VwGH 92/04/0155

VwGH92/04/015520.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde der X Gesellschaft mbH & Co. KG in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (Präsident) - diese Behörde vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W - vom 23. Juni 1992, Zl. Präs 142-95/91/Wa/N, betreffend Grundumlage, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs2;
HKG 1946 §57g Abs1;
HKG 1946 §57g;
VwRallg;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs2;
HKG 1946 §57g Abs1;
HKG 1946 §57g;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit eines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. Juni 1992 sprach die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft gemäß § 68 Abs. 2 AVG wie folgt ab:

"Der Bescheid der Bundeskammer, Präs 142-95/91/Wa/N, vom 19. 3. 1992 wird gemäß § 68 Abs 2 AVG dahingehend abgeändert, daß der Bescheid der Kammer Niederösterreich vom 5. 9. 1991, U-L/107.774/90, aufgehoben wird."

Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 68 Abs. 2 AVG könnten Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen sei, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen habe, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden. Auf diese Bestimmung gestützt, stelle die Bundeskammer fest, daß für das Jahr 1990 keine Zahlungsverpflichtung der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall bestehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf einen Bescheid verletzt, in dem festgestellt werde, daß sie nicht verpflichtet sei, für den Standort A, Y-Gasse 22 - 26, für das Jahr 1990 eine Grundumlage zu entrichten. Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Niederösterreich habe einen mit 5. September 1991 datierten Bescheid erlassen, mit dem sie ihr für den Standort A, Y-Gasse 22 - 26, "in Anwendung der Bestimmungen des § 57 a HKG für das Jahr 1990 für das Landesgremium des Einzelhandels mit Lebens- und Genußmitteln (3/01b), für das Landesgremium des Textilhandels (3/08), für das Landesgremium des Papierhandels (3/12), für das Landesgremium des Eisenhandels (3/16) und für das Landesgremium des Parfümeriewarenhandels (3/26) eine Grundumlage in der Höhe von S 4.100" vorgeschrieben habe. Der dagegen erhobenen Berufung habe die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft mit Bescheid vom 19. März 1992, Präs 142-95/91/Wa/N, keine Folge gegeben. Diesen Bescheid habe sie mit Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde bekämpft, über die das Verfahren zur Zl. 92/04/106 anhängig sei. Innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 36 Abs. 1 VwGG gesetzten Frist habe die belangte Behörde den mit der vorliegenden Beschwerde angefochtenen Bescheid erlassen. Wenn auch niemandem ein Anspruch darauf zustehe, daß die Behörde das ihr gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG eingeräumte Abänderungs- und Behebungsrecht ausübe, müsse doch in dem Fall, daß sie von diesem Recht Gebrauch mache, der neue Bescheid rechtmäßig sein. Das sei er hier nicht, weil für eine bloße Kassation des erstinstanzlichen Bescheides kein Grund bestehe; weder sei nach der materiellrechtlichen Situation die Erlassung eines Bescheides überhaupt unzulässig noch sei sie während des berufungsgerichtlichen Verfahrens unzulässig geworden und es könne auch allein die Kassation des erstinstanzlichen Bescheides den von der Rechtsordnung gewünschten Zustand nicht herstellen. Die der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG obliegende Sachentscheidung könne vielmehr nur in der Feststellung bestehen, daß sie für den bezeichneten Standort für das Jahr 1990 keine Grundumlagepflicht treffe. Eine solche Feststellung enthalte aber nur die Begründung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hätte sie jedoch richtigerweise in den Spruch aufnehmen und den gesetzlichen Vorschriften entsprechend begründen müssen. Die Erlassung eines derartigen Feststellungsbescheides sei wegen der ungeklärten Rechtslage, ob und allenfalls in bezug auf welche Gremien sie für den genannten Standort grundumlagepflichtig sei, für sie ein notwendiges Mittel der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung, zumal diese Frage auch schon den Gegenstand anhängiger verwaltungsgerichtlicher Verfahren bilde.

In ihrer Gegenschrift führte die belangte Behörde hiezu aus, Rechte im Sinne des § 68 Abs. 2 AVG, in die durch den angefochtenen Bescheid eingegriffen werden könnte, könnten nur solche sein, die Gegenstand des bescheidmäßigen Abspruches gewesen seien, nicht jedoch irgendwelche Reflexrechte oder auf ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gerichtete Rechte. Die Anfechtung des Bescheides vom 19. März 1992 vor dem Verwaltungsgerichtshof hindere nicht die Aufhebung dieses Bescheides gemäß § 68 Abs. 2 AVG. Vergleiche man die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin vor der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides mit ihrer nunmehrigen Rechtsstellung, so ergebe sich, daß vor diesem Bescheid die Beschwerdeführerin zur Bezahlung eines bestimmten Geldbetrages verpflichtet gewesen wäre, während durch die Aufhebung des Bescheides nach § 68 Abs. 2 AVG eine derartige Zahlungspflicht nicht bestehe. Der Einwand, der seitens der Beschwerdeführerin erhoben werde, richte sich dahin, daß sie in ihrem Recht, über die Grundumlagepflicht bescheidmäßig einen Abspruch zu enthalten, verletzt sein könnte. Dieser Rechtsanspruch sei jedoch, wenn ein erstinstanzlicher Bescheid dem Rechtsbestand nicht (mehr) angehöre, gegenüber der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft erst auf Grund eines Antrages gemäß § 73 Abs. 2 AVG gegeben, nicht auf Grund der gegen den erstbehördlichen Bescheid gerichteten Berufung (§ 57g Abs. 1 HKG). Da somit auszuschließen sei, daß die Beschwerdeführerin, wie immer man die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides beurteile, in einem Recht verletzt worden sei, stehe der Beschwerde offenbar der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegen.

Die Beschwerde ist begründet.

Gemäß § 68 Abs. 2 AVG können von Amts wegen Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

Die Bestimmung des § 68 Abs. 2 AVG regelt eine der im AVG ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen von der Rechtskraftwirkung der Bescheide; sie beseitigt in dem von ihr erfaßten Fall lediglich die mit der Rechtskraft verbundene Unbehebbarkeit und Unabänderlichkeit eines Bescheides. Im übrigen sind bei der Gebrauchnahme von dem Behebungs- und Abänderungsrecht der Behörde die Verwaltungsvorschriften zu beachten, die als Rechtsgrundlage für den betreffenden Bescheid in Betracht kommen. Demnach ist die Abänderung eines Bescheides nur zulässig, wenn die Verwaltungsvorschriften für den neuen Inhalt des Bescheides eine gesetzliche Deckung geben und es ist die Aufhebung eines Bescheides nur zulässig, wenn die Aufrechterhaltung der in dem Bescheid liegenden Norm nach den Verwaltungsvorschriften nicht erforderlich ist (vgl. VfSlg. 6476).

Wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. bereits in seinem Erkenntnis vom 28. November 1978, Slg. N. F. Nr. 9707/A, ausgesprochen hat, können als im Sinne dieser Gesetzesstelle "aus dem Bescheid erwachsen" nur Rechte verstanden werden, die Gegenstand des bescheidmäßigen Abspruches waren, nicht hingegen irgendwelche Reflexwirkungen des Bescheides, wie etwa, daß der auf Grundlage des § 68 Abs. 2 AVG ergangene Bescheid eine Sache betreffe, die Gegenstand anderer anhängiger verwaltungsgerichtlicher Verfahren sei.

Gemäß § 57g Abs. 1 HKG hat die zur Vorschreibung einer Grundumlage zuständige Körperschaft über Art und Ausmaß der Umlagepflicht einen Bescheid zu erlassen, wenn dies von der zahlungspflichtigen Person spätestens einen Monat nach Vorschreibung verlangt wird.

Ausgehend davon vermag der Verwaltungsgerichtshof zunächst nicht zu erkennen, daß einer Aufhebung des im Spruch des angefochtenen Bescheides bezeichneten Bescheides der belangten Behörde vom 19. März 1992 die hiefür in Betracht kommenden Tatbestandsmerkmale des § 68 Abs. 2 AVG entgegengestanden wären.

Es war daher in weiterer Folge zu prüfen, ob die belangte Behörde bei der Gebrauchnahme von ihrem nach der vorangeführten Gesetzesstelle gegebenen Abänderungsrecht die Verwaltungsvorschriften beachtete, die bei einem Abspruch in der Sache selbst in Betracht kommen. In diesem Zusammenhang war von ihr demnach die vordargestellte Bestimmung des § 57g Abs. 1 HKG zu beachten, wonach der Erlassung eines Bescheides über Art und Ausmaß der Umlagepflicht einen entsprechenden Antrag der zahlungspflichtigen Person - dies ist im Beschwerdefall die Beschwerdeführerin - voraussetzt.

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat - außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall - die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Daraus folgt aber, daß die Berufungsbehörde, wenn der meritorischen Entscheidung der Vorinstanz ein Antrag der Partei zugrunde lag, - abgesehen vom Fall des § 66 Abs. 2 AVG - auch über diesen Antrag abzusprechen hat. Eine bloße - nicht auf § 66 Abs. 2 AVG gegründete - Behebung vorinstanzlicher Bescheide hätte nämlich zur Folge, daß die Unterbehörde über den Gegenstand nicht mehr neuerlich entscheiden darf und daß somit der auf die Entscheidung der Vorinstanz bezughabende Parteienantrag unerledigt bliebe (vgl. hiezu die entsprechenden Darlegungen im hg. Erkenntnis vom 15. September 1992, Zl. 92/04/0120, und die dort bezogene weitere

hg. Rechtsprechung). Eine Sachentscheidung nach § 66 Abs. 4 AVG betreffende Erwägungen gelten aber auch im Sinne der vorstehenden Darlegungen für eine auf § 68 Abs. 2 AVG gestützte Abänderung eines dort bezeichneten Bescheides.

Dies bedeutet aber im Beschwerdefall, daß die belangte Behörde bei Aufhebung des von ihr bezeichneten Bescheides der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Niederösterreich vom 5. September 1991 gleichzeitig auch über einen nach § 57g HKG vorliegenden Antrag der Beschwerdeführerin im Spruch des angefochtenen Bescheides abzusprechen gehabt hätte, wobei darauf hinzuweisen ist, daß die in die Begründung des angefochtenen Bescheides aufgenommene Feststellung, daß für das Jahr 1990 keine Zahlungspflicht der Beschwerdeführerin "im gegenständlichen Fall" bestehe, einen in den Spruch aufzunehmenden Abspruch über einen dem Verfahren zugrunde liegenden Antrag nicht zu ersetzen vermag.

Daß aber im Beschwerdefall - etwa zufolge Nichtvorliegens eines entsprechenden Antrages der Beschwerdeführerin - die durch die Abänderung des erstbehördlichen Bescheides getroffene Sachentscheidung in einer bloßen Kassation des Bescheides zu bestehen gehabt hätte, ergibt sich weder aus den Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid noch auch etwa aus dem Inhalt der vorgelegten "Verwaltungsakten" (Kopie des angefochtenen Bescheides).

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher zufolge der im Rahmen der dargestellten Beschwerdepunkte entgegen der Meinung der belangten Behörde zulässigen Beschwerde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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