VwGH 91/13/0152

VwGH91/13/015211.11.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VII, vom 29. Mai 1991, GZ. 6/4-4048/87-09, betreffend Einkommensteuer 1984, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §10 Abs2 Z5;
EStG 1972 §24 Abs1 Z1;
EStG 1972 §37 Abs1;
EStG 1972 §37 Abs2 Z2;
EStG 1972 §10 Abs2 Z5;
EStG 1972 §24 Abs1 Z1;
EStG 1972 §37 Abs1;
EStG 1972 §37 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer übt seit dem Jahre 1980 den Beruf eines Wirtschaftstreuhänders aus. Mit einem Notariatsakt vom 9. Jänner 1984 erwarb er von Ernst W. den gesamten Klientenstock des von diesem betriebenen Wirtschaftstreuhänder-Unternehmens gegen Leistung einer monatlichen Leibrente und Nebenleistungen.

Das Inventar der Steuerberatungskanzlei wurde von Ernst W. am 1. Februar 1984 an die Ernst W. GmbH veräußert. An dieser GmbH waren Ernst W. und eine dritte Person beteiligt. Geschäftsführer dieser GmbH war der Beschwerdeführer.

Bei der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 1984 wurde ein von den Anschaffungskosten des Klientenstockes geltend gemachter Investitionsfreibetrag in Höhe von S 210.000,-- nicht anerkannt.

In der Berufung gegen diesen Bescheid vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, er habe nicht einen Betrieb, sondern ein Wirtschaftsgut von Ernst W. erworben. Das gesamte Inventar und Personal sei auf die Ernst W. GmbH übergegangen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Nach Ansicht der belangten Behörde sei der Klientenstock die wesentliche Grundlage des Betriebes einer Steuerberatungskanzlei. Es sei daher von einem typischen Fall des Unternehmerwechsels auszugehen.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen

inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ein Investitionsfreibetrag im Sinne des § 10 EStG 1972 darf nach Abs. 2 Z. 5 dieser Gesetzesstelle bei Erwerb eines Betriebes, eines Teilbetriebes oder des Anteiles eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist, nicht in Anspruch genommen werden.

Ebenso wie bei der Veräußerung eines ganzen Betriebes im Sinne der Bestimmungen des § 24 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 kommt es auch beim Erwerb eines solchen Betriebes nach der im Beschwerdefall maßgebenden Gesetzesbestimmung darauf an, ob die wesentlichen Grundlagen des Betriebes übertragen werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juni 1987, 86/14/0181).

Eine solche Betriebsveräußerung setzt dabei nicht den Verkauf des gesamten Betriebsvermögens, sondern nur die Übereignung der wesentlichen Grundlagen des Betriebes voraus. Welche Betriebsmittel zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebes gehören, bestimmt der jeweilige Betriebstypus. Bei freien Berufen ist in Rechnung zu stellen, daß dort der Geschäftserfolg in aller Regel vom Vertrauen des Kunden (Klienten) zum Angehörigen des freien Berufes abhängt. Dementsprechend bildet der Kundenstock (Klientenstock) regelmäßig die wesentliche Grundlage des Betriebes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. April 1989, 88/14/0083, mit weiteren Hinweisen). Der Beschwerdeführer hat unbestrittenermaßen den gesamten Klientenstock des Steuerberaters Ernst W. und damit die wesentliche Grundlage dieses Betriebes erworben.

Es mag zutreffen, daß für die Fortführung einer erworbenen Steuerberatungskanzlei auch eine entsprechende personelle und "materielle" Ausstattung erforderlich ist, wiewohl bei rechtsberatenden Berufen auch eine Berufsausübung ohne Hilfspersonal und ins Gewicht fallende sachliche Hilfsmittel in Betracht kommt. Mit dem Hinweis auf die personelle und materielle Ausstattung kann der Beschwerdeführer jedenfalls deshalb nichts für seinen Standpunkt gewinnen, weil es aus der Sicht des § 10 Abs. 2 Z. 5 EStG 1972 wie ausgeführt nur darauf ankommt, ob die wesentliche Grundlage des Betriebes, das ist im Beschwerdefall der Klientenstock, übertragen worden ist. Der erforderlichen personellen und maschinellen Ausstattung kommt bei einem freien Beruf aus der Sicht der Betriebsveräußerung nur dann eine besondere Bedeutung zu, wenn - wie in dem im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. April 1989, 88/14/0083, angeführten Beispiel eines Röntgenologen mit aufwendigen Geräten, aber ständig wechselndem Patientenkreis - die Bedeutung des Kundenkreises wesentlich in den Hintergrund tritt. Derartige Umstände wurden aber im Beschwerdefall nicht vorgebracht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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