VwGH 92/18/0377

VwGH92/18/03773.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der E in F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 14. Juli 1992, Zl. 5 - 212 Se 19/7 - 91, betreffend Übertretungen des KJBG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
KJBG 1987 §30;
StGB §33 Z2;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
KJBG 1987 §30;
StGB §33 Z2;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in Ansehung der Verwaltungsübertretung nach § 26 Abs. 1 KJBG im Straf- und Kostenausspruch, in Ansehung der übrigen Verwaltungsübertretungen hingegen zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im übrigen - also hinsichtlich des Schuldspruches wegen der Verwaltungsübertretung nach § 26 Abs. 1 KJBG- wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin wegen der Verwaltungsübertretung nach § 26 Abs. 1 KJBG (Punkt 1) sowie wegen der hinsichtlich mehrerer namentlich bezeichneter Lehrlinge begangenen Verwaltungsübertretungen nach den §§ 11 Abs. 1, 16, 17 Abs. 2, 18 Abs. 3 und 19 Abs. 2 leg. cit. (Punkte 2 bis 7) bestraft, und zwar nach dem zweiten Strafsatz des § 30 leg. cit. mit je S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je 42 Tage) pro Übertretung. Dabei wurde hinsichtlich eines jeden Lehrlings und hinsichtlich jeder verletzten Norm jeweils die Verwirklichung eines (zum Teil fortgesetzten) Deliktes angenommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

I. Zur Verwaltungsübertretung nach § 26 Abs. 1 KJBG:

Die Beschwerdeausführungen lassen nicht konkret erkennen, daß und aus welchen Gründen der Schuldspruch wegen der genannten Verwaltungsübertretung mit Rechtswidrigkeit belastet sein soll. Da für eine derartige Annahme auch die Aktenlage keine Anhaltspunkte bietet, erweist sich die Beschwerde in diesem Punkte als unbegründet.

Im Ergebnis zu Recht bekämpft die Beschwerdeführerin jedoch die Strafbemessung. Die belangte Behörde verwies - bezüglich aller der Beschwerdeführerin angelasteten Delikte - hinsichtlich der Strafhöhe darauf, daß sie mit Bescheid vom 26. November 1990 den Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 19. September 1989 bestätigt habe, wonach der Beschwerdeführerin die Beschäftigung von Jugendlichen auf Dauer untersagt werde. Dagegen habe die Beschwerdeführerin Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben. Ein diesbezügliches Verwaltungsgerichtshoferkenntnis sei bisher noch nicht ergangen. Es sei jedoch darauf hinzuweisen, daß die Beschwerdeführerin "wegen wiederholter Übertretungen von Bestimmungen des KJBG in deren Folge die Genannte nach § 30 leg. cit. in den Jahren 1984, 1985, 1986 und 1987 und 1989 rechtskräftig bestraft worden ist, die diesem Verfahren vorausgegangen sind." Trotz der relativ hohen Strafen habe die Beschwerdeführerin auch weiterhin keine dem Gesetz entsprechenden Aufzeichnungen geführt und auch keine Maßnahmen getroffen, wonach in Hinkunft die Einhaltung der Bestimmungen des KJBG gewährleistet wären, obwohl sie immer wieder ihre Bemühungen beteuert habe. Selbst ab dem Zeitpunkt des Bescheides, der die Beschäftigung von Jugendlichen dauernd untersage, seien in ihrem Gasthof keine Änderungen eingetreten, was zum gegenständlichen neuerlichen Bescheid geführt habe. Da laut Auszug aus dem Strafregister zum Zeitpunkt der Begehung der neuerlichen Taten mehrere einschlägige Vorstrafen vorgelegen seien, die rechtskräftig, aber noch nicht "verjährt" gewesen seien, sei die für den Wiederholungsfall vorgesehene Strafe zu verhängen gewesen. Daß hiebei der Strafrahmen voll ausgeschöpft worden sei, liege an den mangelnden Milderungsgründen, an der Strafuneinsichtigkeit und vor allem daran, daß es trotz der wiederholt verhängten Strafen immer wieder zu einschlägigen Verwaltungsübertretungen gekommen sei. Von der Verhängung von Arreststrafen sei insbesondere im Hinblick darauf, daß die Beschwerdeführerin zwischenzeitlich ihre Konzession zurückgelegt habe, Abstand genommen worden. Da die Beschwerdeführerin innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht die erbetenen Auskünfte hinsichtlich ihrer Familien-, Vermögens- und Einkommensverhältnisse "dargelegt" habe, sei für eine Herabsetzung der verhängten Strafen aufgrund dieser Kriterien ebenfalls kein Grund vorgelegen. Im übrigen seien bereits bei Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses die Erfordernisse des § 19 VStG 1950 berücksichtigt worden.

Die erstinstanzliche Behörde hatte bei der Strafbemessung als erschwerend - bloß - Vorstrafen wegen mehrerer Übertretungen des KJBG berücksichtigt, die mit insgesamt fünf Bescheiden vom 26. Jänner 1989 verhängt worden waren. Ferner heißt es in der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, daß gemäß § 19 Abs. 1 VStG 1950 die objektiven Kriterien für die Strafbemessung und gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. "die subjektiven Tatumstände" berücksichtigt worden seien, ebenso die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG 1950 ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat (vgl. u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. März 1980, Slg. Nr. 10077/A), ist die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens eine Ermessensentscheidung. Gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, in der Befolgung der Anordnung des § 60 AVG 1950 in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. März 1986, Zl. 85/02/0253).

Diesem Erfordernis wird die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht gerecht. Während im erstinstanzlichen Straferkenntnis bloß die mit den Bescheiden vom 26. Jänner 1989 verhängten einschlägigen Vorstrafen erschwerend berücksichtigt worden waren, "verwies" die belangte Behörde auf weitere rechtskräftige Bestrafungen der Beschwerdeführerin wegen Übertretungen des KJBG aus den Jahren 1984, 1985, 1986 und 1987. Sollte sie - was in den oben wiedergegebenen Ausführungen der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht klar zum Ausdruck kommt - auch diese Bestrafungen erschwerend gewertet haben, müßte auf die von der belangten Behörde offenbar nicht in ihre Überlegungen einbezogenen Bestimmungen des § 55 Abs. 1 und 2 VStG 1950 hingewiesen werden. Sollte die belangte Behörde den Umstand, daß die Beschwerdeführerin nach Erlassung des erstinstanzlichen Untersagungsbescheides vom 19. September 1989 abermals straffällig geworden ist, gleichfalls als Erschwerungsgrund berücksichtigt haben, dann wäre ihr entgegenzuhalten, daß dieser Bescheid zur Tatzeit

(12. Juni 1990) noch nicht in Rechtskraft erwachsen war und mangels eines Ausspruches nach § 64 Abs. 2 AVG noch keine Rechtswirkungen entfalten konnte. Ferner ist darauf zu verweisen, daß "Strafuneinsichtigkeit" neben § 33 Z. 2 StGB nicht als Erschwerungsgrund in Betracht kommen kann (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB3, 297, wonach "mangelnde Schuldeinsicht" kein Erschwerungsgrund sei).

Der Beschwerdeführerin ist allerdings zu erwidern, daß entgegen ihrer Ansicht auch im Anwendungsbereich des zweiten Strafsatzes des § 30 KJBG die Berücksichtigung von einschlägigen rechtskräftigen Vorstrafen als Erschwerungsgrund nicht rechtswidrig ist, soweit es sich nicht um jene Strafe handelt, die für die den Tatbestand des Wiederholungsfalles (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1982, Slg. Nr. 10793/A) herstellende Tat verhängt wurde, weil dies bereits als Strafsatz ändernder Umstand zu Lasten des Täters berücksichtigt wurde.

Was die nach § 19 Abs. 2 letzter Satz VStG 1950 gebotene Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse anlangt, so ergibt sich weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus dem mit diesem übernommenen erstinstanzlichen Straferkenntnis, welche Verhältnisse tatsächlich der Strafbemessung zugrundegelegt wurden. Darin liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel (vgl. etwa das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 20. März 1986, Zl. 85/02/0253), kann doch auch unter Berücksichtigung der im erstinstanzlichen Straferkenntnis angeführten rechtskräftigen einschlägigen Vorstrafen der Beschwerdeführerin nicht davon ausgegangen werden, daß selbst bei ungünstigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen die Verhängung der für die Übertretung möglichen höchsten Geldstrafe gerechtfertigt wäre.

Der angefochtene Bescheid war somit in Ansehung der Verwaltungsübertretung nach § 26 Abs. 1 KJBG im Straf- und Kostenausspruch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, im übrigen aber gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

II. Zu den weiteren Verwaltungsübertretungen:

Soweit die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes rügt, daß bei richtiger rechtlicher Beurteilung der inkriminierten Tatbestände jeweils hinsichtlich jedes Lehrlings nur das Vorliegen eines einzelnen fortgesetzten Deliktes anzunehmen gewesen wäre, genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die ständige hg. Rechtsprechung (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 26. Februar 1990, Zl. 90/19/0042, und vom 17. Februar 1992, Zl. 91/19/0316) zu verweisen.

Die Beschwerde ist jedoch berechtigt, soweit damit Verfahrensmängel geltend gemacht werden. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde, da die Beschwerdeführerin kein ordnungsgemäßes Verzeichnis im Sinne des § 26 Abs. 1 KJBG habe vorlegen können, "und auch sonst zu den ihr vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen nur Pauschalentgegnungen vorgebracht" habe, "den Arbeitszeitberechnungen" die vor der erstinstanzlichen Behörde gemachten Zeugenaussagen und die anläßlich dieser Vernehmungen von den Zeugen vorgelegten Arbeitsaufzeichnungen zugrunde gelegt. Dem ist entgegenzuhalten, daß sich die Verantwortung der Beschwerdeführerin im Verwaltungsstrafverfahren keineswegs nur auf "Pauschalentgegnungen" beschränkt hat. Schon in ihrer Vernehmung am 8. August 1990 hat sie nicht bloß vorgebracht, "daß die angeführten Dienstzeiten wie diese vom Prüfungsorgan festgehalten worden sind, nicht stimmen", und bestritten, "daß die Lehrlinge bis 22.30 h bzw. 22.50 gearbeitet hätten", sondern darüber hinaus auch Gründe für die Unrichtigkeit der gegen sie erhobenen Tatvorwürfe angegeben und zu Punkt 6 der Tatanlastung konkret behauptet, "daß die Lehrlinge alternierend an Sonntagen frei gehabt haben." Sie habe den Lehrlingen bewußt jeden zweiten Sonntag arbeitsfrei gegeben. Die belangte Behörde übersah ferner, daß sich aus den Angaben der am 3. Oktober 1990 vor der erstinstanzlichen Behörde vernommenen Zeugen keineswegs genaue Angaben über deren Beschäftigungszeiten ergeben; die Zeugen bestätigten nicht einmal, daß allfällige von ihnen dem Prüforgan des Arbeitsinspektorates gegenüber gemachten Angaben über ihre Beschäftigungszeiten der Wahrheit entsprochen hätten und dort diese Angaben der Anzeige zugrunde lägen. Dazu kommt, daß sich in den Verwaltungsstrafakten nur die Aufzeichnungen EINER Zeugin (S) über deren Arbeitszeiten befinden; die Zeugin V verwies darauf, daß sich ihre schriftlichen Aufzeichnungen über die Arbeitszeiten bei der Arbeiterkammer in Graz befänden, während die Zeugin D angab, eine Kopie ihrer schriftlichen Aufzeichnungen für den fraglichen Zeitraum nachzubringen, was aber offensichtlich nicht geschehen ist. Die belangte Behörde hat es nicht nur verabsäumt, die von den genannten Zeuginnen angefertigten Aufzeichnungen - auf die sich doch nach der Begründung des angefochtenen Bescheides die Tatsachenfeststellungen stützen sollen - beizuschaffen, sondern es auch unterlassen, die von der Beschwerdeführerin gegen die Richtigkeit der im Akt erliegenden Aufzeichnungen (die nach der Aktenlage von S und nicht - wie die Beschwerdeführerin annimmt - von D stammen) vorgebrachten Behauptungen, die Aufzeichnungen seien "offensichtlich auf Anleitung des Arbeitsinspektors" nachträglich geschrieben worden, durch Aufnahme entsprechender, von der Beschwerdeführerin auch beantragter Beweise, etwa die neuerliche zeugenschaftliche Vernehmung des betreffenden Lehrlings sowie die Vernehmung des Arbeitsinspektors als Zeugen, zu verifizieren oder zu entkräften. Die Gründe, die sie zur Abstandnahme von derartigen Beweisen veranlaßt hatten, legte die belangte Behörde nicht dar. Schließlich setzte sie sich auch über den Antrag der Beschwerdeführerin hinweg, die Lehrlinge zum Beweis der Unrichtigkeit der in der Anzeige des Arbeitsinspektorates angegebenen Arbeitszeiten jeweils auch zu den Beschäftigungszeiten der anderen Lehrlinge als Zeugen zu vernehmen, ohne stichhältig zu begründen, warum der Aufnahme dieser Beweise von vornherein keine für die Sachverhaltsermittlung wesentliche Bedeutung zukommen könne.

Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war somit in Ansehung der Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen der in den Punkten 2 bis 7 angeführten Verwaltungsübertretungen zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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