VwGH 91/11/0167

VwGH91/11/016715.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Oktober 1991, Zl. 137 747/16-IV/10/91, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes, zu Recht erkannt:

Normen

VwRallg;
WehrG 1990 §36 Abs2 Z2;
ZDG 1986 §13 Abs1 Z1;
ZDG 1986 §13 Abs1 Z2;
ZDG 1986 §13 Z2;
ZDG 1986 §14 Z2;
VwRallg;
WehrG 1990 §36 Abs2 Z2;
ZDG 1986 §13 Abs1 Z1;
ZDG 1986 §13 Abs1 Z2;
ZDG 1986 §13 Z2;
ZDG 1986 §14 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 11. April 1985 war der am 20. März 1966 geborene Beschwerdeführer von der Wehrpflicht befreit worden; er ist seither zivildienstpflichtig. Über seine wiederholten Anträge wurde ihm jeweils der Antritt des ordentlichen Zivildienstes von der belangten Behörde aufgeschoben, und zwar mit Bescheid vom 27. September 1985 bis 15. August 1990, mit Bescheid vom 12. September 1990 bis 15. August 1991 und mit Bescheid vom 20. September 1991 bis 30. Juni 1992. Mit Antrag vom 14. Mai 1991, bei der belangten Behörde eingelangt am 17. Mai 1991, stellte der Beschwerdeführer den Antrag, ihn von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zu befreien. Er begründete seinen Antrag damit, daß er Gesellschafter der B-GmbH sei, eines Familienunternehmens, welches ein Künstlersekretariat betreibe und in dem außer den Eltern und dem Bruder des Beschwerdeführers nur zwei Schreibkräfte beschäftigt seien. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers umfasse die weltweite Betreuung von Künstlern und Ensembles sowie das Organisieren von Konzerten und Tourneen, jedes Familienmitglied habe seinen festen Aufgabenbereich und sei voll ausgelastet. Der Beschwerdeführer vertrete nicht nur seine Künstler weltweit, sondern müsse sie auch größtenteils auf ihren Reisen begleiten, da dies in vielen Verträgen, besonders "von japanischer Seite", ausdrücklich verlangt werde und der Manager für den ordnungsgemäßen Ablauf der Konzerte hafte. Durch seine Mitwirkung habe ein Künstler, mit dem der Beschwerdeführer einen Exklusivvertrag habe, "seit langem als erster österreichischer Pianist internationale Anerkennung" erfahren. Die persönlichen Kontakte des Beschwerdeführers seien sehr wichtig und könnten nicht durch Korrespondenz ersetzt werden. Sollte er zum Zivildienst einberufen werden, so könne diese Künstlerbetreuung niemand anderer an seiner Stelle übernehmen, da es sich um keine Sekretärinnen-Arbeit handle, sondern um eine reine Managertätigkeit und persönliche Betreuung. Nur durch seine persönlichen Kontakte und Reisen sei es möglich, für seine Künstler im In- und Ausland effektvoll zu arbeiten.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. Oktober 1991 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 14. Mai 1991 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 Zivildienstgesetz 1986, BGBl. Nr. 679, abgewiesen. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß der Beschwerdeführer seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse so einzurichten habe, daß bei Leistung des ordentlichen Zivildienstes vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden werden. Bereits anläßlich der Erhebungen im August 1990 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, daß er sein Hochschulstudium voraussichtlich im Laufe des Jahres 1991 beenden würde, bei Antritt des ordentlichen Zivildienstes im Oktober 1991 könne er bereits geplante Asien- und Europatourneen in der zweiten Hälfte des Jahres 1992 abwickeln. Der Beschwerdeführer habe seit seiner Anerkennung als Zivildienstpflichtiger die Zeiten des gewährten Aufschubes des Antrittes des ordentlichen Zivildienstes dazu benützt, in einem weiteren Berufszweig mitzuarbeiten, eine Gesellschaft m.b.H. zu gründen, an dieser einen Geschäftsanteil zu erwerben und durch den Abschluß von Verträgen Verbindlichkeiten für weitere Jahre zu schaffen. Wirtschaftliche Interessen von Familienangehörigen seien hier nicht zu berücksichtigen. Seine eigenen maßgeblichen wirtschaftlichen Interessen seien jedoch erst begründet worden, als ihm bekannt sein mußte, daß er zur Ableistung des ordentlichen Zivildienstes verpflichtet ist. Der Verstoß gegen Obliegenheiten, die sich aus dem Zusammentreffen von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen und privaten Interessen ergeben, schließe ein rücksichtswürdiges Interesse, das die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 ZDG rechtfertige, aus. Auch öffentliche Interessen, die seine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes im Sinne des § 13 Abs. 1 Z. 1 ZDG erfordern würden, seien nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn "im Sinne des § 42 VwGG" kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 13 Abs. 1 des Zivildienstgesetzes 1986 (ZDG) hat der Bundesminister für Inneres den Zivildienstpflichtigen - gleichgültig ob er bereits Zivildienst leistet oder nicht - von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes (Z. 1) von Amts wegen zu befreien, wenn und solange es Belange des Zivildienstes oder sonstige öffentliche Interessen - insbesondere gesamtwirtschaftliche, familienpolitische oder Interessen der Entwicklungshilfe - erfordern, ferner (Z. 2) auf Antrag des Zivildienstpflichtigen, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Insoweit der Beschwerdeführer erkennbar durch den Hinweis auf seine Aktivitäten im Interesse der kulturellen Bedeutung Österreichs rügt, daß er nicht (von Amts wegen) infolge Vorliegens von öffentlichen Interessen von der Zivildienstpflicht befreit worden ist, ist ihm zu entgegnen, daß ein subjektives öffentliches Recht auf amtswegige Befreiung nicht besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1992, Zl. 92/11/0104). Dementsprechend enthält der angefochtene Bescheid auch keinen konkreten Abspruch über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine solche Befreiung. Die darauf bezughabenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid, ausdrücklich als "Mitteilungen der Behörde" bezeichnet, haben bloß informativen Charakter.

In seinen Ausführungen zur Bekämpfung der Annahme der belangten Behörde, Befreiungsgründe im Sinne des § 13 Abs. 1 Z. 2 ZDG lägen nicht vor, macht der Beschwerdeführer der Sache nach geltend, er hätte besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen und damit im Zusammenhang familiäre Interessen, die seine Befreiung von der Zivildienstpflicht rechtfertigen würden. Im Rahmen seiner Tätigkeit für das Künstlersekretariat widme er sich nahezu ausschließlich dem Aufbau der Karriere junger, noch unbekannter Künstler, eine Unterbrechung dieser Betreuung sei im Interesse der Künstler ausgeschlossen, sie hätten sonst kaum eine Chance, ihre Karriere weiter auszubauen. Es bestehe auch praktisch keine Möglichkeit, den Agenten zu wechseln, da die vorhandenen Agenten völlig ausgelastet seien. Der Beschwerdeführer sei rechtlich und moralisch den Künstlern zur Betreuung verpflichtet. Nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch im Interesse der jungen Künstler widme er seine ganze Kraft seiner Tätigkeit, sodaß die Leistung des Zivildienstes für ihn, für die Künstler und auch für seine Familie schwerwiegende negative Folgen hätte.

Soweit der Beschwerdeführer auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, wie schon im Verfahren vor der belangten Behörde, die Interessen der von ihm betreuten Künstler und der Agentur hervorhebt, ist ihm zu entgegnen, daß eine Befreiung nach § 13 Abs. 1 Z. 2 ZDG nur dann verfügt werden darf, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen des Zivildienstplichtigen selbst erfordern, worauf schon die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat.

In seiner Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof zu § 13 Abs. 1 Z. 2 ZDG - in Anlehnung an die Rechtsprechung zum gleichlautenden § 36 Abs. 2 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 und dessen Vorgängerbestimmung, den § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 - ausgesprochen, besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen an der Befreiung von der Zivildienstpflicht könnten dann nicht angenommen werden, wenn der Zivildienstpflichtige seine persönlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht so eingerichtet hat, daß bei Leistung des Zivildienstes vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden werden, obwohl er damit rechnen mußte, zur Zivildienstleistung herangezogen zu werden (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 18. April 1989, Zl. 89/11/0074, und vom 30. Juni 1992, Zl. 92/11/0104, mit weiteren Judikaturhinweisen). Letzteres war beim Beschwerdeführer seit seiner Anerkennung als Zivildiener im April 1985 der Fall. Wenn der Beschwerdeführer von seinem Recht auf Aufschub des Antrittes der Zivildienstleistung nach § 14 Z. 2 ZDG wiederholt Gebrauch gemacht hat, so mußte er damit rechnen, daß er schließlich den ordentlichen Zivildienst zu leisten habe. Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie eine Verletzung dieser Harmonisierungspflicht des Beschwerdeführers annahm und deshalb die besondere Rücksichtswürdigkeit der wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers an seiner Befreiung verneint hat. Der Beschwerdeführer hätte während des Aufschubes darauf Bedacht nehmen müssen, daß er seine wirtschaftliche Tätigkeit so einrichtet, daß dadurch die Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung nicht vereitelt wird.

Der Beschwerdeführer hat jedoch im Gegenteil, wie sich schon auf Grund seines Vorbringens, insbesondere auch auf Grund der von ihm im Verwaltungsverfahren vorgelegten Urkunden ergibt, während der Zeit des Aufschubes des Antrittes des Grundzivildienstes durch den Aufbau einer Tätigkeit für die Künstleragentur seiner Familie Tatsachen geschaffen, aus denen er nunmehr die Unzumutbarkeit einer Unterbrechung seiner Tätigkeit im bisherigen Ausmaß abzuleiten versucht.

Wenn der Beschwerdeführer ausführt, daß es für ihn nicht voraussehbar gewesen sei, daß er in kurzer Zeit einen derart guten Kontakt zu den betreuten Künstlern herstellen würde, und weiters darzustellen sucht, daß für ihn die Zivildienstleistung einen wirtschaftlichen Rückschlag mit sich brächte, ist ihm zu entgegnen, daß dies noch nicht die besondere Rücksichtswürdigkeit seiner geltend gemachten Interessen bewirkt. Mit einem derartigen Rückschlag haben alle Zivildienst- und Wehrpflichtigen zu rechnen, die bereits vor Erbringung der jeweiligen in Rede stehenden Dienstleistung ihre berufliche Existenz zu verwirklichen begonnen haben. Schon der wiederholte Hinweis des Beschwerdeführers auf die zahlreichen jungen Künstler, die seiner Betreuung harren, weist darauf hin, daß die Behauptung des Beschwerdeführers, seine Existenz sei im Falle seiner Zivildienstleistung für die Zukunft gefährdet, verfehlt ist. Daß nach der Behauptung des Beschwerdeführers im Falle der Zivildienstleistung seine Aufbauarbeit im Familienunternehmen beeinträchtigt wäre, vermag ebenso noch nicht die besondere Rücksichtswürdigkeit seiner wirtschaftlichen und familiären Interessen zu begründen. Hieraus ergeben sich keine größeren Nachteile, als sie auch sonst in gleicher Weise von zivildienst- oder wehrpflichtigen Personen, die im Erwerbsleben tätig sind und ihre ganze Arbeitskraft dem Betrieb widmen, in Kauf genommen werden müssen. Ebenso sind von den Familienmitgliedern des Beschwerdeführers die von ihm behaupteten Beeinträchtigungen betreffend den Ruf des Familienunternehmens, woraus sich ein Hinweis auf eine Existenzgefährdung noch nicht ergibt, in Kauf zu nehmen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991 im Rahmen des gestellten Begehrens.

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