VwGH 92/01/0479

VwGH92/01/04794.11.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde 1. der SM,

2. der mj. AM, beide in B, die Zweitbeschwerdeführerin vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, diese vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. März 1992, Zl. 4.280.224/2-III/13/89, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. März 1992 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerinnen - äthiopische Staatsangehörige, die am 16. Februar 1989 in das Bundesgebiet eingereist sind - nicht Flüchtlinge im Sinne des Asylgesetzes seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im vorliegenden Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerinnen keine in der Vergangenheit liegenden, konkret gegen sie gerichteten Verfolgungshandlungen in ihrem Heimatland, aus denen das Vorliegen eines der im Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Verfolgungsgründe abgeleitet werden könnte, geltend gemacht haben. Während in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 25. September 1989 nur auf die allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Zustände in Äthiopien und im Sudan, wohin sich die Beschwerdeführerinnen nach der Ausreise aus ihrem Heimatland zunächst begeben hatten, verwiesen wurde, hat die Erstbeschwerdeführerin, erstmals zu ihren "Fluchtgründen" befragt, am 18. Mai 1989 angegeben, daß sich ihr Gatte der Befreiungsbewegung EPLF (Eritreische Volksbefreiungsfront) angeschlossen habe, daß der äthiopische Geheimdienst dies erfahren und 1987 versucht habe, ihren Gatten in Haft zu nehmen, und daß ihr Gatte von Freunden erfahren habe, daß er gesucht werde und andere Befreiungskämpfer schon in Haft seien. Daraufhin habe ihr Gatte beschlossen, mit seiner Familie in den Sudan zu ziehen. Die Erstbeschwerdeführerin habe dort gearbeitet und sei schließlich wegen der wirtschaftlichen Situation im Sudan mit Hilfe des von ihr dort Ersparten, das für ihren Gatten, der nachkommen werde, nicht mehr gereicht habe, mit ihrem Kind nach Griechenland geflogen, von wo beide nach Österreich weitergereist seien. Sie möchte nach Äthiopien nicht mehr zurückkehren, da sie Angst habe, dort in Haft genommen oder getötet zu werden.

Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, daß eine allenfalls zum Zeitpunkt der Ausreise der Beschwerdeführerinnen aus Äthiopien wegen der Mitgliedschaft ihres Gatten (bzw. Vaters) zur EPLF bestandene Gefährdung in der Zwischenzeit weggefallen sei. Dies hat sie damit begründet, daß die Regierung Äthiopiens nunmehr eine neue administrative Gliederung des Landes vorgenommen habe, es jetzt 14 statt 29 Regionen gebe, die größere Kompetenzen erhielten, und das Gebiet Eritreas auf einer offiziellen Landkarte schon nicht mehr als äthiopisch bezeichnet würde. Abgesehen davon, daß der Begründung des angefochtenen Bescheides (und im übrigen auch den vorgelegten Verwaltungsakten) nicht zu entnehmen ist, auf welche Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde diese Aussagen stützt, und den Beschwerdeführerinnen im Verwaltungsverfahren auch nicht Gelegenheit geboten wurde, dazu Stellung zu nehmen, fehlt der von der belangten Behörde daraus gezogenen Folgerung die erforderliche Schlüssigkeit. Auch wenn in der Zwischenzeit eine derartige verwaltungsmäßige Neugliederung Äthiopiens erfolgt sein sollte, würde dies noch nicht zwangsläufig bedeuten, daß die von den Beschwerdeführerinnen behauptete Verfolgung nicht mehr in Betracht käme. Eine Feststellung, daß Äthiopien zufolge eingetretener Unabhängigkeit Eritreas nicht mehr als Heimatland der Beschwerdeführerinnen anzusehen sei, wurde von der belangten Behörde nicht getroffen; es gibt auch sonst keinen Anhaltspunkt dafür, daß Eritrea nunmehr als selbständiger, völkerrechtlich (auch von Österreich) anerkannter Staat existiert und demnach nicht weiterhin zu Äthiopien gehört.

Die belangte Behörde hat zusätzlich argumentiert, auch der Umstand, daß die Beschwerdeführerinnen "im Jahre 1987 einige Zeit" im Sudan gelebt hätten, vermittle eher den Eindruck, daß sie aus wirtschaftlichen Gründen ihr Heimatland verlassen hätten. Den Angaben der Erstbeschwerdeführerin bei ihrer Vernehmung am 18. Mai 1989 läßt sich aber entnehmen, daß sie vorerst nicht die für eine Weiterreise notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung gehabt habe. Daß die Erstbeschwerdeführerin - wie die belangte Behörde weiters ausgeführt hat - ihr Heimatland in der Absicht verlassen habe, sich in einem europäischen Staat eine neue Existenz aufzubauen, würde das Vorliegen wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung in ihrem Heimatland nicht ausschließen, sondern könnte durchaus erst eine Folge davon gewesen sein.

Die aufgezeigten Begründungsmängel sind allerdings nicht wesentlich, weil die belangte Behörde auch bei ihrer Vermeidung unter Zugrundelegung des bei der Erstbefragung der Erstbeschwerdeführerin am 18. Mai 1989 behaupteten Sachverhaltes nicht zu einem anderen, für die Beschwerdeführerinnen günstigeren Bescheid hätte kommen können. Von den Beschwerdeführerinnen wurde nämlich nicht einmal konkret behauptet, daß im Falle der Rückkehr in ihr Heimatland Maßnahmen gegen ihren Gatten bzw. Vater - mögen diese einen Fluchtgrund im Sinne des Asylgesetzes darstellen oder nicht - auf sie selbst (allenfalls im Wege einer "Sippenhaftung") durchschlagen würden, sondern ohne nähere Begründung nur eine subjektiv empfundene Furcht vor einer ihnen drohenden Verfolgung geäußert. Dies reicht aber nicht aus, die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerinnen festzustellen.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der von den Beschwerdeführerinnen beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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