VwGH 91/17/0193

VwGH91/17/019311.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 27. September 1991, Zl. MD-Vfr - St 4/91, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Gebrauchsabgabe), zu Recht erkannt:

Normen

GebrauchsabgabeG Wr 1966 §1;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §10;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §11 Abs1;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §9 Abs1 idF 1982/013;
LAO Wr 1962 §235 Abs1 litb;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §1;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §10;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §11 Abs1;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §9 Abs1 idF 1982/013;
LAO Wr 1962 §235 Abs1 litb;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstige Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer begehrte mit einem beim Magistrat der Stadt Wien am 1. Oktober 1987 eingebrachten Antrag die Wiederaufnahme des mit Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 5. Juni 1987 rechtskräftig abgeschlossenen Abgabenverfahrens betreffend die Vorschreibung einer Gebrauchsabgabe mit der Begründung, daß er am 29. September 1987 erstmals davon Kenntnis erhalten habe, daß er sich in der Zeit vom September 1982 bis 8. März 1984 mit seinem transportablen Verkaufsstand nicht auf öffentlichem Grund befunden habe. An diesem Tag habe er nämlich beim Bezirksgericht Innere Stadt erstmals einen Grundbuchsauszug betreffend die Liegenschaft EZ. 3194, Grundbuch L, ausdrucken lassen und dabei festgestellt, daß Eigentümer des Grundstückes nicht die Stadt Wien, sondern die im Antrag näher bezeichnete Aktiengesellschaft gewesen sei. Es seien somit neue Tatsachen bzw. Beweismittel hervorgekommen, die im Verfahren ohne sein Verschulden nicht geltend gemacht worden seien und allein oder in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens voraussichtlich einen anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Mit einem weiteren am 2. Dezember 1987 bei der genannten Behörde eingebrachten Antrag brachte der Beschwerdeführer vor, daß er am 21. November 1987 erstmals Kenntnis davon erhalten habe, daß es - im Antrag näher bezeichnete - Zeugen für den geltend gemachten Umstand gebe. Daß er sich mit seinem transportablen Verkaufsstand nicht auf öffentlichem Grund befunden habe, könne durch die Zeugen und damals aufgenommenen Fotos einwandfrei erwiesen werden. Es erscheine klar, daß die Gebrauchsabgabe nicht schon auf Grund der erteilten Gebrauchserlaubnis vorgeschrieben werden könne, sondern für die tatsächliche Inanspruchnahme von öffentlichem Grund.

Mit Bescheid vom 21. März 1991 wies der Magistrat der Stadt Wien diese Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 2 AVG 1950 mit der Begründung ab, daß sich der Beschwerdeführer bereits bei Erhalt des die Gebrauchserlaubnis erteilenden Bescheides Kenntnis über die Grundbesitzverhältnisse hätte verschaffen können und somit keine neuen Tatsachen vorlägen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe die Tatsache, daß er sich mit dem transportablen Verkaufsstand nicht auf Gemeindegrund befunden habe, ohne sein Verschulden im vorangegangenen Verfahren nicht geltend machen können, weil er weder den Grundbuchstand noch die Grundbuchsmappe vor dem Wiederaufnahmeantrag habe prüfen können. Abgesehen davon, daß er als juristischer Laie die Tatsachen und Beweismittel nicht habe überprüfen können, sei sein Verkaufsstand in der fraglichen Zeit mehrmals von seinem Standplatz verschoben worden und er habe erst zu dem im Wiederaufnahmeantrag genannten Zeitpunkt erstmals davon Kenntnis erhalten, daß der Verkaufsstand sich nicht auf Gemeindegrund befunden habe. Jedenfalls habe er die erst zum Zeitpunkt des Wiederaufnahmeantrages bekannt gewordenen Tatsachen und Beweismittel ohne sein Verschulden nicht früher im Verfahren geltend machen können.

Das Verwaltungsstrafverfahren sei eingestellt worden, weil sich auf Grund der Zeugenaussagen ergeben hätte, daß der Verkaufsstand mehrmals ortsverändert worden sei und im Strafverfahren nicht habe festgestellt werden können, in welchem Zeitraum der Kiosk auf öffentlichem Grund gestanden sei.

Die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien (belangte Behörde) hob mit Bescheid vom 27. September 1991 (Spruchpunkt I) den mit Berufung bekämpften Bescheid des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien gemäß § 224 Abs. 2 WAO auf, da die Abgabenberufungskommission mit Berufungsentscheidung rechtskräftig über die Abgabenfestsetzung abgesprochen habe und die Behörde erster Instanz zur Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens unzuständig gewesen sei. Mit Spruchpunkt II dieses Bescheides wies die belangte Behörde die in Rede stehenden Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 235 Abs. 1 lit. b WAO in Angelegenheit der Festsetzung der Gebrauchsabgabe für einen transportablen Verkaufsstand in Wien ab. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, daß die Bescheide über die Erteilung der Gebrauchserlaubnis rechtskräftig geworden seien und sowohl die Behörde erster Instanz als auch die erkennende Behörde an diese die Grundlage für die Abgabenvorschreibung darstellenden Bescheide gebunden seien.

Im übrigen seien die Grundstücksdaten in dem Bescheid über die Erteilung der Gebrauchserlaubnis richtig und vollständig enthalten gewesen, sodaß auch einem Laien zumutbar gewesen wäre, den Grundbuchstand zu überprüfen.

Gegen diesen Bescheid - und zwar erkennbar nur gegen dessen Spruchpunkt II. - richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Dem Inhalt der Beschwerde ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer sich (auch) in dem Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Gebrauchsabgabe verletzt erachtet.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde vor, daß der ursprüngliche Bescheid vom 13. September 1982 über die Festsetzung einer Gebrauchsabgabe der zwingenden Vorschrift des § 58 Abs. 2 AVG nicht entsprochen habe, was letztlich dazu geführt habe, daß ohne entsprechende Begründung abweichend von seinem Antrag auf Standortberechtigung tatsächlich die Gebrauchsabgabe für ein Grundstück vorgeschrieben worden sei, das nicht im Eigentum der Gemeinde Wien gestanden sei. Ein derartiger Bescheid könne nicht die Grundlage für die Vorschreibung einer Gebrauchsabgabe abgeben, weshalb auch der Anknüpfungspunkt für die Gebrauchsgabe, nämlich die Gebrauchserlaubnis, anfechtbar sei und hinreichend Gründe vorlägen, daß darüber unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer in seinen Wiederaufnahmeanträgen vorgebrachten Gründe noch einmal entschieden werde.

Zur Vermeidung von Mißverständnissen wird zunächst darauf hingewiesen, daß der Magistrat der Stadt Wien die Gebrauchserlaubnis mit Bescheid vom 13. September 1982 erteilt hat. Eine Verlängerung der Bewilligung erfolgte mit Bescheid vom 12. März 1983. Auf Grund dieses Bescheides erging die rechtskräftig gewordene Abgabenfestsetzung (Berufungsbescheid vom 5. Juni 1987). Der Beschwerdeführer hat mit den bereits genannten Wiederaufnahmeanträgen die Wiederaufnahme des Abgabenfestsetzungsverfahrens begehrt und nur über den in dieser Sache ergangenen abweisenden Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien betreffend Festsetzung der Gebrauchsabgabe ist im nunmehrigen Verfahren abzusprechen.

Gemäß § 235 Abs. 1 lit. b WAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 9 Abs. 1 des Gebrauchsabgabegesetzes 1966, LGBl. Nr. 20, in der Fassung der am 1. Mai 1982 in Kraft getretenen Novelle LGBl. Nr. 13/1982, haben die Träger einer Gebrauchserlaubnis für Gemeindegrund gemäß § 1, ... eine Gebrauchsabgabe zu entrichten.

Voraussetzung für die Entstehung einer Gebrauchsabgabeschuld ist demnach das Vorliegen einer Gebrauchserlaubnis für Gemeindegrund gemäß § 1 Gebrauchsabgabegesetz 1966. Die Bescheide, mit denen die Gebrauchserlaubnis erteilt bzw. verlängert wurde, sind in Rechtskraft erwachsen. Der belangten Behörde ist daher beizupflichten, daß die Gebrauchsabgabepflicht nach dem Gebrauchsabgabegesetz an die erteilte Gebrauchserlaubnis anknüpft (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1986, Zl. 83/17/0150). Der Träger einer Gebrauchserlaubnis für Gemeindegrund gemäß § 1 Gebrauchsabgabegesetz 1966 ist demnach mit Wirksamwerden der Gebrauchserlaubnis abgabepflichtig und hat nach Maßgabe der §§ 10 ff Gebrauchsabgabegesetz diese Abgabe zu entrichten. Mit der Wiederaufnahme des Gebrauchsabgabefestsetzungsverfahrens könnte die bereits mit der Erteilung der Gebrauchserlaubnis entstandene Verpflichtung des Beschwerdeführers, eine Gebrauchsabgabe zu entrichten, nicht aufgehoben und somit im Ergebnis kein im Spruch anderslautender Gebrauchsabgabefestsetzungsbescheid herbeigeführt werden.

Die Beschwerde erweist sich schon aus diesem Grund als nicht begründet, sodaß auf die Frage des Verschuldens nach § 235 Abs. 1 lit. b WAO - der Vorwurf im angefochtenen Bescheid, es läge ein solches Verschulden vor, ist in der Beschwerde nicht gerügt worden - nicht mehr einzugehen ist.

Im Verfahren über die beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 235 Abs. 1 lit. b WAO mußte dem Beschwerdeführer unbeschadet der allenfalls in anderen Verfahren geltend zu machenden Ansprüche demnach jedenfalls ein Erfolg versagt bleiben.

Da betreffend die behaupteten Verfahrensmängel in der Beschwerde nichts näher ausgeführt ist, erübrigt sich ein weiteres Eingehen darauf.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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