VwGH 92/18/0044

VwGH92/18/004423.3.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des I, zuletzt in D, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 2. Oktober 1991, Zl. Fr 434/91, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §7 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §6 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
PaßG 1969 §40 Abs3;
PaßG 1969;
StGB §127;
StGB §129 Z2;
StGB §130;
VwGG §34 Abs1;
AVG §7 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §6 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
PaßG 1969 §40 Abs3;
PaßG 1969;
StGB §127;
StGB §129 Z2;
StGB §130;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 2. Oktober 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, ein auf § 3 Abs. 1 und § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 idF BGBl. Nr. 575/1987, (FrPolG) gestütztes, bis 26. Februar 1996 befristetes Aufenthaltsverbot für das "gesamte Bundesgebiet der Republik Österreich" erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 20. Februar 1991 wegen §§ 127, 129 Z. 2 und 130 vierter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden, wobei die Strafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei; darüber hinaus sei der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf mit Strafverfügungen vom 21. Juni 1990 und vom 26. September 1990 jeweils wegen Übertretung des Paßgesetzes (§ 40 Abs. 3) bestraft worden. Dem Beschwerdeführer sei zwar insoweit zu folgen, daß die zwei Bestrafungen wegen Übertretung des Paßgesetzes nicht dem Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 (zweiter Fall) FrPolG subsumiert werden könnten; allerdings komme die belangte Behörde entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis, daß aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers eine Subsumtion unter § 3 Abs. 1 leg. cit. zulässig sei. Der gerichtlichen Verurteilung liege nicht eine einzige Tathandlung zugrunde, vielmehr seien vom Beschwerdeführer im September und Oktober 1990 zwei im selben Haus wie der Beschwerdeführer wohnende Gastarbeiter mehrmals bestohlen worden. Die Tathandlungen stellten nicht nur einen Verstoß gegen den Grundtatbestand des § 127 StGB (Diebstahl) dar, sondern hätten auch die Qualifikation nach § 129 Z. 2 (Einbruchsdiebstahl) und nach § 130 vierter Fall StGB (gewerbsmäßiger Diebstahl) erfüllt. Dies und die Übertretungen des Paßgesetzes stellten ein Gesamtverhalten dar, welches die Annahme rechtfertige, daß der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde.

Im Rahmen der Interessenabwägung sei davon auszugehen, daß sich der Beschwerdeführer seit 5. Februar 1989 im Bundesgebiet aufhalte, und daß in Österreich ein Bruder und ein Cousin des Beschwerdeführers lebten. Der Beschwerdeführer sei in Österreich nur kurzfristig als Hilfsarbeiter tätig gewesen; ein berufliches Fortkommen des Beschwerdeführers sei auch außerhalb des Bundesgebietes gewährleistet. Die aufgrund eines Unfalles notwendig gewordene medizinische Versorgung sei dem Beschwerdeführer gewährt worden; es könne nicht angenommen werden, daß diese außerhalb Österreichs nicht möglich wäre.

Das Aufenthaltsverbot stelle zwar einen nicht unbeträchtlichen Eingriff in das Leben des Beschwerdeführers dar; ungeachtet dessen sei dieser Eingriff zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen unbedingt geboten. Die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme vom Aufenthaltsverbot seien unverhältnismäßig schwerer einzustufen als die nicht unbeträchtlichen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.

Was schließlich die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Befangenheit des in erster Instanz mit dieser Angelegenheit befaßten Organwalters anlange, so sei eine solche weder darin zu erblicken, daß der besagte Organwalter sowohl im Mandatsverfahren als auch nach durchgeführtem Ermittlungsverfahren die gleiche (für den Beschwerdeführer negative) Entscheidung getroffen habe, noch darin, daß zu einem früheren Zeitpunkt die "weitere fremdenpolizeiliche Behandlung" des Beschwerdeführers (Erlassung eines Aufenthaltsverbotes) bekanntgegeben worden sei.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und deshalb die Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall zu beachtenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2 und Abs. 3 FrPolG lauten:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

2. im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen oder mehrmals wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes oder des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden ist.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

  1. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
  2. 3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

    2. Die belangte Behörde hat - anders als die Erstbehörde - nicht den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 (zweiter Fall) FrPolG, sondern ausschließlich den des § 3 Abs. 1 leg. cit. als verwirklicht angesehen.

    Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verhältnis des § 3 Abs. 1 zu § 3 Abs. 2 FrPolG kann ein Aufenthaltsverbot rechtens auf § 3 Abs. 1 leg. cit. gestützt werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im Abs. 2 angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 3 Abs. 1 FrPolG umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 28. Oktober 1991, Zl. 91/19/0242, vom 25. November 1991, Zl. 91/19/0254, und vom 2. Dezember 1991, Zl. 90/19/0585).

    Die belangte Behörde war demnach unter Zugrundelegung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers berechtigt zu prüfen, ob die im § 3 Abs. 1 FrPolG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Als insoweit relevantes Gesamt(fehl)verhalten wertete die belangte Behörde die der oben I.1. genannten gerichtlichen

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