VwGH 91/12/0019

VwGH91/12/001929.7.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Anträge des Dr. J in W, vom 21. Jänner 1991 (protokolliert unter Zahl 91/12/0019) bzw. vom 15. Oktober 1991 (protokolliert unter Zl. 91/12/0241) auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 17. Dezember 1990, Zl. 89/12/0143, abgeschlossenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §69 Abs1 Z1;
VwGG §45 Abs1 Z1;
VwGG §45 Abs1;
AVG §69 Abs1 Z1;
VwGG §45 Abs1 Z1;
VwGG §45 Abs1;

 

Spruch:

Gemäß § 45 Abs. 1 VwGG wird den genannten Anträgen auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht Folge gegeben.

Begründung

Der Antragsteller steht als Magistratsrat in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zur Stadt Wien und ist rechtskundig iS des § 24 Abs. 2 VwGG.

Mit Bescheid des Wiener Stadtsenates vom 11. Juli 1989 wurde der 1941 geborene Antragsteller gemäß § 52 Abs. 2 lit. a der Dienstordnung 1966 (DO) wegen Dienstunfähigkeit auf Grund psychischer bzw. habitueller Ursachen (insbesondere wegen mangelnder Einordnungs- und Einsichtsfähigkeit in rechtliche Zusammenhänge, die zu einer Störung des Dienstbetriebes führten) in den Ruhestand versetzt.

Die dagegen vom Antragsteller erhobene und unter Zl. 89/12/0143 protokollierte Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof am 17. Dezember 1990 als unbegründet abgewiesen.

Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzung des Antragstellers führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis zusammenfassend aus:

"Entscheidend für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist die Frage der Dienstfähigkeit bzw. Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers und ob eine Wiedererlangung seiner Dienstfähigkeit ausgeschlossen werden kann. Rechtlich zutreffend und unter Angabe der Rechtsprechung hat die belangte Behörde dargelegt, daß der Schluß der Dienstunfähigkeit nicht nur auf ärztlichen Feststellungen, sondern auch aus der Art der Dienstleistung selbst zulässig ist, wobei insbesondere auch habituelle Charaktereigenschaften bzw. geistige Mängel eine ordnungsgemäße Führung der Amtsgeschäfte ausschließen können. Unter Habitus im psychischen Sinn sind zum Charakter gewordene, verhaltenseigene, gewohnheitsmäßige Besonderheiten im Erscheinungsbild bzw. Verhalten eines Menschen zu verstehen (vgl. in diesem Sinne Duden, Fremdwörterbuch).

Da der Beschwerdeführer eine fachärztliche Untersuchung seines psychischen Gesundheitszustandes verweigerte, ging die belangte Behörde den vorher dargestellten Überlegungen entsprechend vor und gelangte nach umfangreichen, praktisch die gesamte A-Laufbahn des Beschwerdeführers umfassenden Erhebungen zu dem Schluß, daß der Beschwerdeführer durch mangelnde Einsicht und Einordnung durch längere Zeit hindurch gegen Dienstpflichten verstoßen hat; durch die auf Grund dieser Fakten erkennbare Haltung des Beschwerdeführers ist der Dienstbetrieb wesentlich gestört worden. Die Nachhaltigkeit dieses Verhaltens des Beschwerdeführers gegen viele seiner Vorgesetzten in verschiedenen Dienststellen zeigt, daß der Grund hiefür auf seiten des Beschwerdeführers in psychischen bzw. habituellen Ursachen zu suchen ist.

Bereits diese abgehandelten und nicht als rechtswidrig befundenen Feststellungen und Überlegungen der belangten Behörde zeigen, daß die Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers nicht in der Summe der dargestellten Einzelfakten, sondern in der auf Grund dieser Fakten erkennbaren Haltung des Beschwerdeführers gesehen worden ist, der gerade als rechtskundiger Beamter bei Ausübung seines Dienstes vernünftige Einsicht in rechtliche Zusammenhänge haben muß. Die Entscheidung der belangten Behörde erweist sich, ausgehend von dem bereits bisher Dargelegten - trotz umfangreichen Vorbringens des Beschwerdeführers, das auch ein weiteres Indiz für die besondere Eigenart des Beschwerdeführers darstellt - nicht als rechtswidrig, sondern ist auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes rechtlich zutreffend und in den Ermittlungsergebnissen gedeckt.

Das weitere umfangreiche Vorbringen des Beschwerdeführers in der großen Zahl der von ihm unaufgefordert eingebrachten Schriftsätze geht am wesentlichen Verfahrensgegenstand, nämlich der Frage seiner Dienstfähigkeit, vorbei. Immer wieder beschäftigt den Beschwerdeführer die Frage des seinerzeit abgegebenen "Dienstgutachtens", das ungerechtfertigt abgeändert worden sein soll, worin die Ursache für die von ihm erstatteten Disziplinar- und Strafanzeigen zu suchen seien."

Gegen die mit dem vorher genannten Bescheid vom 11. Juli 1989 erfolgte Ruhestandsversetzung des Antragstellers richten sich, genauso wie gegen die zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes eine Reihe von Anträgen auf Wiederaufnahme des Verfahrens (vgl. auch Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tage, Zlen. 90/12/0178, 0293).

So beantragte der Genannte mit dem unter Zl. 91/12/0019 protokollierten umfangreichen Schreiben vom 21. Jänner 1991 die Wiederaufnahme des verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VwGG. Damit verbunden war der Antrag auf Zuweisung der Sache an einen anderen Senat gemäß § 32 Abs. 2 VwGG wegen Befangenheit. Diesem Antrag wurde mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juni 1991, Zl. 91/18/0073, nicht stattgegeben.

In seinem Antrag auf Wiederaufnahme vom 21. Jänner 1991 bringt der Antragsteller im wesentlichen vor, er habe erst am 19. Dezember 1990 im Rahmen eines Verfahrens beim Landesgericht für Strafsachen Wien Einsicht in einen Akt der Verwaltungsrevision erhalten. Aus diesem Akt hätten sich Verdachtsmomente gegen bestimmte namentlich genannte, an der Erlassung des Pensionierungsbescheides beteiligte Beamte der Stadt Wien ergeben. Motiv für seine Pensionierung sei die Retorsion für die von ihm erstattete Anzeige nach dem rechtswidrigen Dienstgutachten in der Frage seiner Dienstbeurteilung gewesen. Insbesondere durch die Nichtvorlage dieses Aktes habe ein namentlich genannter Referent die vorberatende gemeinderätliche Personalkommission, den den Bescheid beschließenden Wiener Stadtsenat und letztlich in Verbindung mit der von ihm ausgearbeiteten Gegenschrift auch den Verwaltungsgerichtshof getäuscht.

Diesbezüglich bringt der Antragsteller vor:

"In der Gegenschrift vom 24. Oktober 1989, ... wurde behauptet, daß ohnehin nicht das (von mir als strafrechtswidrig erstelltes Dienstgutachten vom 24.2.1987 bezeichnet) negative Dienstgutachten verwertet worden sei, sondern nur die "Ermittlungsergebnisse" die dem Dienstgutachten angeblich zugrunde gelegen sein sollen, in das Pensionierungsverfahren übernommen und verwertet worden seien. Verschwiegen wurde aber dadurch, daß ein vorangegangenes positives Dienstgutachten des zuständigen Abteilungsleiters vom 20.11.1986 im Pensionierungsverfahren zu meinen Ungunsten unterschlagen wurde und daß die dem Verwaltungsgerichtshof im Oktober 1989 übermittelten Akten nicht die "Ermittlungsergebnisse" aus dem Akt MVR 38/86 enthielten, sodaß der Verwaltungsgerichtshof am 17.12.1990 ohne Kenntnis dieser Ermittlungsergebnisse aus dem Akt MVR 38/86 lediglich auf Grund des stark reduzierten - wohl besser bewußt manipulierten - Aktenmaterials und auf Grund der zur Täuschung geeigneten Darstellung in der Gegenschrift der belangten Behörde zu meinen Ungusten fällte, was sich die Konzeptsbeamten der vom Wr. Stadtsenat beschlossenen Gegenschrift durch ihre ausdrückliche Antragstellung auf Abweisung gewünscht hatten, womit auf Grund des mir derzeit zur Verfügung stehenden Aktenmaterials zumindest der "Erschleichungstatbestand" gegeben ist. Der Erschleichungstatbestand muß nicht unbedingt auch ein strafrechtlich zu beurteilender Sachverhalt sein, ..."

Die weiteren Ausführungen beschäftigen sich wieder mit der Frage der Dienstbeurteilung und den angeblich damit im Zusammenhang erteilten rechtswidrigen Weisungen.

Im Rahmen von "Rechtsausführungen" legt der Antragsteller dar, daß er erst nach Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1990, also ab 10. Jänner 1991, seinen Wiederaufnahmeantrag habe stellen können. Wäre dem Verwaltungsgerichtshof der Akt der Verwaltungsrevision zur Verfügung gestanden, so hätte sich nicht nur gezeigt, daß der Referent im Pensionierungsverfahren befangen, sondern sogar "unqualifiziert" gewesen sei. Die Vorlage des Gesamtaktes "MVR 38/86" hätte ausgewiesen, daß Anhaltspunkte für ein rechtswidriges Motiv vorgelegen wären, den Antragsteller wegen seiner Remonstrationen gegen die Erstellung eines rechtswidrigen "Dienstgutachtens" und wegen seiner ein Jahr später erfolgten Meldungen an die damals noch unabhängigen Disziplinarkommissionen pensionieren zu lassen.

Mit Schreiben vom 4. März 1992 ergänzte der Antragsteller sein seinerzeitiges Vorbringen unter Vorlage eines Bescheides des Wiener Stadtsenates vom 25. Februar 1992, mit dem einer seiner Wiederaufnahmeanträge im Verwaltungsverfahren zurückgewiesen worden war. In diesem Schreiben versuchte der Antragsteller aus der Begründung einer Zurückweisungsentscheidung den Schluß zu ziehen, daß die gemeinderätliche Personalkommission und der Wiener Stadtsenat von Beamten getäuscht worden seien.

Am 15. Oktober 1991 wurde ein neuerlicher Antrag (prot. unter Zl. 91/12/0241) auf Wiederaufnahme gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VwGG eingebracht. Diesen begründete der Antragsteller im wesentlichen damit, daß er bei Akteneinsicht festgestellt habe, daß sich Beamte, die bei seiner Pensionierung mitgewirkt, in einem anderen Verfahren für befangen erklärt hätten. Die Unterlassung der Darstellung der Befangenheit, insbesondere eines namentlich genannten Referenten im Verwaltungsverfahren bzw. im verwaltungsgerichtlichen Verfahren stelle den Wiederaufnahmsgrund nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VwGG dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verbindung des Verfahrens über die Wiederaufnahmeanträge des Beschwerdeführers beschlossen und erwogen:

Gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VwGG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluß abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn das Erkenntnis oder der Beschluß durch eine gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits zur inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 45 Abs. 1 lit. a VwGG 1965 dargelegt hat, setzt die Anwendung dieser Bestimmung voraus, daß die gerichtlich strafbare Handlung im Zuge des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof und nicht etwa im Zuge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens gesetzt wurde; gleiches gilt für eine Erschleichungshandlung (vgl. Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1989, Zl. 88/09/0166 und die dort weiters genannte Rechtsprechung).

Neue Tatsachen oder Beweismittel, die sich auf den Sachverhalt beziehen, bilden daher unter Umständen einen Wiederaufnahmegrund im Verwaltungsverfahren, aber nicht im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof über eine Beschwerde gegen einen Bescheid (vgl. Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Oktober 1981, Zl. 81/09/0082).

Das Vorbringen des Antragstellers ist damit, soweit es sich auf sachverhaltsbezogene Tatsachen oder Beweismittel im Verwaltungsverfahren bezieht, von vornherein unbeachtlich und verfehlt.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht aber auch in dem auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren Bezug habenden Vorbringen des Antragstellers keinen Anhaltspunkt dafür, daß Organwalter der seinerzeit belangten Behörde im Zuge des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof eine gerichtlich strafbare Handlung oder eine Erschleichungshandlung gesetzt hätten.

Entscheidend für das dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren Zl. 89/12/0143, dessen Wiederaufnahme begehrt wird, zugrundeliegende Verwaltungsverfahren war nämlich die Frage der Dienstunfähigkeit des damaligen Beschwerdeführers, die nicht in der Summe der Einzelfakten, sondern in der auf Grund dieser Fakten erkennbaren Haltung des Antragstellers gesehen worden ist. Dem Umstand, daß der vom Antragsteller genannte Akt der Verwaltungsrevision, aus dem sich angeblich das Motiv für die Vorgangsweise der Behörde ergeben hätte, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren angeblich nicht vorgelegt worden ist, kommt bezogen auf die vorher als entscheidend bezeichnete Frage genausowenig Bedeutung zu, wie der Behauptung der Befangenheit des genannten Referenten. Einerseits kommt es für die Frage der Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzung nicht auf das angeblich gegebene "Motiv" an. Anderseits hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1990 im Zusammenhang mit der behaupteten Befangenheit ausdrücklich ausgeführt, daß sich - selbst bei Annahme einer solchen Befangenheit - kein Ansatzpunkt für sachliche Bedenken gegen den seinerzeit angefochtenen Bescheid ergeben hätten. Da den vorgebrachten Umständen im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine entscheidende Bedeutung für das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zugekommen ist, kann schon aus diesem Grunde damit keinesfalls das Erschleichen eines Erkenntnisses nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VwGG verwirklicht sein.

Die Wiederaufnahmeanträge erweisen sich mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VwGG als unbegründet; es konnte diesen Anträgen daher nicht stattgegeben werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte