VwGH 92/18/0024

VwGH92/18/002427.4.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. Dezember 1991, Zl. SD 342/91, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs3;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. Dezember 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, ein auf § 3 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 6 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 idF BGBl. Nr. 575/1987, (FrPolG) gestütztes, mit 30. Juni 1996 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer, der sich seit August 1990 in Österreich aufhalte, habe in seinem am 12. November 1990 gestellten Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes angegeben, bei einem bestimmten, namentlich genannten Unternehmen mit einem Monatslohn von S 13,900,-- beschäftigt zu sein, obwohl er dort, ungeachtet des Vorliegens einer Beschäftigungsbewilligung, nie beschäftigt gewesen sei. Aufgrund dieses Sachverhaltes stehe fest, daß der Beschwerdeführer in einem Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum weiteren Aufenthalt unrichtige Angaben über seine persönlichen Verhältnisse gemacht habe. Damit sei der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 bzw. des § 3 Abs. 1 FrPolG gegeben.

Im Rahmen der Interessenabwägung (§ 3 Abs. 3 FrPolG) ging die belangte Behörde davon aus, daß sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes (durch die Erstbehörde) erst neun Monate in Österreich aufgehalten habe, wobei der ihm erteilte Sichtvermerk (Gültigkeitsdauer Ende Juli 1991) auf unrichtige Angaben des Beschwerdeführers über sein Beschäftigungsverhältnis gegründet gewesen sei. Wohl habe der Beschwerdeführer im Feber 1991 eine jugoslawische Staatsangehörige, die selbst erst vor fünf Jahren im Alter von 30 Jahren nach Österreich gekommen sei, und die erst seit 1989 über eine befristete Beschäftigungsbewilligung verfüge, geheiratet, doch erscheine das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers, aber auch seiner Familienangehörigen und damit die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht so beträchtlich, daß demgegenüber die öffentlichen Interessen nicht unverhältnismäßig schwerer wögen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde, mit dem Begehren, den bekämpften Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 6 und Abs. 3 FrPolG lauten:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 zu verschaffen.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

  1. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
  2. 3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

2.1. Der Beschwerdeführer ist der Meinung, es sei von der belangten Behörde nicht ausreichend untersucht worden, ob seine Angaben im Sichtvermerksantrag, bei dem dort bezeichneten Unternehmen beschäftigt zu sein, aus seiner damaligen Sicht nicht ohnehin als richtig anzusehen seien, da er "auf Abruf bereitstand und nur darauf wartete, daß diese Firma einen Auftrag erhält, bei dem er arbeiten kann". Im übrigen sei das verwendete Antragsformular mit den dort genannten Stichworten nach "Beruf" etc. derart kursorisch, daß die eingesetzten Angaben des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der ihm erteilten Beschäftigungsbewilligung nicht als unrichtig zu beurteilen seien. Es sei geradezu irreführend, von einem Ausländer zu erwarten, daß ihm der juristische Unterschied zwischen Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung, jederzeitiger Bereitschaft zur Arbeit auf Abruf und tatsächlich ausgeübter Beschäftigung bei einer derartigen Fragestellung laut diesem Formular bekannt sei. Falls überhaupt - was der Beschwerdeführer jedoch bestreite - eine objektive Unrichtigkeit bei Ausfüllung dieses Formulars vorliege, so sei ihm eine solche jedenfalls subjektiv nicht bewußt gewesen.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf. Das besagte, mit der Unterschrift des Beschwerdeführers versehene Formular zur Stellung eines Antrages auf Erteilung eines Sichtvermerkes enthält zu den (hier interessierenden) Punkten

"9. Beruf:", "10. Beschäftigt bei:", "11. Sind Sie im Besitze einer Arbeitserlaubnis?" die Angaben: "Schweißer" (zu 9.), "X-Bau & Schlosserei Ges.m.b.H. ...." (zu 10.), "Y-30.6.91, Ausländerarbeitskarte (AAK) Nr. (...)". Diese, jeweils der Fragestellung entsprechenden, differenzierten Antworten bieten keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dem Beschwerdeführer sei bei der Ausfüllung des Antragsformulars der Inhalt der in den Punkten 9. bis 11. gestellten Fragen und damit deren unterschiedliche Bedeutung nicht erkennbar gewesen - dies nicht zuletzt auch im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer den Beschwerdeausführungen zufolge "einwandfrei deutsch (spricht)". Daß aber der Beschwerdeführer entgegen seiner diesbezüglichen Angabe im Sichtvermerksantrag vom 12. November 1990 bei dem dort angeführten Unternehmen "nie gearbeitet" hat bzw. "nie beschäftigt" war, hat er vor der Bundespolizeidirektion Wien ausdrücklich zu Protokoll gegeben (Niederschriften vom 21. Mai 1991 und vom 24. Mai 1991; vgl. auch die Niederschrift vom 2. August 1991). Bei der Angabe über das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses handelt es sich um eine solche über die persönlichen Verhältnisse des Fremden. Die unrichtigen Angaben des Beschwerdeführers dienten dem Zweck, eine positive Erledigung seines Antrages auf Erteilung eines Sichtvermerkes (für mehrmalige Wiedereinreise) zu erreichen. Die Erteilung des Sichtvermerkes war Voraussetzung für die Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 2 Abs. 1 (Z. 2) FrPolG.

Es ist demnach die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe im Sichtvermerksantrag unrichtige Angaben über seine persönlichen Verhältnisse gemacht, schlüssig und die Subsumtion dieses Verhaltens des Beschwerdeführers unter den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG rechtlich einwandfrei. Damit hat die belangte Behörde zu Recht das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 1 leg. cit. bejaht und die dort umschriebene Annahme für gerechtfertigt angesehen.

3. Im Gegensatz zur Ansicht des Beschwerdeführers vermag der Gerichtshof auch nicht zu erkennen, daß der belangten Behörde im Rahmen der von ihr vorgenommenen Interessenabwägung eine Rechtswidrigkeit unterlaufen wäre. Darauf, daß der Beschwerdeführer verheiratet ist und die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eine Trennung von seiner in Wien lebenden Gattin bewirkt, hat die belangte Behörde Bedacht genommen. Sie hat aber auch - zutreffend - darauf hingewiesen, daß sich der Beschwerdeführer erst seit August 1990 in Österreich aufhalte, also das Ausmaß seiner Integration nicht "beträchtlich" sei, wozu noch komme, daß er für den ihm am 3. Dezember 1990 erteilten Sichtvermerk bewußt unwahre Angaben über seine persönlichen Verhältnisse gemacht habe. Zu dem - im übrigen erstmals in der Beschwerde erstatteten - Vorbringen, daß auch die Schwiegermutter des Beschwerdeführers seit vielen Jahren in Österreich lebe und der Beschwerdeführer mit seiner Frau bei ihr wohnten, genügt der Hinweis, daß die Schwiegermutter nicht zu "seinen Familienangehörigen" im Sinne des § 3 Abs. 3 FrPolG zählt, folglich diesem Umstand im gegebenen Zusammenhang keine rechtliche Bedeutung zukommt.

4. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als zur Gänze unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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