VwGH 90/13/0049

VwGH90/13/004920.1.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Baumann, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des Dr. J in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 6.12.1989, GZ GA 5 - 1862/84, betreffend Haftung für die vom Arbeitslohn des Dr. J einzubehaltende Lohnsteuer für 1979 bis 1981, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §257 Abs1;
BAO §257 Abs2;
BAO §258 Abs2 litb;
BAO §258 Abs2;
EStG 1972 §15 Abs2;
EStG 1972 §25 Abs1 Z1;
EStG 1972 §82 Abs1;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §41 Abs1;
BAO §257 Abs1;
BAO §257 Abs2;
BAO §258 Abs2 litb;
BAO §258 Abs2;
EStG 1972 §15 Abs2;
EStG 1972 §25 Abs1 Z1;
EStG 1972 §82 Abs1;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der Bescheid wird im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Im Zuge einer bei der U.-Versicherungsanstalt durchgeführten Lohnsteuerprüfung behandelte der Prüfer den Wert der bestimmten Dienstnehmern überlassenen Dienstwohnungen als geldwerte Vorteile aus einem Dienstverhältnis im Sinne des § 15 EStG 1972. Nach den Beilagen zum Prüfungsbericht setzte der Prüfer für die dem Beschwerdeführer überlassene Wohnung zuzüglich der ihm gleichfalls zur Verfügung gestellten Räume zur Ausübung einer freiberuflichen Berufstätigkeit (Ordination) bei einer Nutzfläche von 333 m2 im Dachgeschoß eines von der U.-Versicherungsanstalt betriebenen Krankenhauses für die Zeit vom 1. Jänner 1979 bis 31. Dezember 1981 S 40,-- pro m2 an.

Gegen den an die U.-Versicherungsanstalt erlassenen Haftungsbescheid betreffend Lohnsteuer wurde vom Bescheidadressaten Berufung erhoben. Nach Auffassung der Haftungspflichtigen könnten die Mittelwerte für Dienstwohnungen der Anstalt nicht herangezogen werden. Der Beschwerdeführer sei mit dem Dienstvertrag verpflichtet, die Dienstwohnung als ordentlichen Wohnsitz zu benützen. Diese dienstvertragliche Verpflichtung könne wegen der dadurch bedingten jederzeitigen Teilnahme am Krankenhausbetrieb nicht als Vorteil aus dem Dienstverhältnis angesehen werden.

Der Beschwerdeführer brachte - ebenso wie andere Arbeitnehmer - eine Beitrittserklärung zu dieser Berufung ein.

In den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten befindet sich eine ein Umsatzsteuerverfahren der Haftungspflichtigen betreffende Eingabe vom 29. Juni 1989. Darin wird ua ausgeführt, eine freie Dienstwohnung stelle keinen geldwerten Vorteil dar, wenn der Arbeitnehmer sie ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers in Anspruch nimmt. Diese Bedingung sei ua im Falle des Beschwerdeführers erfüllt, weil die Benützung der Dienstwohnung als ordentlicher Wohnsitz grundsätzlicher Bestandteil der Dienstverträge gewesen sei. Auch sei ein Wohnbedürfnis des Arbeitnehmers nicht gegeben gewesen, da er in unmittelbarer Umgebung des Dienstortes ohnehin Wohnmöglichkeiten besessen habe. Hinsichtlich der Höhe des von der Abgabenbehörde geschätzten Mietwertes wird von der Haftungspflichtigen ausgeführt, dem von der Behörde dabei herangezogenen "Mietenspiegel" aus der Zeitschrift "Gewinn" vom März 1984 komme für die Streitjahre 1979 bis 1981 keine Aussagekraft zu. Überdies sei die Einstufung des Krankenhauses im 20. Wiener Gemeindebezirk als beste Wohngegend von Wien unrichtig. Vielmehr sei auch nach dem "Mietenspiegel" die Kategorie "mäßige Lage" anzuwenden.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge. Der Beitritt des Beschwerdeführers zur Berufung ist im Spruch des Bescheides festgehalten. Durch den angefochtenen Bescheid trat hinsichtlich der dem Beschwerdeführer zugeflossenen Sachbezugswerte keine Änderung gegenüber den Prüfungsfeststellungen ein. Die belangte Behörde vertrat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung, es sei für die Besteuerung von Einnahmen unmaßgeblich, ob diese "aufgezwungen" worden seien. Hinsichtlich der Höhe der streitgegenständlichen Einnahmen verwies die belangte Behörde auf Werte laut "Mietenspiegel" in Höhe von S 50,-- bis S 60,--. Weiters habe der Beschwerdeführer für die Einrichtung und "Zurverfügungstellung" seiner Privatordination im Ausmaß von 120 m2 (Vorraum, Röntgenraum, Gipsraum, Warteraum, Ordination) keine Kostenzuschüsse geleistet. Schließlich wurde von der belangten Behörde hervorgehoben, daß in den ortsüblichen Mittelpreisen laut "Mietenspiegel" Betriebskosten und Mehrwertsteuer nicht enthalten waren.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid, die sich nur gegen die den Arbeitslohn des Beschwerdeführers betreffende Lohnsteuernachforderung richtet, beantragte der der Berufung der Haftungspflichtigen beigetretene Beschwerdeführer die Aufhebung des Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 13 Abs 1 Z 1 VwGG verstärkten Senat erwogen:

Vorerst war zu untersuchen, ob der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der gegenständlichen Beschwerde die Beitrittsberechtigung gemäß § 257 Abs 1 BAO überprüfen darf. Diese Frage war bereits im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1990, 86/13/0103, aufgeworfen und bejaht worden.

Der Verwaltungsgerichtshof ist nunmehr jedoch der Auffassung, daß ihm ein solches Prüfungsrecht in einer Beschwerdesache des Beigetretenen gegen den Berufungsbescheid in der Abgabensache nicht zusteht. Die meritorische Berufungsentscheidung bildet keine sachliche Erledigung in der Frage der Zulässigkeit der Beitrittserklärung (anderer Meinung Stoll, BAO-Handbuch, 638). Eine bescheidmäßige Erledigung in der Frage der Zulässigkeit der Beitrittserklärung sieht das Gesetz (§ 258 BAO) nämlich nur für den Fall der Zurückweisung der Beitrittserklärung vor. Der Gerichtshof hat aber bei Überprüfung eines angefochtenen Bescheides nur Fragen aufzugreifen, die Gegenstand dieses Bescheides sind oder hätten sein müssen. Im Beschwerdefall hätte die belangte Behörde die Beitrittsberechtigung nur in einem gesonderten Verfahren nach § 258 Abs 2 BAO prüfen können, nicht aber in der allein vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Sachentscheidung über die Berufung. Ob die Sachentscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde an sich nach Zurücknahme der Berufung ohne Zustimmung der dieser Beigetretenen (§ 256 Abs 2 BAO) von der Beurteilung der Zulässigkeit des Beitrittes abhängig ist, kann im Beschwerdefall mangels Zurücknahme der Berufung dahingestellt bleiben. Da im Beschwerdefall, wie gesagt, im angefochtenen Bescheid über die Beitrittsberechtigung nicht abgesprochen wurde und auch nicht abzusprechen war, kam es auch dem Verwaltungsgerichtshof nicht zu, die Frage der Beitrittsberechtigung zu prüfen.

Der Gerichtshof hat daher davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer durch seinen Beitritt zur Berufung, der von der Behörde nicht zurückgewiesen wurde, die Rechte eines Beitretenden gemäß § 257 BAO erworben hat. Dies hat zur Folge, daß er durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten so wie der Berufungswerber verletzt sein kann, womit in die Erledigung des Beschwerdevorbringens einzugehen war.

Hiefür ist § 15 EStG 1972 maßgeblich, nach dessen Abs 1 Einnahmen vorliegen, wenn dem Steuerpflichtigen Geld oder geldwerte Vorteile im Rahmen der Einkunftsarten des § 2 Abs 3 Z 4 bis 7 zufließen. Solche geldwerten Vorteile (Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Kleidung, Kost, Waren und sonstige Sachbezüge) sind nach § 15 Abs 2 leg cit mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes anzusetzen.

Nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung ist die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung einer Wohnung durch den Arbeitgeber grundsätzlich ein Vorteil aus dem Dienstverhältnis und damit steuerpflichtig (vgl das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1992, 87/14/0060, mit weiterem Hinweis). Eine freie Dienstwohnung stellt jedoch dann keinen geldwerten Vorteil und daher auch keine Einnahme im Sinne des § 15 EStG 1972 dar, wenn der Arbeitnehmer sie AUSSCHLIEßLICH im Interesse des Arbeitgebers in Anspruch nimmt (vgl die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1983, 82/13/0238, und vom 19. März 1985, 84/14/0149). Dem hierauf offenkundig bezugnehmenden Vorbringen in der Eingabe vom 29. Juni 1989 hielt die belangte Behörde in der angefochtenen Entscheidung entgegen, es sei für die Besteuerung der Einnahmen unmaßgeblich, ob diese Einnahmen "aufgezwungen" worden seien oder nicht. Da die Behörde damit die Rechtslage verkannt hat, ist der angefochtene Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.

Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsauffassung hat es die belangte Behörde insbesondere unterlassen, Erhebungen über das Zutreffen der in der Eingabe vom 29. Juni 1989 aufgestellten Behauptung, der Beschwerdeführer hätte in der unmittelbaren Umgebung des Dienstortes ohnehin eine Wohnmöglichkeit besessen, durchzuführen. In den Akten befindet sich zwar die Kopie eines Schreibens des Beschwerdeführers an seinen Arbeitgeber, aus dem hervorgeht, daß er im Jahre 1980 "dabei war", eine Wohnung in Wien IX, S-Gasse 1, einzurichten; da aber dem Verwaltungsgerichtshof die Akten von der belangten Behörde nur unvollständig vorgelegt worden sind, können aus diesen Aktenteilen keinerlei Folgerungen für die Beantwortung der Frage, ob die in Rede stehende Dienstwohnung dem Beschwerdeführer im ausschließlichen Interesse des Arbeitgebers überlassen worden ist, gezogen werden. Auch der erst in der Gegenschrift der belangten Behörde enthaltene Hinweis darauf, daß der Beschwerdeführer in den Jahren 1979 bis 1981 aus einer Vermietung eines Objektes "S-Gasse 1" Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hatte, ist hiefür unzureichend, weil damit noch nicht als erwiesen angenommen werden kann, daß dem Beschwerdeführer entgegen den Behauptungen im Schreiben der U.-Versicherungsanstalt vom 29. Juni 1989 keine Wohn- bzw. Ordinationsmöglichkeit zur Verfügung stand.

Aus verfahrensökonomischen Gründen wird auf folgendes hingewiesen: Für den Fall, daß ein ausschließliches Interesse des Arbeitgebers an der Überlassung der Dienstwohnung zu verneinen ist, wird sich die belangte Behörde im fortzusetzenden Verfahren auch mit den Einwendungen gegen die von der Abgabenbehörde herangezogenen Vergleichswerte auseinanderzusetzen haben. Abgesehen davon, daß die Behörde bezüglich der vom Arbeitgeber überlassenen Ordinationsräumlichkeiten keine ausreichenden Feststellungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht getroffen hat, ist auch die von der belangten Behörde vorgenommene Ermittlung des Sachbezugswertes für die dem Beschwerdeführer überlassene Wohnung nicht nachvollziehbar, da die Grundlagen (sogenannter "Mietenspiegel") hiefür nicht in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Aktenteilen enthalten sind.

Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid - und zwar infolge der Trennbarkeit seines Spruches insoweit, als darin über die Haftung für die auf den Beschwerdeführer entfallende Lohnsteuer abgesprochen worden ist - gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991. Für eine Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde besteht dabei kein Anspruch auf Schriftsatzaufwand (vgl Dolp, Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 686, und die dort zitierte Rechtsprechung).

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