VwGH 92/18/0266

VwGH92/18/026617.9.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des O in F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 10. Jänner 1992, Zl. Frb-4250/91, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z5;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
GrKontrG 1969 §15 Abs1 lita;
EMRK Art8 Abs2;
VStG §7;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z5;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
GrKontrG 1969 §15 Abs1 lita;
EMRK Art8 Abs2;
VStG §7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 10. Jänner 1992 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 und 5 in Verbindung mit § 4 Fremdenpolizeigesetz ein bis zum 31. Dezember 1996 befristets Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch wie folgt rechtskräftig bestraft worden:

X-9650-1986 gem. Art. IX Abs. 1 Ziff. 1 EGVG vom

29. August 1986 zu S 700,--,

X-17702-1987 gem. § 7 VStG i.V.m. § 15 Abs. 1 lit. a

Grenzkontrollgesetz vom 4. Jänner 1988 zu

S 2.000,--,

X-19615-1990 gem. § 102 Abs. 4 KFG 1967 vom

21. November 1990 zu S 300,--,

X-1598-1991 gem. § 29 Abs. 1 lit. b Familienlastenaus-

gleichsgesetz vom 6. Februar 1991 S 5.000,--.

Der Übertretung der Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt liege folgender Sachverhalt zu Grunde:

Zwei türkische Staatsangehörige hätten sich am 22. November 1987 als Touristen in Österreich aufgehalten und beabsichtigt, über die grüne Grenze in die Schweiz zu gelangen. Sie hätten einen Betrag von DM 1.200 an einen weiteren Türken bezahlt, der den Beschwerdeführer beauftragt habe, die beiden Personen mit dem Pkw in die Nähe der österreichisch-liechtensteinischen Grenze zu bringen. Der Beschwerdeführer habe sie mit dem Pkw in die Nähe der Grenze gebracht und ihnen den Weg nach Liechtenstein gezeigt. Anschließend sei er zurückgefahren und habe vom Auftraggeber DM 300 erhalten. Er habe sich somit als "Schlepper" gegen Entgelt betätigt.

Der Übertretung nach dem Familienlastenausgleichsgesetz liege folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Beschwerdeführer habe vorsätzlich durch oftmalige falsche Erklärungen und durch Vorlage falscher und gefälschter behördlicher Bestätigungen laufend für seinen Sohn B bis 30. April 1988 die Familienbeihilfe erschlichen, obwohl dieses Kind bereits am 17. Februar 1977 verstorben sei. Von dem zu Unrecht bezogenen Betrag von S 90.579,-- habe wegen Verjährung nur ein Betrag von S 31.088,-- zur Rückzahlung vorgeschrieben werden können.

Diese Übertretung und die Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt seien als schwerwiegend zu betrachten. Der Beschwerdeführer bestreite zwar, für die Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt Entgelt verlangt zu haben, doch stehe dies im Widerspruch zur Tatsache, daß er den Bargeldbetrag von DM 300 von seinem Auftraggeber erhalten und angenommen habe. Die Behauptung, diese Tat ausschließlich aus menschlichen Erwägungen und ohne die Absicht, Gewinn zu erzielen, begangen zu haben, sei nicht glaubwürdig.

Durch die beiden Übertretungen seien die Tatbestände des § 3 Abs. 2 Z. 2 und 5 Fremdenpolizeigesetz erfüllt, weshalb die im § 3 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei. Im Rahmen der Interessenabwägung sei zwar zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer seit 18 Jahren in Österreich aufenthaltsberechtigt sei und einer geregelten Arbeit nachgehe, ferner befänden sich ein Sohn und dessen Gattin in Vorarlberg. Zu diesen Personen habe er ein besonderes Naheverhältnis. Seine Gattin und drei weitere, noch nicht erwerbstätige Kinder lebten in der Türkei. Der Beschwerdeführer sei zwar in Österreich integriert, doch bestünden noch starke Bindungen an seine Heimat, wofür auch spreche, daß er dort ein Haus baue. Das Aufenthaltsverbot bedeute zwar eine gewisse Härte für den Beschwerdeführer, doch könne er seinen Beruf als Metzger auch in der Türkei ausüben. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wögen unverhältnismäßig schwerer als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2 und 5 und Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz lauten:

"(1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

2. im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen oder mehrmals wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes oder des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

5. an der rechtswidrigen Einreise von Fremden in das Bundesgebiet oder an der rechtswidrigen Ausreise aus diesem gegen Entgelt mitgewirkt hat ("Schlepper").

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In diesem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen;

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

  1. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
  2. 3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen."

    2. Der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde die Feststellung, er habe für die Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt DM 300 erhalten, nicht begründet habe. Diesbezüglich ist dem Beschwerdeführer zu erwidern, daß sich diese Feststellung auf seine eigenen Angaben bei der niederschriftlichen Vernehmung vom 27. November 1987 gründet. Es ist nicht unschlüssig, wenn die belangte Behörde bei dieser Beweislage angenommen hat, es habe sich bei dem genannten Betrag um das Entgelt für die Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt gehandelt, zumal auch der Beschwerdeführer keinen anderen Rechtsgrund für die Bezahlung dieses Betrages nennt.

    Die belangte Behörde ist auf Grund des von ihr festgestellten Sachverhaltes zutreffend davon ausgegangen, daß der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 5 Fremdenpolizeigesetz erfüllt ist. Da bereits die Verwirklichung eines der Tatbestände des § 3 Abs. 2 leg. cit. die im § 3 Abs. 1 näher umschriebene Annahme rechtfertigt, hat die belangte Behörde - unabhängig davon, ob nicht die der Bestrafung wegen der Übertretung nach § 29 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz zugrunde liegende Tat für sich allein die Subsumtion unter § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz gerechtfertigt hätte - vorbehaltlich der Unbedenklichkeit der Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 leg. cit. mit Recht die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes angenommen (siehe das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1991, Zl. 90/19/0458, mit weiteren Judikaturhinweisen). Es ist daher für das Ergebnis ohne Bedeutung, daß entgegen der Auffassung der belangten Behörde § 3 Abs. 2 Z. 2 (erster Fall) Fremdenpolizeigesetz durch die festgestellten Übertretungen nicht erfüllt ist, weil die erwähnte Übertretung des Grenzkontrollgesetzes nicht als schwerwiegende Verwaltungsübertretung im Sinne dieser Gesetzesstelle gewertet werden kann (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. September 1992, Zl. 92/18/0314).

    3. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die belangte Behörde bei der Vornahme der nach § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz gebotenen Interessenabwägung rechtswidrig gehandelt hätte. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrmals die Wichtigkeit des öffentlichen Interesses an der Unterbindung des Schlepperunwesens - einerseits im Hinblick auf die mit der Schlepperei verbundene Störung der ordnungsgemäßen Handhabung der Fremdenpolizei sowie die mit der Rücknahme von "geschleppten" Personen anfallenden Kosten und andererseits im Hinblick auf die mit der Schlepperei verbundene Ausbeutung der an der rechtswidrigen Ein- oder Ausreise interessierten Personen - hervorgehoben (siehe u.a. die hg. Erkenntnisse vom 28. Oktober 1991, Zl. 90/19/0458, vom 11. November 1991, Zl. 90/19/0447, und vom 4. September 1992,

    Zlen. 92/18/0288, 0312). Zum Nachteil des Beschwerdeführers fällt zudem besonders ins Gewicht, daß er Jahre hindurch unter Vorlage falscher und gefälschter Bestätigungen zum Schaden des Gastlandes die Familienbeihilfe für ein bereits verstorbenes Kind erschlichen hat.

    Die aus der durch den langjährigen Aufenthalt bewirkten Integration des Beschwerdeführers in Österreich und der möglichen Beeinträchtigung seines beruflichen Fortkommens abgeleiteten Interessen des Beschwerdeführers an seinem weiteren Aufenthalt in Österreich fallen demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht. Dazu kommt, daß die Gattin und drei Kinder des Beschwerdeführers in der Türkei leben, sodaß das Schwergewicht seiner familiären Bindungen in seiner Heimat liegt.

    4. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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