VwGH 92/11/0172

VwGH92/11/01721.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 14. April 1992, Zl. MA 64-8/153/92, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §66 Abs1 litb;
KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 litc;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;
StGB §105;
StGB §84;
KFG 1967 §66 Abs1 litb;
KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 litc;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;
StGB §105;
StGB §84;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B vorübergehend entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß die Entziehung von 12 Monaten am 3. März 1992, dem Tag der Zustellung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 24. Februar 1992, beginnt und am 3. März 1993 endet.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde stützte die bekämpfte Entziehungsmaßnahme darauf, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26. Juli 1991 wegen der Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 84 StGB und der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt worden ist. Darin erblickte sie eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967, aus der wiederum die zu Aggressionen neigende Sinnesart hervorleuchte. Die belangte Behörde spricht in der Folge von einer "gefährlichen Neigung zur Begehung von Gewaltdelikten".

Der strafgerichtlichen Verurteilung lag zugrunde, daß der Beschwerdeführer am 7. Juli 1990 eine Bekannte im Zuge eines Streites vorsätzlich am Körper schwer verletzt (Bruch des rechten Oberarmes) und am 5. September 1990 eine Verkäuferin eines Großmarktes, in dem er bei einem Ladendiebstahl betreten worden war, durch Anwendung von Gewalt zum Loslassen genötigt hat. Weitere gegen die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers sprechende Umstände nahm die belangte Behörde nicht an; der Beschwerdeführer war bis zu der in Rede stehenden Verurteilung gerichtlich unbescholten.

In der strafbaren Handlung nach § 84 StGB liegt unbestrittenermaßen eine die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers indizierende bestimmte Tatsache. Bei ihrer Wertung im Sinne des § 66 Abs. 3 KFG 1967 ist vor allem die weitere strafbare Handlung nach § 105 StGB zu berücksichtigen, aus der zu schließen ist, daß es sich bei der ersten strafbaren Handlung nicht um eine einmalige Verfehlung des Beschwerdeführers handelt, sondern der Beschwerdeführer zur Anwendung von Gewalt gegen Mitmenschen, sei es bei der Austragung von Streitigkeiten, sei es um sie zu erwünschten Verhaltensweisen zu veranlassen, neigt. Die Gefährlichkeit der Verhältnisse ist bei der Ausübung von Gewalt gegen andere, die auch zur Körperverletzung führt, naturgemäß groß. Der belangten Behörde ist auch zuzustimmen, daß es darauf, daß der Beschwerdeführer bei den in Rede stehenden strafbaren Handlungen kein Kraftfahrzeug verwendet hat, nicht ankommt, weil die Neigung zur Gewalttätigkeit jederzeit - jedenfalls in der Zukunft - im Verhalten im Straßenverkehr ihren Niederschlag finden und die Sicherheit des Verkehrs damit gefährdet werden kann.

Die Wertungskriterien der zwischen der strafbaren Handlung und der Erlassung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides verstrichenen Zeit und des Verhaltens während dieser Zeit wurden aber von der belangten Behörde in unzulänglicher Weise berücksichtigt, indem von der Länge dieser Zeit ohne nähere Begründung ausgeführt wird, daß sie nicht derart sei, daß mit Sicherheit auf eine Änderung der Sinnesart des Beschwerdeführers geschlossen werden könne. Eine zutreffende Berücksichtigung dieses Kriteriums läßt zwar nicht die primäre Annahme der belangten Behörde, die bestimmte Tatsache habe zur Folge, daß der Beschwerdeführer auch noch bei Erlassung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides am 3. März 1992 - also ungefähr 18 Monate nach der letzten aktenkundigen strafbaren Handlung des Beschwerdeführers - als verkehrsunzuverlässig zu qualifizieren sei, als rechtswidrig erscheinen, sodaß sie darauf gestützt eine Maßnahme im Sinne der §§ 73 f KFG 1967 verfügen durfte. Ihre weitere Auffassung, diese Verkehrsunzuverlässigkeit werde bis zum 3. März 1993 - also zweieinhalb Jahre nach der letzten Tat - andauern, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen. Der Beschwerdeführer hat zwar einerseits sehr große Brutalität an den Tag gelegt (insbesondere bei der Tat vom 7. Juli 1990). Er ist aber nach der zweiten Tat nicht mehr straffällig geworden, wobei er bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides im Besitze seiner Lenkerberechtigung war. Auch wenn seit den Taten gegen ihn ein strafgerichtliches Verfahren anhängig war, welcher Umstand dem Wohlverhalten während dieser Zeit erhebliches Gewicht nimmt - von dem anhängigen Entziehungsverfahren hatte er vor der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides der Aktenlage nach keine Kenntnis -, hat die belangte Behörde bei der Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 den in Rede stehenden Kriterien nicht die gebotene Bedeutung beigemessen und damit die Zeit erheblich zu lange festgesetzt.

Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf den letzten Satz des § 59 Abs. 3, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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