VwGH 90/16/0145

VwGH90/16/01453.6.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Steiner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des G und der AX in R, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich je vom 9. Mai 1990, Zlen 171/1-9/Nd-1990 und 179/1-9/Nd-1990, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

EO §183;
GrEStG 1987 §1;
GrEStG 1987 §11 Abs1 Z1;
GrEStG 1987 §11;
EO §183;
GrEStG 1987 §1;
GrEStG 1987 §11 Abs1 Z1;
GrEStG 1987 §11;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen von 11.540 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer waren seit dem Jahr 1969 je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer zweier im Inland gelegener Liegenschaften. In einem anhängig gewesenen Zwangsversteigerungsverfahren erwarb die Sparkasse der Stadt V durch Zuschlag, über den der Beschluß am 1. Februar 1988 erlassen wurde, die beiden Liegenschaften von den Beschwerdeführern. Mit Kaufvertrag vom 21. Juni 1989 erwarben die Beschwerdeführer die beiden Liegenschaften von der Sparkasse der Stadt V zurück.

Strittig ist, ob für den am 21. Juni 1989 erfolgten Erwerbsvorgang Steuerfreiheit nach § 11 Abs 2 GrEStG 1987 zu gewähren ist, weil es sich hiebei um die Durchführung der Rückgängigmachung des seinerzeitigen Erwerbsvorganges zwischen den Beschwerdeführern und der Sparkasse der Stadt V (Zuschlag) handelt (Ansicht der Beschwerdeführer) oder nicht, weil beim Erwerb durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 1 Abs 1 Z 2 leg cit das Eigentum an den Liegenschaften durch richterlichen Ausspruch erworben wird, somit nicht auf vertraglichen Vereinbarungen beruht, weswegen dieser Vorgang durch einen "konsensualvertraglichen Dispositivakt" im Sinn eines actus contrarius nicht rückgängig gemacht werden kann (Ansicht der belangten Behörde).

Gegen die im Spruch dieses Erkenntnisses genannten Bescheide richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 11 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 wird die Steuer auf Antrag

nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei

Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch

Vereinbarung .... rückgängig gemacht wird. Nach § 11 Abs 2

leg cit gelten die Bestimmungen des Abs 1 Z 1 .... sinngemäß,

wenn zur Durchführung einer Rückgängigmachung zwischen dem seinerzeitigen Veräußerer und dem seinerzeitigen Erwerber ein Rechtsvorgang erforderlich ist, der selbst einen Erwerbsvorgang nach § 1 darstellt.

Zweck der Bestimmungen des § 11 GrEStG 1987 ist es, Vorgänge nicht mit Steuer zu belasten, deren wirtschaftliche Auswirkungen von den Beteiligten innerhalb der im Gesetz gesetzten Frist wieder beseitigt werden.

Im Fall einer Zwangsversteigerung wird durch den Zuschlag als behördliche (gerichtliche) Anordnung der unmittelbare Übergang der Verfügungsmacht an einer Liegenschaft vom Verpflichteten auf den Ersteher bewirkt. Die Tatsache, daß es sich um einen unmittelbaren Übergang der Verfügungsmacht vom Verpflichteten auf den Ersteher der Liegenschaft kraft behördlicher (gerichtlicher) Anordnung und nicht um die Übertragung einer auf das Gericht übergegangenen Verfügungsmacht im Sinn der "Zweistufentheorie" handelt, ergibt sich auch aus der exekutionsrechtlichen Bedeutung des Zuschlages, wonach derselbe ein konstitutiver Hoheitsakt ist, der das Eigentum an der versteigerten Liegenschaft dem bisherigen Eigentümer nimmt und dem Ersteher gibt. Der Zuschlag ist daher nichts anderes als die behördliche (gerichtliche) Anordnung, mit der der Übergang der Verfügungsmacht an einer Liegenschaft vom Verpflichteten an den Ersteher bewirkt wird (vgl die hg Erkenntnisse vom 10. März 1983, 82/15/0006, Slg Nr 5766/F, und vom 22. Februar 1993, 91/15/0007, beide mwA). Der Zuschlag ersetzt somit die beim Kauf einer Liegenschaft ansonsten notwendige Willensübereinstimmung zwischen dem Käufer und dem Verkäufer. Es kann daher die zwangsweise, aber unmittelbar erfolgte Verschaffung der Verfügungsmacht über eine Liegenschaft durch Vereinbarung rückgängig gemacht werden.

Dieses Ergebnis der am Zweck orientierten Auslegung ergibt sich auch aus der grammatikalischen Interpretation des § 11 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987. Die Verschaffung der Verfügungsmacht über eine Liegenschaft durch Zuschlag stellt - wie sich aus der Überschrift des § 1 leg cit ergibt - einen der möglichen Erwerbsvorgänge dar, der gemäß § 11 Abs 1 Z 1 leg cit - wie jeder andere Erwerbsvorgang - durch Vereinbarung (Kaufvertrag) rückgängig gemacht werden kann. Dem Grunderwerbsteuergesetz 1987 kann kein Anhaltspunkt dafür entnommen werden, daß nur Erwerbsvorgänge in Gestalt privatrechtlicher Vereinbarungen mit den Wirkungen des § 11 leg cit durch Vereinbarung rückgängig gemacht werden können.

Da somit die Bestimmungen des § 11 GrEStG 1987 für alle Erwerbsvorgänge im Sinn des § 1 leg cit gelten (vgl hiezu auch Boruttau - Egly - Sigloch, Kommentar zum (deutschen) Grunderwerbsteuergesetz13, Tz 27 und 28 zu § 16), erweisen sich die angefochtenen Bescheide als rechtswidrig, weswegen sie gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben waren.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich im geltend gemachten Rahmen auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil einerseits mit dem pauschalierten Schriftsatzaufwand auch die Umsatzsteuer als abgegolten gilt, anderseits Stempelgebührenersatz nur für drei Beschwerdeausfertigungen (360 S) und für zwei angefochtene Bescheide (60 S) zuerkannt werden konnte.

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