VwGH 91/12/0080

VwGH91/12/00808.4.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde des NN in M, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. Februar 1991, Zl. VIII/1-L-978, betreffend Vergütung für Mehrdienstleistungen nach § 61 des Gehaltsgesetzes 1956, zu Recht erkannt:

Normen

GehG 1956 §61 Abs1;
LDG 1984 §106 Abs2 Z5;
LDG 1984 §43 Abs1;
LDG 1984 §48;
LDG 1984 §49 Abs3;
LDG 1984 §50;
GehG 1956 §61 Abs1;
LDG 1984 §106 Abs2 Z5;
LDG 1984 §43 Abs1;
LDG 1984 §48;
LDG 1984 §49 Abs3;
LDG 1984 §50;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Volksschuldirektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Seine Dienststelle ist die XY-Volksschule in M. Diese Volksschule hatte im Schuljahr 1988/89 12, im Schuljahr 1989/90 13 Klassen. Sie wurde in beiden Schuljahren als Schulversuch "Tagesheimschule" geführt. Im Rahmen dieses Schulversuches erbrachte der Beschwerdeführer, obwohl er im Hinblick auf die genannte Klassenzahl nach § 48 Abs. 5 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 302 (LDG 1984) von der regelmäßigen Unterrichtserteilung befreit war, als Tagesheimlehrer im Schuljahr 1988/89 Dienstleistungen im Ausmaß von 10 Wochenstunden und im Schuljahr 1989/90 im Ausmaß von 4,75 Wochenstunden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die auf Grund des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers vom 17. Dezember 1990 zur Entscheidung berufene belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Vergütung für 10 Wochenstunden Mehrdienstleistung für das Schuljahr 1988/89 sowie für 4,75 Wochenstunden Mehrdienstleistung für das Schuljahr 1989/90 ab.

Begründend wurde ausgeführt, es gebühre nach § 61 Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956 (GG) dem Lehrer eine besondere Vergütung, wenn durch dauernde Unterrichtserteilung das Ausmaß der Lehrverpflichtung überschritten werde. Nach § 48 Abs. 1 LDG 1984 betrage die Lehrverpflichtung der Lehrer an Volksschulen 24 Wochenstunden. Nach Abs. 5 des § 48 leg. cit. vermindere sich die Lehrverpflichtung der Leiter von Volksschulen gegenüber dem oben angeführten Ausmaß um zwei Wochenstunden für die Leitung der gesamten Schule und um je eine weitere Wochenstunde für jede Klasse. Leiter von Volksschulen mit mehr als acht Klassen seien von der regelmäßigen Unterrichtserteilung befreit. Wenn es sich um den Leiter einer Volksschule mit mehr als acht Klassen handle, sei er verpflichtet, abwesende Lehrer seiner Schule im Bedarfsfall bis zum Ausmaß seiner Lehrverpflichtung ohne Anspruch auf eine Mehrdienstleistungsvergütung zu vertreten. Nach § 2 Z. 1 lit. c der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 10. März 1976, BGBl. Nr. 104, über die Abgeltung von Mehrleistungen im Rahmen von Schulversuchen (VASM) sei die zusätzliche Tätigkeit der Leiter von Schulen, an denen die Schulversuche "Ganztagsschule" oder "Tagesheimschule" durchgeführt werden, bei Führung des Schulversuches von fünf bis acht Ganztagsklassen bzw. Betreuungsgruppen in der Tagesheimschule der Erteilung von zwei öffentlichen Unterrichtsstunden der im § 4 genannten Lehrverpflichtung gleichzuhalten. In den Fällen, in denen der Leiter der Schule zu keiner Unterrichtserteilung verpflichtet sei, sei diese zusätzliche Tätigkeit als zwei weitere Unterrichtsstunden über die Lehrverpflichtung hinaus zu werten. Aus letzterer Bestimmung ergebe sich im Beschwerdefall daher, daß zwei Wochenstunden Mehrdienstleistung für die Leitung der Tagesheimschule, unabhängig von einer zusätzlichen Unterrichtserteilung, abzugelten seien. Die weiteren vom Beschwerdeführer "gehaltenen Wochenstunden Mehrdienstleistungen" könnten allerdings entgegen seiner Ansicht nicht unter die Bestimmungen der VASM subsumiert werden, da in dieser Verordnung kasuistisch die einzelnen Fälle geregelt seien und der Fall der Unterrichtserteilung des Leiters einer Schule mit Tagesheimbetrieb nicht gesondert angeführt sei. Zunächst seien daher für das Schuljahr 1988/89 10 und für das Schuljahr 1989/90 9 Wochenstunden als Mehrdienstleistung abzuziehen, "die Sie als freigestellter Leiter, im Bedarfsfall bis zum Ausmaß ihrer Lehrverpflichtung, ohne Anspruch auf eine Mehrdienstleitungsvergütung, abwesende Lehrer zu vertreten, verpflichtet sind" (gemeint wohl: zu deren Erbringung der Beschwerdeführer nach § 48 Abs. 5 LDG 1984 verpflichtet sei). Im Schuljahr 1988/89 seien fünf Lehrer, im Schuljahr 1989/90 ein Lehrer im Sinne der letztgenannten Bestimmung "abwesend" gewesen. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, die betreffenden Lehrer hätten nie an seiner Schule den Dienst angetreten bzw. Dienst verrichtet, werde festgehalten, daß diese Lehrer aus welchen Gründen immer seiner Schule zugewiesen gewesen seien. Ob sie dort jemals den Dienst angetreten bzw. Dienst verrichtet hätten, könne in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben, weil in der diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmung von der "Abwesenheit" eines Lehrers die Rede und es unbestritten sei, daß die betreffenden Lehrer, obwohl der Schule zugewiesen, eben nicht anwesend gewesen seien. In diesem Zusammenhang werde auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1983, Zl. 81/09/0064, und vom 13. April 1983, Zl. 81/09/0088, hingewiesen. Die vom Beschwerdeführer beantragte Vernehmung näher genannter Zeugen könne entfallen, weil von ihren Aussagen kein weiterer Aufschluß über den Verfahrensgegenstand erwartet werden könne. Denn das einzig wesentliche Kriterium, nämlich die Dienstzuteilung der betreffenden Personen an die Volkssschule, stehe unbestritten fest.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer ist Landeslehrer im Sinne des § 1 LDG 1984. Gemäß § 106 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. gilt für ihn das GG, allerdings mit der Maßgabe, daß nach § 106 Abs. 2 Z. 1 GG anstelle des Dienstverhältnisses zum Bund das Dienstverhältnis zu dem betreffenden Land tritt, und daß, sofern die Vorschriften des GG auf andere dienstrechtliche Bestimmungen verweisen, deren Inhalt für Landeslehrer in diesem Bundesgesetz geregelt wird, nach § 106 Abs. 2 Z. 5 LDG 1984 die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes treten.

Nach § 61 Abs. 1 GG gebührt dem Lehrer, wenn durch dauernde Unterrichtserteilung sowie Einrechnung von Nebenleistungen nach § 9 des Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetzes (BLVG) und Einrechnung von Erziehertätigkeiten und Aufsichtsführung nach § 10 BLVG das Ausmaß der Lehrverpflichtung überschritten wird, hiefür an Stelle der in den §§ 16 bis 18 angeführten Nebengebühren eine besondere Vergütung.

Da Landeslehrer nicht vom sachlichen Geltungsbereich des BLVG erfaßt sind, treten für sie gemäß § 106 Abs. 2 Z. 5 LDG 1984 die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes an die Stelle der im § 61 Abs. 1 zitierten Bestimmungen des BLVG. Das "Ausmaß der Lehrverpflichtung" im Sinne des § 61 Abs. 1 GG richtet sich - entsprechend dem § 43 Abs. 1 LDG 1984 - nach den §§ 48 bis 53 dieses Gesetzes, im Beschwerdefall, in dem es um das Ausmaß der Lehrverpflichtung eines Lehrers an einer Volksschule geht, daher nach § 48 (vgl. zur insofern vergleichbaren Rechtslage eines Berufschuldirektors das Erkenntnis vom 27. Jänner 1986, Zl. 85/12/0082).

Gemäß § 48 Abs. 1 erster Satz LDG 1984 beträgt die Lehrverpflichtung der Lehrer an Volksschulen - von im Beschwerdefall nicht in Betracht kommenden Ausnahmsfällen abgesehen - 24 Wochenstunden. Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des § 48 Abs. 5 leg. cit. lauten:

"Die Lehrverpflichtung der Leiter von Volksschulen

vermindert sich gegenüber dem im Abs. 1 angeführten Ausmaß um

zwei Wochenstunden für die Leitung der gesamten Schule und um

je eine weitere Wochenstunde für jede Klasse; ... Leiter von

Volksschulen mit mehr als acht Klassen sind von der

regelmäßigen Unterrichtserteilung befreit. .... wenn es sich um

den Leiter einer Volksschule mit mehr als acht Klassen handelt, ist er verpflichtet, abwesende Lehrer seiner Schule im Bedarfsfalle bis zum Ausmaß seiner Lehrverpflichtung ohne Anspruch auf eine Mehrdienstleistungsvergütung zu vertreten."

Nach der zuletzt genannten Bestimmung des § 48 Abs. 5 LDG 1984 hängt der Entfall des Anspruchs auf eine Mehrdienstleistungsvergütung davon ab, daß der von der regelmäßigen Unterrichtserteilung befreite Leiter der Volksschule diese Mehrdienstleistungen auf Grund der in dieser Bestimmung normierten Verpflichtung erbringt. Beruht die Leistungserbringung hingegen nicht auf dieser Verpflichtung, so steht ihm unter den Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 GG in Verbindung mit den zitierten Bestimmungen des LDG 1984 ein Anspruch auf Vergütung zu (vgl. dazu das schon zitierte Erkenntnis vom 27. Jänner 1986, Zl. 85/12/0082).

Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hängt daher davon ab, ob der Beschwerdeführer die strittigen Mehrdienstleistungen (von denen die belangte Behörde feststellt, es habe sich dabei um Unterrichtserteilung gehandelt) auf Grund der genannten Verpflichtung des § 48 Abs. 5 LDG 1984 erbracht hat. (Die Bestimmungen der VASM tragen

Da nach diesen Darlegungen die belangte Behörde durch die Unterlassung einer Klärung der vom Beschwerdeführer behaupteten "Freiwilligkeit" der von ihm erbrachten Mehrleistungsdienststunden Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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