VwGH 91/10/0247

VwGH91/10/024715.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der FP-GesmbH in B, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 18. Oktober 1991, Zl. 6-54/1 Go 10/5-1991, betreffend Versagung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

NatSchG NÖ 1977 §2 Abs1;
NatSchG NÖ 1977 §6;
NatSchG Stmk 1976 §2 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §6 Abs3;
NatSchG Stmk 1976 §6 Abs6;
NatSchG Stmk 1976 §6 Abs7;
VwRallg;
NatSchG NÖ 1977 §2 Abs1;
NatSchG NÖ 1977 §6;
NatSchG Stmk 1976 §2 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §6 Abs3;
NatSchG Stmk 1976 §6 Abs6;
NatSchG Stmk 1976 §6 Abs7;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin richtete mit Eingabe vom 13. März 1991 an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung das Ersuchen um Bewilligung einer Schottertrockenbaggerung auf dem Grundstück Nr. nn1 der KG F. Das Grundstück sei zum Teil Wiese, zum Teil Wald (Kahlschlag). Nach Beendigung des Abbaues würde wiederum Humus aufgebracht "und das ganze Grundstück, Wiese und Wald, wieder aufgeforstet" werden. Die Schotterentnahme sei für die Zeit vom 1. Dezember 1991 bis 31. März 1992 vorgesehen und sie würde mittels Lader bzw. Bagger erfolgen, also ohne Sortierung auf dem Grundstück.

Die belangte Behörde holte das Gutachten eines Sachverständigen ihrer Fachstelle für Naturschutz ein. Das Gutachten vom 28. März 1991 lautet:

"Das Areal liegt südöstlich der Ortschaft F im Gemeindegebiet von X, knapp an der Gemeindegrenze zu H. Die Aufschließung zum Trockenbaggerungsareal stellt sich in der Natur als 2 1/2 m breiter Fahrweg im Bereich ausgedehnter Auwaldflächen dar. Innerhalb dieser hochstämmigen Auwaldbereiche der trockenen Au wurde vor ca. 10 Jahren eine großflächige Schlägerung inmitten des Waldkomplexes durchgeführt. Diese Schlägerung besteht heute zu einem kleinen Bereich aus Wiesenfläche und zum überwiegenden Bereich aus natürlich aufgekommmenem Niederwald, bestehend aus Weiden, Buchen; eine effektive Aufforstung erfolgte auf dieser mehrere ha. umfassenden Schlägerungsfläche nicht.

Da das ggstl. Areal im Landschaftsschutzgebiet liegt und der großräumige Landschaftscharakter aus ausgedehnten Auwaldkomplexen besteht und auch das beantragte Schotterabbauareal als Waldfläche größtenteils in Erscheinung tritt, würde durch den geplanten Abbau von Schottermaterial

  1. 1.) die natürliche Geländeformation in diesem Gebiet verändert werden,
  2. 2.) da der derzeitige Aufschließungsweg nur für forstliche und nicht für Nutzungen des Schotterabbaues Verwendung findet, müßte eine wesentlich breitere und besser befestige Fahrstraße zu diesem Areal geführt werden. Aus forstwirtschaftlicher Sicht wäre dies mit der derzeitigen Aufschließung jedoch nicht notwendig, sodaß auch durch die notwendige Aufschließung eine Beeinträchtigung des Landschaftscharakters eintreten würde.
  3. 3.) Würde die geplante Anlage als erstmaliger Anriß einer derartigen, bisher nicht existenten Nutzung ebenfalls in den Landschaftscharakter erstmalig eingreifen."

Die belangte Behörde holte weiters zur Frage, ob der geplante Schotterabbau mit dem in Ausarbeitung befindlichen teilregionalen Entwicklungskonzept für den Bezirk Radkersburg (Schotterabbaukonzept) vereinbar sei, eine Stellungnahme ihrer Fachabteilung Ib (Landes-, Regional- und Ortsplanung) ein.

Deren Stellungnahme vom 1. August 1991 lautet:

"Für den südlichen Teil des Bezirkes R wird von der ho. Fachabteilung ein teilregionales Entwicklungsprogramm mit dem Schwerpunkt auf Sand- und Kiesabbau erstellt. Das o.a. Grundstück liegt in diesem Bereich, der durch das Entwicklungsprogramm betrachtet wird. Aufgrund nachfolgender Ausscheidungskriterien kann das ggst. Grundstück nicht als Vorrangzone ausgewiesen werden, und eine Rohstoffgewinnung würde den Zielen des teilregionalen Entwicklungsprogrammes widersprechen.

1. Ausscheidung nach geologischen Kriterien:

1.1. Ausscheidung nach Überdeckung der Schottermassen: es verbleiben die Gebiete der Niederterrassen und der Austufe.

1.2. Ausscheidung der Gebiete mit geringer Grundwassermächtigkeit, da durch Naßbaggerungen zu geringe Gewässertiefen (weniger als 3 m) hervorgerufen werden.

1.3. Bedingte Ausscheidung der Auzone wegen lehmiger Deckschichten (Aulehme, Ausande).

  1. 2. Ausscheidung der Baulandgebiete inklusive Aufschließungsgebiete sowie der Waldgebiete
  2. 3. Ausscheidung der Brunnenschutzgebiete bzw. der potentiellen Brunnenschutzgebiete (Untersuchung Zetinigg, Fabiani)
  3. 4. Ausscheidung der bestehenden und geplanten engeren Wasserschongebiete
  4. 5. Ausscheidung der ausgezeichneten landwirtschaftlichen Böden
  5. 6. Ausscheidung der Gebiete, die eine geringere Distanz als 500 m zu den nächsten ausgewiesenen Siedlungsgebieten haben (Reines Wohngebiet und Allgemeines Wohngebiet).

    Es kann daher seitens der ho. Fachabteilung einer Schotter-Trockenbaggerung auf dem Grundstück Nr. nn1, KG. F, nicht zugestimmt werden."

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. Oktober 1991 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 6 Abs. 3 lit. a und Abs. 7 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976 - NSchG 1976, LGBl. Nr. 65, abgewiesen. In der Begründung gab die belangte Behörde das naturschutzfachliche Gutachten zur Gänze, die Stellungnahme der Fachabteilung Ib auszugsweise wieder. Nach Zitierung des § 6 Abs. 3 lit. a und Abs. 7 NSchG 1976 führte die Behörde aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß die geplante Schottergewinnung eine das Landschaftsbild störende Änderung darstellen würde. Das betroffene Areal liege in einem Landschaftsschutzgebiet. Der Schotterabbau würde die natürliche Geländeformation in diesem Gebiet verändern, durch die Verbreiterung des derzeitigen forstlichen Aufschließungsweges würde eine Beeinträchtigung des Landschaftscharakters eintreten. Die Anlage würde "als erstmaliger Anriß einer derartigen, bisher nicht existenten Nutzung ebenfalls in den Landschaftscharakter erstmalig eingreifen".

Die beabsichtigte Schottergewinnung widerspreche den Zielen des teilregionalen Entwicklungsprogrammes. Die Beschwerdeführerin habe besondere wirtschaftliche oder besondere regionalwirtschaftliche Interessen im Sinne des § 6 Abs. 7 NSchG 1976 nicht glaubhaft gemacht. Daran könnten die im Antrag angeführten Umstände nichts ändern. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei andernfalls zur Deckung ihres Schotterbedarfes gezwungen, mit über 350 PS-starken Lastwagen bis nach Kärnten oder Jugoslawien zu fahren, könne keine derartigen Interessen dartun; dabei handle es sich ausschließlich um "rein privatwirtschaftliche" Interessen. Somit lägen die Voraussetzungen für eine Bewilligung gemäß § 6 Abs. 7 NSchG 1976 nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin bestreitet, daß durch den auf vier Monate beschränkten Schotterabbau und die damit verbundene Niveauveränderung um ca. 4 m angesichts der schon derzeit bestehenden unterschiedlichen Höhenlagen und der vorgesehenen Wiederbegrünung sowie Wiederaufforstung überhaupt eine nachhaltige Auswirkung im Sinne des § 2 Abs. 1 NSchG 1976 eintreten werde. Die Behörde habe auch zu Unrecht das Bestehen eines besonderen volkswirtschaftlichen bzw. regionalwirtschaftlichen Interesses an der geplanten Schotterentnahme verneint. Begehrt wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 NSchG 1976 ist bei allen Vorhaben, durch die nachhaltige Auswirkungen auf Natur und Landschaft zu erwarten sind, zur Vermeidung von die Natur schädigenden, das Landschaftsbild verunstaltenden oder den Naturgenuß störenden Änderungen (lit. a) auf die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichtes der Natur, (lit. b) auf die Erhaltung und Gestaltung der Landschaft in ihrer Eigenart (Landschaftscharakter) sowie in ihrer Erholungswirkung (Wohlfahrtsfunktion) Bedacht zu nehmen und (lit. c) für die Behebung von entstehenden Schäden Vorsorge zu treffen.

Nach § 6 Abs. 3 NSchG 1976 sind in Landschaftsschutzgebieten alle Handlungen zu unterlassen, die den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 widersprechen; außerdem ist nach der lit. a für Bodenentnahmen (Steinbrüche, Lehm-, Sand-, Schotter- und Torfgewinnungsanlagen, Abbau von Lagerstätten u. dgl.) oder die Ausweitung bestehender Gewinnungsstätten die Bewilligung der nach Abs. 4 zuständigen Behörde (dies ist für Vorhaben nach der lit. a die Landesregierung) einzuholen.

Gemäß § 6 Abs. 6 NSchG 1976 ist eine Bewilligung gemäß Abs. 3 zu erteilen, wenn die Ausführung des Vorhabens keine Auswirkungen im Sinne des § 2 Abs. 1 zur Folge hat.

Nach § 6 Abs. 7 kann eine Bewilligung gemäß Abs. 3 erteilt werden, wenn die vorstehenden Auswirkungen zwar zu erwarten sind, jedoch besondere volkswirtschaftliche oder besondere regionalwirtschaftliche Interessen die des Landschaftsschutzes überwiegen. Bei der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, ob der angestrebte Zweck auf eine technisch und wirtschaftlich vertretbare andere Weise erreicht werden kann und dadurch die im § 2 Abs. 1 erwähnten Interessen in geringerem Umfang beeinträchtigt würden. Zur Vermeidung von Auswirkungen nach § 2 Abs. 1 können im Bewilligungsbescheid Auflagen erteilt werden.

Aus § 6 Abs. 6 NSchG 1976 ergibt sich, daß bei Fehlen von Auswirkungen im Sinne des § 2 Abs. 1 leg. cit. dem Antragsteller ein Rechtsanspruch darauf eingeräumt ist, daß dem von ihm der Behörde unterbreiteten Projekt die naturschutzbehördliche Bewilligung erteilt wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Oktober 1985, Zl. 85/10/0026).

"Auswirkungen im Sinne des § 2 Abs. 1" sind die in dieser Gesetzesstelle umschriebenen "nachhaltigen" Auswirkungen auf Natur und Landschaft, auf deren Vermeidung das Gesetz abstellt (vgl. dazu auch § 3 Abs. 1). Daher stehen bloß kurzfristige, vorübergehende Auswirkungen der Bewilligung eines Vorhabens nach § 6 Abs. 6 NSchG 1976 nicht entgegen. Aus dem Zusammenhang mit § 6 Abs. 7 letzter Satz NSchG 1976 ist ferner abzuleiten, daß Auswirkungen eines Vorhabens, die durch Auflagen im Sinne dieser Gesetzesstelle vermieden werden können, einer Bewilligung nicht entgegenstehen. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Bewilligung unter Vorschreibung der in Betracht kommenden Auflagen zu erteilen.

Die belangte Behörde hat den geplanten Schotterabbau als eine "das Landschaftsbild störende Änderung" bzw. als "Beeinträchtigung des Landschaftscharakters" gewertet und demnach offenbar den Versagungsgrund der "Verunstaltung des Landschaftsbildes" im Sinne des § 2 Abs. 1 NSchG 1976 als gegeben erachtet. Ließe das Vorhaben der Beschwerdeführerin tatsächlich eine nachhaltige Verunstaltung des Landschaftsbildes erwarten, so käme jedenfalls eine Bewilligung nach § 6 Abs. 6 leg. cit. nicht in Betracht.

Für eine solche rechtliche Beurteilung bieten aber die derzeit vorliegenden Ermittlungsergebnisse keine hinreichende Grundlage. Der angefochtene Bescheid stützt sich insoweit ausschließlich auf das Gutachten des Sachverständigen der Fachstelle für Naturschutz vom 28. März 1991. Dieses Gutachten erschöpft sich im wesentlichen in der Behauptung, daß die dort angeführten nachteiligen Auswirkungen zu erwarten seien. Es enthält aber keine konkreten Ausführungen darüber, ob und inwiefern das derzeitige Landschaftsbild unter Berücksichtigung des besonderen Charakters der Landschaft nach Beendigung der Schotterentnahme und Durchführung der hier in Betracht kommenden Auflagen im Sinne des § 6 Abs. 7 letzter Satz NSchG 1976 (wie etwa Begrünung und Wiederaufforstung) eine bleibende ("nachhaltige") Änderung erfahren wird. Erst auf Grund solcher Ausführungen ließe sich beurteilen, ob als Folge der verhältnismäßig kurze Zeit beanspruchenden Schotterentnahme überhaupt eine Verunstaltung des bestehenden Landschaftsbildes (oder allenfalls eine sonstige nachhaltige Auswirkung im Sinne des § 2 Abs. 1 NSchG 1976) zu erwarten ist und ob gegebenenfalls eine solche Auswirkung durch Auflagen im Sinne des § 6 Abs. 7 letzter Satz leg. cit. vermieden werden kann.

Aber selbst wenn feststünde, daß nachhaltige Auswirkungen auf Natur und Landschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 NSchG 1976 zu erwarten sind, könnte eine Interessenabwägung nach § 6 Abs. 7 leg. cit. die angestrebte Bewilligung als zulässig erscheinen lassen. Die vorliegenden Ermittlungsergebnisse bieten allerdings keine ausreichende Grundlage für eine solche Interessenabwägung. Die Stellungnahme der Fachabteilung Ib vom 1. August 1991 befaßt sich mit der Frage der Vereinbarkeit der geplanten Schotterentnahme mit dem in Ausarbeitung befindlichen teilregionalen Entwicklungsprogramm, enthält aber keine Ausführungen darüber, ob der gegebene Schotterbedarf durch die bestehenden Schottergruben derzeit und in nächster Zeit ausreichend gedeckt werden kann. Solcher Ausführungen hätte es insbesondere im Hinblick auf die Behauptung der Beschwerdeführerin bedurft, sie sei zur Deckung des laufenden Bedarfes in ihrem schotterverarbeitenden Betrieb gezwungen, Fahrten nach Kärnten bzw. Jugoslawien zu unternehmen. Daß die ausreichende Deckung des Schotterbedarfes einer Region ein besonderes regionalwirtschaftliches Interesse im Sinne des § 6 Abs. 7 NSchG 1976 darstellt, liegt auf der Hand und braucht daher nicht näher dargetan zu werden.

Im Hinblick auf die aufgezeigte Ergänzungsbedürftigkeit des maßgebenden Sachverhaltes in wesentlichen Punkten ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet. Er ist aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen eingegangen werden muß.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß der pauschalierte Schriftsatzaufwand bereits die darauf entfallende Umsatzsteuer enthält und die Vorlage zweier Ausfertigungen der Beschwerde sowie einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung genügte, weshalb nur die darauf entfallenden Stempelgebühren zu ersetzen sind.

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