VwGH 91/11/0109

VwGH91/11/010919.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Juni 1991, Zl. MA 70-8/233/91, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §66 Abs2 litc;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;
SGG §12 Abs1 idF 1985/184 ;
SGG §12 idF 1985/184 ;
SGG §12;
KFG 1967 §66 Abs2 litc;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;
SGG §12 Abs1 idF 1985/184 ;
SGG §12 idF 1985/184 ;
SGG §12;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Juni 1991 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die ihm erteilte Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. verfügt, daß dem Beschwerdeführer eine neue Lenkerberechtigung erst nach Ablauf von zwei Jahren, gerechnet ab 17. Oktober 1989 (dem Tag der Zustellung des erstinstanzlichen Mandatsbescheides), erteilt werden darf.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung die Feststellung zugrundegelegt, daß der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26. Februar (richtig: September) 1989 gemäß § 12 Abs. 2 Suchtgiftgesetz verurteilt worden sei, weshalb davon auszugehen sei, daß der Beschwerdeführer diese strafbare Handlung begangen habe und eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 vorliege. Damit ist sie - wie auch der Beschwerdeführer nicht in Abrede stellt - im Ergebnis im Recht, auch wenn sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herausgestellt hat, daß an die Stelle des genannten Urteiles auf Grund eines Urteiles des Obersten Gerichtshofes vom 21. Dezember 1989 am 8. März 1990 ein - in der Hauptsache gleichlautendes und nunmehr rechtskräftiges - Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien getreten ist, und hat gemäß der zuletzt genannten Gesetzesstelle (in der Fassung der 12. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 375/1988) als bestimmte Tatsache im Sinne des Absatzes 1 unter anderem zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gemäß § 12 Suchtgiftgesetz 1951 in der Fassung BGBl. Nr. 184/1985 (SGG) begangen hat. Mit diesem Urteil wurde der Beschwerdeführer des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 2 SGG schuldig erkannt, weil er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift, und zwar Kokain in der Zeit zwischen Dezember 1988 und dem 31. Mai 1989 durch Verkauf von insgesamt 260 Gramm in neun Tathandlungen an eine namentlich genannte Person in einer großen Menge in Verkehr gesetzt und hiebei in der Absicht gehandelt habe, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe diese bestimmte Tatsache keiner Wertung nach § 66 Abs. 3 KFG 1967 unterzogen, ist im wesentlichen unberechtigt. Auf Grund dieser Wertung hat der Verwaltungsgerichtshof auch keine Bedenken gegen die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers, die die belangte Behörde - entgegen seiner Ansicht - erkennbar auf § 66 Abs. 1 lit. b KFG 1967 gestützt hat, woran im übrigen auch für den Beschwerdeführer kein Zweifel bestehen konnte, ging es doch nicht darum, daß der Beschwerdeführer - der unbestrittenermaßen selbst kein Suchtgift konsumiert - die Verkehrssicherheit durch einen durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gefährden wird, sondern vielmehr um die sich daraus ergebende Befürchtung, daß er sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. September 1986, Zl. 86/11/0042). Dem Beschwerdeführer ist aber darin beizupflichten, daß anhand der auch bei Festsetzung der Zeit gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 heranzuziehenden Wertungskriterien des § 66 Abs. 3 leg. cit. "mit einer vorübergehenden Entziehung der Lenkerberechtigung für 18 Monate" das Auslangen hätte gefunden werden können.

Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer eine große Menge von Suchtgift - worunter gemäß § 12 Abs. 1 zweiter Satz SGG allgemein zu verstehen ist, daß die Weitergabe einer solchen Menge geeignet wäre, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen - in Verkehr gesetzt hat, wobei entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides bereits 15 Gramm Kokain eine solche große Menge darstellt (siehe ÖJZ-LSK 1987/90 und JBl 1989, 458) und der Beschwerdeführer insgesamt 260 Gramm dieses Suchtgiftes in Verkehr gesetzt hat, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie auf die besondere Verwerflichkeit und Gefährlichkeit des strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers hingewiesen hat. Der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Umstand, daß er das Suchtgift jeweils an ein und dieselbe (drogenabhängige) Person abgegeben habe, läßt sein Verhalten zwar in einem für ihn weniger ungünstigen Licht erscheinen, als dann, wenn er Suchtgift einem größeren Personenkreis angeboten und überlassen hätte, ändert aber an der grundsätzlichen Verwerflichkeit nichts, weil das Überlassen von Suchtgift an andere Personen typischerweise - vor allem im Hinblick auf die Herstellung von Abhängigkeitsverhältnissen - als besonders sozialschädlich zu beurteilen ist (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 24. September 1986, Zl. 86/11/0042). Dazu kommt, daß die Tat gewerbsmäßig begangen worden ist, wodurch der Grad der Verwerflichkeit - ebenso wie durch den längeren Zeitraum der Begehung, nämlich von fast einem halben Jahr - erhöht worden ist. Darauf, daß der Beschwerdeführer selbst kein Rauschgift konsumiert, er für drei Kinder sorgepflichtig ist und in aufrechter Ehe lebt, die Benützung seines Pkws für ihn berufsnotwendig ist und "daher die Lenkerberechtigung auch der Erfüllung seiner Sorgepflichten dient", kann vom Sicherungszweck der verfügten Maßnahme her nicht Bedacht genommen werden. Bis zur Erlassung des Mandatsbescheides vom 10. Oktober 1989 war seit Beendigung der Straftat jedenfalls noch kein so langer Zeitraum vergangen, daß aus dem Wohlverhalten des Beschwerdeführers während dieser Zeit (in der er sich im übrigen bis 16. Juni 1989 in Haft befunden hat) auf eine relevante Änderung seiner Sinnesart geschlossen werden konnte. Eine derartige Schlußfolgerung war auf Grund dessen, daß sich der Beschwerdeführer in der Folge bis zur Erlassung des Vorstellungsbescheides vom 23. April 1991 und schließlich bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides weiterhin wohlverhalten hat, in Anbetracht des vorerst noch anhängigen gerichtlichen Strafverfahrens und des andauernden Entziehungsverfahrens für sich allein ebenfalls nicht gerechtfertigt. In Verbindung damit hat aber die belangte Behörde dem Umstand zuwenig Beachtung geschenkt, daß der Beschwerdeführer keine einschlägige Vorstrafe aufweist und auch sonst - abgesehen von einer im Jahre 1982 erfolgten Verurteilung wegen Betruges und fahrlässiger Krida, die die belangte Behörde nicht berücksichtigt hat und der im gegebenen Zusammenhang keine maßgebliche Bedeutung zukommt - bisher unbescholten war. Die von der belangten Behörde getroffene Prognose, wann der Beschwerdeführer voraussichtlich seine Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangen wird, kann daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt werden.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren (für Stempelgebühren in Höhe von S 120,--) war abzuweisen, weil die auf einen Mängelbehebungsauftrag, betreffend die Vorlage einer dritten Beschwerdeausfertigung für den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, zurückzuführende Eingabe vom 30. August 1991 entbehrlich gewesen wäre, hätte der Beschwerdeführer von vornherein die Bestimmung des § 29 VwGG beachtet.

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