VwGH 92/01/0012

VwGH92/01/00121.7.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des C in P, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. März 1991, Zl. 4.292.483/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. März 1991 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 30. September 1991, Zl. B 538/91, nach Ablehnung ihrer Behandlung abgetretene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, ist nach seinen eigenen Angaben am 22. Juni 1989 (und nicht, wie die belangte Behörde festgestellt hat, am 22. Dezember 1989) in das Bundesgebiet eingereist und hat am 22. Jänner 1990 den dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Asylantrag gestellt. Bei seiner Erstbefragung am 16. Februar 1990 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich gab er an, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe zu sein, deswegen aber keine Probleme gehabt zu haben, wegen seiner Religion nicht verfolgt worden zu sein, auch sonst keinerlei Schwierigkeiten mit den Behörden gehabt zu haben, einer politischen Partei nicht angehört zu haben, seinen Militärdienst nicht in der Türkei ableisten zu wollen und sich zur Auswanderung entschlossen zu haben, um bei seinem Vater sein zu können, der sich schon längere Zeit in Österreich aufhalte. Der Beschwerdeführer ist sich auch dessen, daß aus diesem Vorbringen nicht abgeleitet werden kann, es liege bei ihm einer der im Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Verfolgungsgründe vor, bewußt. Wenn er aber meint, daß diesen Behauptungen keine ausschlaggebende Bedeutung zukomme, so ist ihm unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, daß im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium heranzuziehen und hiebei den ersten Angaben besonderes Gewicht beizumessen ist.

Die im Rahmen ihrer Beweiswürdigung vertretene Auffassung der belangten Behörde, erfahrungsgemäß würden Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben machen, die der Wahrheit am nächsten kommen, ist nicht als unschlüssig anzusehen. Wie die belangte Behörde zutreffend bemerkt hat, wurde der Erstbefragung des Beschwerdeführers ein Dolmetsch beigezogen und dabei gezielt nach Indizien einer Verfolgung gefragt. Daß der Beschwerdeführer - wie er nunmehr geltend macht - mangels Schulbildung nicht in der Lage gewesen sei, damals "seine Ängste entsprechend zu formulieren", kann nicht angenommen werden, weil es nicht auf eine bestimmte Wortwahl ankommt und solche "Ängste" auch ohne hinreichende Schulbildung zum Ausdruck gebracht werden können, seine Angaben aber diesbezüglich nicht einmal eine Andeutung enthielten. Er hat vielmehr auf konkretes Befragen nach den Gründen, warum er nicht in die Türkei zurückkehren wolle, mehrmals erklärt, daß dies wegen seines in Österreich lebenden Vaters der Fall sei und er andere Gründe nicht nennen könne. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, daß der Beschwerdeführer einen Asylantrag erst mehr als ein halbes Jahr nach seiner Einreise gestellt hat. Dieser Umstand in Verbindung damit, daß der Beschwerdeführer nie behauptet hat, daß erst zu einem späteren Zeitpunkt Verfolgungsgründe entstanden seien, spricht dagegen ebenfalls, daß bei ihm eine wohlbegründete Furcht, aus einem der in der Konvention angeführten Gründe in seinem Heimatland verfolgt zu werden, besteht, muß doch grundsätzlich erwartet werden, daß bei tatsächlichem Vorliegen eines derartigen Grundes ehebaldigst eine entsprechende Antragstellung erfolgt. Demgegenüber hat der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung angegeben, vergeblich um eine Aufenthaltsgenehmigung angesucht und "daraufhin den Weg über den Asylantrag gewählt" zu haben.

Erst in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 18. Mai 1990 hat der Beschwerdeführer behauptet, er habe die Türkei aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe und der politischen Gesinnung" verfolgt zu werden, verlassen. Er sei Kurde und deshalb - so wie auch die anderen Kurden - in der Türkei benachteiligt. Er habe lediglich vier Jahre die Volksschule besuchen dürfen; in der Schule sei nicht kurdisch gesprochen worden. Er habe keine Gelegenheit gehabt, ein Handwerk oder einen anderen Beruf zu erlernen. Es sei ihm als Kurde nicht möglich gewesen, einen besseren Arbeitsplatz zu finden. Wegen seines alevitischen Glaubens seien er und die anderen Kurden von den Türken angefeindet worden. In der Umgebung seines Heimatdorfes gebe es in den Bergen kurdische Widerstandskämpfer, die der PKK angehörten. Anfangs 1989 sei er festgenommen und mehrere Tage über deren Aufenthaltsort befragt worden. Anfangs 1990 hätte er zum türkischen Militär einrücken sollen. Dies habe er jedoch nicht gewollt, weil kurdische Militärangehörige öfters dazu eingesetzt werden würden, gegen bewaffnete kurdische Widerstandskämpfer vorzugehen, wobei es oft Tote geben würde. Der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde auf dieses Vorbringen nicht Bedacht genommen und die von ihm in der Berufung gestellten Beweisanträge "vollkommen ignoriert" habe. Die belangte Behörde ist aber - ungeachtet der von ihr vorgenommenen Beweiswürdigung - auch auf das Berufungsvorbringen eingegangen, und sie ist auch unter dessen Berücksichtigung jedenfalls im Ergebnis zu Recht zur Ansicht gelangt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Diesbezüglich genügt - ohne nähere Auseinandersetzung mit den einzelnen Gründen - zusammenfassend der Hinweis, daß der Beschwerdeführer auch damit keine konkret gegen ihn bereits gesetzten oder ihm konkret drohenden Verfolgungshandlungen, auf Grund derer ein weiterer Verbleib in seinem Heimatland für ihn unerträglich geworden wäre, dargetan hat. Die belangte Behörde war daher nicht verpflichtet, darüber noch Beweise aufzunehmen.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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