehöhe, gemessen vom Niveau des Grundstückes des Anrainers, überschritten werde.
Mit Bescheid vom 5. Oktober 1989 erteilte der Bürgermeister der Zweitmitbeteiligten die Baubewilligung für die Errichtung der Garage nach dem zuletzt genannten Austauschplan.
In der dagegen erhobenen Berufung machte der Erstmitbeteiligte abermals Überschreitung der zulässigen Bauhöhe geltend und beantragte den Abbruch des bestehenden Objektes auf die zulässige Höhe von 2,50 m, gemessen vom Niveau des Grundstückes des Anrainers.
Mit Bescheid vom 3. Mai 1990 gab der Gemeinderat der Zweitmitbeteiligten dieser Berufung mit der Begründung keine Folge, daß das Bauvorhaben dem § 87 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung entspreche.
In der dagegen erstatteten Vorstellung behauptete der Erstmitbeteiligte, laut Austauschplan sei eine Giebelmauer mit einer Höhe von mehr als 6,00 m an der Grundstücksgrenze geplant. Bereits das bestehende Objekt weise eine Höhe von 3,50 m auf; er beantrage den Abbruch auf die zulässige Höhe von 2,50 m und die ordnungsgemäße Ausführung eines Flachdaches.
Die belangte Behörde nahm Einsicht in die oben beschriebenen Baubewilligungen betreffend die Grundstücke 1784/4 und 1790/3; weiters in die Baubewilligung betreffend die Nachbarn des Erstmitbeteiligten, Grundstück Nr. 1790/4, wo gleichfalls die Errichtung einer Garage, angebaut am Haupthaus, mit einer Längswand zur Grundgrenze (des Erstmitbeteiligten) vorgesehen war.
Nach Durchführung einer Verhandlung an Ort und Stelle gab die belangte Behörde der Vorstellung mit dem angefochtenen Bescheid Folge, behob den bekämpften Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde. Der Bebauungsplan sehe für den gegenständlichen Baulandbereich wahlweise die offene oder gekuppelte Bebauungsweise, eine 40-prozentige Bebauungsdichte und die Bauklasse I oder II vor. Gemäß § 87 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 (im folgenden: BO) dürfe unter bestimmten Voraussetzungen bei der OFFENEN Bebauungsweise eine Kleingarage an der seitlichen Grundstücksgrenze angeordnet werden. Beim Lokalaugenschein sei festgestellt worden, daß es sich bei den auf den Grundstücken Nr. 1784/4, 1790/2 (Beschwerdeführer), 1790/3 (Erstmitbeteiligter) und 1790/4 bewilligten und zum Teil auch schon ausgeführten Bauvorhaben nicht um eine offene sondern um eine gekuppelte Bebauungsweise handle. Durch die einheitliche Bewilligung der gekuppelten Bebauungsweise für diesen Straßenzug im Jahre 1985 sei jedoch auch das im Bebauungsplan vorgesehene Wahlrecht zwischen der offenen oder der gekuppelten Bebauungsweise für alle beteiligten Grundstücke bindend konsumiert worden. Dadurch sei es unmöglich geworden, von dieser seinerzeit festgelegten Bebauungsweise abzuweichen, ohne gleichzeitig das Nachbarrecht auf Einhaltung dieser Bebauungsweise zu verletzen. Daher sei § 87 Abs. 2 BO nicht anwendbar. Es erübrige sich ein Eingehen auf die Frage, ob die Bauwerber die zulässige Gebäudehöhe eingehalten hätten oder nicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Gesetzwidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten vor; ebenso wie der Erstmitbeteiligte erstattete sie eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 5 Abs. 2 Z. 2 und 3 BO in der Fassung LGBl. Nr. 8200-1 lauten:
"(2) Die Bebauungsweise ist auf eine der folgenden Arten der Anordnung der Gebäude zu den Grenzen der Bauplätze festzulegen: ...
2. gekuppelte Bebauung, wenn die Gebäude auf je zwei Bauplätzen an derselben Grundstücksgrenze anzubauen sind und an allen anderen Grundstücksgrenzen ein Bauwich einzuhalten ist;
3. offene Bebauung, wenn nach beiden Seiten und nach hinten ein entsprechender Bauwich einzuhalten ist oder auch alle Gebäude an einer seitlichen, in derselben Straßenrichtung gelegenen Grundstücksgrenze anzubauen sind; ..."
§ 21 Abs. 7 BO lautet:
"(7) Der Bauwerber darf ein Wahlrecht zwischen offener und gekuppelter Bebauungsweise nur unter Bedachtnahme auf die bereits bestehenden und bewilligten Gebäude ausüben, soferne das Wahlrecht nicht schon durch frühere Bauvorhaben verbraucht ist."
Die Bebauungsweise kann durch eine Bauführung nur dann mit bindender Wirkung für künftige Baufälle auf Nachbargrund festgelegt werden, wenn ein Bebauungsplan die Wahlmöglichkeit zwischen zwei Bebauungsweisen ausdrücklich freistellt (s. auch Hauer-Zaussinger, Die Bauordnung für Niederösterreich samt Durchführungsverordnungen und Nebengesetzen3, E 1 zu § 5 BO). Der vorliegende Bebauungsplan räumt unbestrittenermaßen den Bauwerbern diese Wahlmöglichkeit ein.
Die belangte Behörde geht von einem Verbrauch des Wahlrechtes durch die vier genannten Grundstückseigentümer, also insbesondere auch durch die Beschwerdeführer, aus, weil die Häuser mit ihren angebauten Garagen gekuppelt gebaut bzw. geplant worden seien. Daher liege keine offene, sondern gekuppelte Bebauungsweise vor, sodaß § 87 Abs. 2 BO nicht anwendbar sei.
§ 87 Abs. 1 und 2 BO lautet:
"(1) Innerhalb des Bauland-Wohngebietes sind private Abstellanlagen nur für Kraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 t und auch nur insoweit zulässig, als sie für die Bewohner des Gebietes und die dort Beschäftigen erforderlich sind...
(2) Eine Kleingarage je Bauplatz darf bei offener Bebauungsweise im Vorgarten an der seitlichen Grundstücksgrenze oder im seitlichen Bauwich angeordnet werden, wenn
- 1. das Ortsbild nicht beeinträchtigt wird,
- 2. der Bebauungsplan dies nicht ausdrücklich verbietet,
- 3. die Gesamtbreite des Bauwiches bebaut wird, die Gebäudehöhe außer bei Kuppelung mit einer Kleingarage auf dem Nachbargrundstück höchstens 2,50 m, gemessen an der Grundstücksgrenze zum Anrainer, beträgt, wobei das Dach des Hauptgebäudes bis zur Hälfte seiner Länge über die Kleingarage abgeschleppt werden darf, und die Länge der Kleingarage einschließlich eines Vordaches an der Grundstücksgrenze 12 m nicht überschreitet."
§ 87 BO verweist somit nicht auf Nebengebäude (im Sinne des § 2 Z. 21 BO), sondern vielmehr auf die im § 2 Z. 1 definierten Abstellanlagen (Hauer-Zaussinger a.a.O, 257, Anmerkung 2 zu § 87). Daß für den Gesetzgeber nicht eine bestimmte Gebäudeform (insbesondere mit vier alleinstehenden Begrenzungsmauern) sondern der Verwendungszweck im Vordergrund steht, ergibt sich auch aus den Absätzen 3 ff des § 87 BO. Liegt eine Garage, also ein Raum zum Abstellen von Kraftfahrzeugen vor, kommt § 87 zur Anwendung (s. hg. Erkenntnis vom 16. März 1993, Zl. 92/05/0306), unabhängig davon, ob dieser Raum in einem alleinstehenden oder in einem angebauten Gebäude untergebracht ist. Unter bestimmten Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen, ist die Errichtung einer Kleingarage im Bauwich zulässig. § 87 Abs. 2 Z. 3 BO sieht nun ausdrücklich vor, daß bei Errichtung im Bauwich bei offener Bauweise die Gesamtbreite des Bauwiches bebaut werden muß. Wird also bei OFFENER Bebauungsweise das Hauptgebäude durch den Bauwich begrenzt, so hat die an die Seitenmauer des Hauptgebäudes angeschlossene Garage den Bauwich auszufüllen. Eine solche Bebauungsweise, die diesen für die offene Bebauungsweise geltenden Gesetzesauftrag erfüllt, kann nicht zu einer bindenden Festlegung auch für Nachbargründe dahingehend führen, daß nunmehr gekuppelt gebaut werden müsse und daß daher § 87 Abs. 2 BO gar nicht zur Anwendung kommt. Bei Anwendung des § 87 Abs. 2 BO kommt es ja auf die Anordnung der (Haupt-)Gebäude und nicht der bewilligten Garagen an.
Die Auffassung der belangten Behörde erscheint auch deshalb mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar, weil § 87 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. ausdrücklich gekuppelte Garagen nennt, obwohl die Bestimmung nur bei offener Bebauungsweise Anwendung findet.
Der Verwaltungsgerichtshof kann daher nicht finden, daß auf den vier vergleichsweise herangezogenen Grundstücken mit in der Mitte positionierten Hauptgebäuden und im Bauwich vorgesehenen bzw. errichteten Garagen bestimmend jeweils für den Nachbarn die gekuppelte Bebauungsweise gewählt worden wäre.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß sich der mitbeteiligte Nachbar stets nur auf Verletzungen von Bestimmungen über die Gebäudehöhe, nicht aber über die Bebauungsweise berufen hat.
Soweit die belangte Behörde vermeinte, daß sie auf das eigentliche Vorbringen des Vorstellungswerbers bezüglich der zulässigen Gebäudehöhe nicht eingehen müsse, ist sie ihrer auch im Vorstellungsverfahren geltenden Begründungspflicht nicht nachgekommen, weil sie aufgrund ihrer Rechtsauffassung vermeinte, darauf nicht eingehen zu müssen.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
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