VwGH 91/19/0361

VwGH91/19/03619.3.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Ing. X in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 7. November 1991, Zl. 3/07-7238/2-1991, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AZG §20 Abs1 lita;
AZG §20 Abs1;
AZG §20 Abs2;
AZG §28 Abs1;
AZG §7 Abs1;
AZG §7 Abs5;
VStG §26 Abs1;
VStG §27 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §40 Abs2;
VStG §6;
VStG §9;
AZG §20 Abs1 lita;
AZG §20 Abs1;
AZG §20 Abs2;
AZG §28 Abs1;
AZG §7 Abs1;
AZG §7 Abs5;
VStG §26 Abs1;
VStG §27 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §40 Abs2;
VStG §6;
VStG §9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg (der belangten Behörde) vom 7. November 1991 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer der mehrfachen Übertretung des § 7 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes (AZG) schuldig erkannt und hiefür nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle mit Geldstrafen von S 1.000,-- je Arbeitnehmer (Ersatzfreiheitsstrafe je ein Tag) bestraft, weil er es als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ des A-Arge K-Sperre-AG, zu verantworten habe, daß auf der Baustelle in M, 22 namentlich angeführte Arbeitnehmer jeweils an mehreren bestimmt bezeichneten Tagen im August 1990 in einem die zulässige Tagesarbeitszeit von zehn Stunden übersteigenden Ausmaß beschäftigt worden seien.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in ihrem Begleitschreiben unter Hinweis auf die "ausführliche Begründung des angefochtenen Bescheides, welcher nach ha. Auffassung in rechtlicher Hinsicht nichts mehr hinzugefügt werden kann", zum Ausdruck gebracht, daß sich die Beschwerde zur Gänze als unbegründet erweise.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeeinwand, daß "zufolge Unterbleibens einer wirksamen Verfolgungshandlung Verjährung i.S. des § 31 Verwaltungsstrafgesetz eingetreten ist", erweist sich als nicht berechtigt.

Nach Ausweis der vorgelegten Akten hat die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung unter dem Datum 22. Oktober 1990 an das Gemeindeamt Neumarkt am Wallersee das Ersuchen gerichtet, in der Angelegenheit "Verwaltungsstrafverfahren gegen Ing. X" den Beschuldigten gemäß § 40 VStG zum Inhalt der Anzeige (des Arbeitsinspektorates für den 13. Aufsichtsbezirk vom 1. Oktober 1990) wegen "Überschreitung der Tagesarbeitszeit" einzuvernehmen und ihm Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Bei diesem Rechtshilfeersuchen handelt es sich um eine von einer Behörde gegen eine bestimmte Person (den Beschwerdeführer) als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung, die im Grunde des § 32 Abs. 2 VStG als taugliche Verfolgungshandlung zu werten ist, auch wenn - wie sich nachträglich herausgestellt hat - die genannte Bezirkshauptmannschaft unzuständigerweise tätig geworden ist, und diese Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht hat.

2. Der Verwaltungsgerichtshof teilt zwar die Auffassung des Beschwerdeführers, daß das Unterbleiben einer Anzeige i.S. des § 20 Abs. 2 AZG an das Arbeitsinspektorat - entgegen der Rechtsmeinung der belangten Behörde - nicht zur Verneinung der Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 20 Abs. 1 leg. cit. führt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1991, Zl. 91/19/0136). Allerdings ist damit, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, für den Beschwerdeführer nichts gewonnen.

3.1. Die Beschwerde rügt, daß dem Beschwerdeführer unter Verletzung von Verfahrensvorschriften (Nichtaufnahme der von ihm in der Berufung angebotenen Beweise) die Möglichkeit genommen worden sei, zu beweisen, daß "zufolge der Spezialität der auszuführenden Arbeiten eine absolute Notstandssituation vorlag", die ihm keine andere Wahl gelassen habe, als die begonnenen Rißverschließungsarbeiten an der K-Sperre in einem Zug abschließen zu lassen, "auch wenn dadurch im Einzelfall die Arbeitszeitbeschränkungen überschritten werden mußten", somit ein Fall des § 20 AZG vorgelegen sei.

3.2. Der damit vom Beschwerdeführer angesprochene § 20 Abs. 1 lit. a AZG lautet:

"§ 20 (1) In außergewöhnlichen Fällen finden die Bestimmungen der §§ 3 bis 5, 7, 8, 9, 11, 12, 14 bis 16, 18 und 19 keine Anwendung auf vorübergehende und unaufschiebbare Arbeiten, die

a) zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für die Sicherheit des Lebens oder für die Gesundheit von Menschen oder bei Notstand sofort vorgenommen werden müssen."

Unter Zugrundelegung der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. Mai 1989, Zl. 88/08/0168, geäußerten Rechtsansicht hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nur dann Notstand (i.S. des § 6 VStG) zubilligen oder das Vorliegen einer Gefahr i.S. des § 20 Abs. 1 lit. a AZG annehmen dürfen, wenn der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen wäre, die von ihm behauptete Gefahr zumutbarerweise auf andere Art als durch Begehung der ihm zur Last gelegten Verstöße gegen arbeitszeitrechtliche Vorschriften abzuwehren.

Der Gerichtshof kann nicht finden, daß der Beschwerdeführer in diesem Sinne keine andere Wahl hatte, der von ihm behaupteten Gefahr zu begegnen als durch das ihm angelastete strafbare Verhalten.

4. Gemäß § 7 Abs. 5 AZG kann das Arbeitsinspektorat bei Nachweis eines dringenden Bedürfnisses auf Antrag des Arbeitgebers nach Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer eine über das Ausmaß der Abs. 1 bis 3 hinausgehende Arbeitszeitverlängerung bewilligen. Eine Tagesarbeitszeit über zehn Stunden kann das Arbeitsinspektorat jedoch nur zulassen, wenn dies im öffentlichen Interesse erforderlich ist.

Weder die vom Beschwerdeführer im Rahmen seiner Vernehmung als Beschuldigter (vgl. die Niederschrift vom 7. Dezember 1990) gemachten Angaben zu seiner Rechtfertigung noch seine Berufungsausführungen (die Beschwerde wiederholt letztere) lassen erkennen, daß die Stellung eines Antrages auf Durchführung des im § 7 Abs. 5 AZG vorgesehenen Bewilligungsverfahrens, in welchem er das von ihm mehrfach hervorgehobene dringende Bedürfnis bzw. das öffentliche Interesse an den Überschreitungen der zulässigen Tagesarbeitszeit hätte nachweisen können, wegen der für ein solches Verfahren erforderlichen Zeit keine ihm zumutbare Maßnahme gewesen wäre, um die - für den Fall der Nichtüberschreitung der zulässigen Tagesarbeitszeit - behauptete Gefahr abzuwenden. Dem einschlägigen Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren ist vielmehr zu entnehmen, daß es sich bei der Sanierung der Risse in der K-Sperre zwar um dringend notwendige, aber doch auch um geplante und demnach nicht unvorhersehbare Arbeiten handelte. Von daher gesehen, mußte dem Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als verantwortlicher Bauleiter schon aufgrund seiner Erfahrung bewußt sein, daß die Sanierungsmaßnahmen, die - wie von ihm betont - "unter gar keinen Umständen unterbrochen werden (dürfen), sondern in einem Arbeitsvorgang abgeschlossen werden (müssen), ohne Rücksicht darauf, wie lange dieser Arbeitsvorgang dauert", vorhersehbarerweise kaum ohne Arbeitszeitverlängerung durchzuführen sein würden. Unter diesen Umständen wäre das rechtzeitige Beantragen einer Bewilligung gemäß § 7 Abs. 5 AZG eine geeignete und zumutbare Maßnahme zur Abwendung der behaupteten Gefahr gewesen.

5. Da nach dem Gesagten der belangten Behörde nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, sie habe die Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 lit. a AZG zu Unrecht verneint, erweist sich der mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Schuldspruch als frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit.

6. Zum Strafausspruch enthält die Beschwerde kein Vorbringen, weshalb auf diesen nicht weiter einzugehen ist.

7. Die somit unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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