VwGH 91/06/0034

VwGH91/06/003426.11.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der A in G, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. Jänner 1991, Zl. 03-12 Ta 31-91/1, betreffend Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Baustrafsache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung vom 1. August 1990 verhängte der Magistrat der Stadt Graz über die Beschwerdeführerin wegen Übertretung der Steiermärkischen Bauordnung eine Geldstrafe von S 3.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen. Nach Ausweis der Akten wurde diese Strafverfügung der Beschwerdeführerin am 5. September 1990 durch Hinterlegung zugestellt. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit Mahnung vom 20. September 1990, der Beschwerdeführerin zugestellt am 24. September 1990, erinnerte der Magistrat der Stadt Graz die Beschwerdeführerin an die obzitierte Strafverfügung und die daraus begründete Verpflichtung zur Leistung der Geldstrafe.

Hierauf stellte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 11. Oktober 1990 gemäß "§§ 73 und 57 Abs. 1 lit. c Steiermärkische Bauordnung" einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden mit einem Einspruch gegen die Strafverfügung. Zum Wiedereinsetzungsantrag führte sie im wesentlichen aus:

"Die hinterlegte Strafverfügung wurde von mir am 6. September 1990 beim Postamt W abgeholt, und tags darauf an Herrn Ing. H, per Adresse S-GesmbH., X-Gasse in G, der auch eine diesbezügliche Vollmacht meinerseits besaß, zur Erhebung des Einspruches übergeben. Da ich nicht damit rechnen konnte, daß Ing. H, der sehr verläßlich ist, die Erhebung des Einspruches unterlassen hat, hielt ich die am 24. September 1990 übernommene Mahnung für gegenstandslos. Aufgrund einer gleichartigen Mahnung an meine Schwester, welche diese am 11. Oktober 1990 anläßlich einer Familienzusammenkunft bei meinen Eltern erhielt, wurde ich stutzig und beauftragte den Einschreiter RA Dr. M durch Akteneinsicht den tatsächlichen Stand festzustellen.

Warum mir Herr Ing. H die falsche Auskunft gab, daß die Mahnung gegenstandslos sei, da er den Einspruch eingebracht hätte, konnte ich nicht wissen, verweise aber nunmehr auf die eidesstattliche Erklärung, wonach er das Schriftstück verlegt und somit übersehen hat, fristgerecht den Einspruch zu erheben..."

Eine derartige eidesstattliche Erklärung ist nicht aktenkundig.

Diesen Antrag lehnte der Magistrat der Stadt Graz mit Bescheid vom 28. November 1990 ab, der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. Jänner 1991 keine Folge gegeben und begründend ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe im gesamten Verfahren in keiner Weise dargetan, daß der Bevollmächtigte der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Sorgfaltspflicht nachgekommen sei; selbst wenn die Strafverfügung durch "nicht nachvollziehbare Umstände" in Verlust geraten sei, hätte der Verlust für die Wahrung der Rechtsmittelfrist keine Folgen gehabt, wäre sogleich nach Übernahme der Strafverfügung durch den Bevollmächtigten in einem Vormerkkalender das Ende der Rechtsmittelfrist eingetragen worden, für dessen Beachtung bzw. richtige Festsetzung der Bevollmächtigte selbst verantwortlich sei. Unterlaufe ihm hiebei ein Versehen, so treffe ihn persönlich ein Verschulden. Daß ihm die Strafverfügung nicht zugekommen sei, sei nicht behauptet worden, da er ja ansonsten von der Existenz der in Verstoß geratenen Verfügung keine Kenntnis gehabt hätte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß dem zufolge § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Im Gegenstand ist unbestritten, daß die Strafverfügung vom 1. August 1990 der Beschwerdeführerin am 5. September 1990 durch Hinterlegung zugestellt worden und daher die zweiwöchige Einspruchsfrist am 19. September 1990 ohne rechtzeitige Erhebung eines Einspruchs abgelaufen und daher in der Folge der Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Auch geht aus dem Wiedereinsetzungsantrag eindeutig hervor, daß die Beschwerdeführerin einen Dritten bevollmächtigte, gegen die Strafverfügung Einspruch zu erheben. Die Ausführung in der Beschwerde, wonach dieser Dritte nicht Bevollmächtigter sondern bloß Bote gewesen sei, welcher die Strafverfügung erst einem Rechtsanwalt zwecks Erhebung eines Einspruchs überbringen sollte, findet daher nicht nur im Akt keine Deckung, sondern ist eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 VwGG).

Im Verfahren hat die Beschwerdeführerin behauptet, daß ihr Vertreter "das Schriftstück verlegt und somit übersehen hat, fristgerecht den Einspruch zu erheben".

Da ein Verschulden des Vertreters einem Verschulden des Vertretenen gleichzusetzen ist (vgl. die bei Ringhofer, VerwaltungsverfahrensgesetzeI 1987 bei E 31 zu § 71 AVG zitierte Judikatur), ist im vorliegenden Fall die Untätigkeit des Vertreters der Beschwerdeführerin zuzurechnen. Die in der Person eines bevollmächtigten Vertreters - von einem solchen ist aufgrund des Wiedereinsetzungsantrages auszugehen - eingetretenen Tatumstände bilden für die vertretene Partei nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund, wenn sich diese Umstände für den Vertreter selbst als ein unverschuldetes und entweder unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellen (vgl. die bei Ringhofer a.a.O bei E 38 zu § 71 AVG zitierte Judikatur). Das nicht näher ausgeführte "Verlegen" - offenbar auch ohne sofortigen Fristvormerk - eines amtlichen Schriftstückes, gegen das - fristgebunden - Einspruch zu erheben ist, stellt aber kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar. Es läßt vielmehr auf einen gravierenden organisatorischen Mangel in der Gebarung des bevollmächtigten Vertreters schließen. Die belangte Behörde ist daher nicht rechtswidrig vorgegangen, wenn sie der gegen die Entscheidung erster Instanz erhobenen Berufung keine Folge gegeben und die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt hat.

Da sich die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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