VwGH 91/01/0211

VwGH91/01/021118.3.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Dorner, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Oktober 1991, Zl. 4.287.262/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnA;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnA;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, reiste am 22. Oktober 1989 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 28.11.1989 gab er im wesentlichen folgendes an:

Er habe nach Absolvierung der Grundschule und des Gymnasiums (mit Matura) in den Jahren 1975 bis 1977 die Fachschule für Topographie und in den Jahren 1978 bis 1983 das Institut für Bauwesen, Straßen-Brückenbau, besucht. Als Diplomingenieur für Straßenbau habe er anschließend in den Jahren 1983 bis 1989 bei Unternehmen für hydrotechnische Bauten gearbeitet. Er sei weder Mitglied der "UTC" noch der Kommunistischen Partei gewesen und gehöre keiner Minderheit an. Zum Religionsbekenntnis des Beschwerdeführers ist in der Rubrik "Nationale" der Niederschrift vermerkt: "orth.".

Im Jahr 1978 sei ein Freund des Beschwerdeführers geflohen. Deswegen habe man den Beschwerdeführer verhört und ihm vorgeworfen, dies nicht verhindert zu haben. Er sei deshalb zwei Tage im Militärarrest gewesen.

1983 sei sein Vater verstorben, der immer regimekritisch eingestellt gewesen sei. Nach dem Begräbnis sei es zu Diskussionen gekommen und seien kritische Meinungen über das Regime laut geworden. Daraufhin sei beim Beschwerdeführer eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden. Man habe Bibeln gefunden. Der Beschwerdeführer sei fünf Tage im Arrest gewesen und geschlagen worden. Er habe auch eine Kopfverletzung erlitten, von der noch eine Narbe erkennbar sei.

1986 sei das Haus (das der Beschwerdeführer mit "unser Haus" bezeichnete) in Bukarest abgerissen worden. Als Ersatz dafür habe die Familie nur eine Zwei-Zimmer-Wohnung erhalten, später auch diese Wohnung verloren und dann Miete bezahlen müssen. Wegen dieser Ungerechtigkeit habe sich der Beschwerdeführer an Zeitungen, die Stadtverwaltung und auch an das "ZK" gewandt. Er sei jedoch überall abgewiesen worden. Er habe deshalb das Vertrauen in die Politik und die Verwaltung verloren und sei auch nie wählen gegangen, weil es keine Alternative gegeben habe. Zu den kirchlichen Feiertagen sei er immer zu Dienstreisen eingeteilt worden. Wegen dieser Umstände habe er sich entschlossen, aus Rumänien zu flüchten, weil dort ein freies Leben nicht möglich gewesen sei. Um eine legale Ausreise habe er nicht mehr angesucht, weil diese sicher abgelehnt worden wäre.

Mit Bescheid vom 25. Juni 1990 stellte daraufhin die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Bundesgesetzes vom 7. März 1968 BGBl. Nr. 126 über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen (AsylG) im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974 und daher auch gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.

Dagegen berief der Beschwerdeführer mit folgender Begründung:

Er befürchte, bei seiner eventuellen Rückkehr nach Rumänien von der ehemaligen Securitate (jetzt sogenannte "Bergarbeiter") weiterhin verfolgt zu werden. Seine ehemalige Wohnung, in der jetzt seine Mutter wohne, sei von diesen Bergarbeitern besetzt worden, um eine nahegelegene Industrieanlage zu beobachten. Seiner Mutter sei gesagt worden, daß er im Falle seiner Rückkehr mit politischer Verfolgung und Gefängnis zu rechnen hätte. Bei der Wahl vom 20. Mai 1990 habe seine Mutter gesehen, daß neben seinem Namen, der noch auf der Wahlliste geführt gewesen sei, angezeichnet gewesen sei, daß er bereits gewählt hätte.

Die Gründe für seine Flucht habe er bereits in der Niederschrift vom 29.11.1989 dargestellt. Daraus sei ersichtlich, daß der Beschwerdeführer sowohl politischen als auch religiösen Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei. Er sei in seiner Freiheit und an seinem Leben mehrmals bedroht gewesen. Zweimal sei er ohne Begründung im Gefängnis und dort körperlichen Verletzungen (Narbe) ausgesetzt gewesen. Sicherlich habe sich in Rumänien vieles geändert, nachdem Ceausescu getötet worden sei, allerdings möchte er festhalten, daß sehr wenige daran glaubten, daß sie jetzt wirklich frei seien. Iliescu sei einer von der alten Regierung und seien die Wahlen so manipuliert worden, daß doch die Kommunisten an der Macht geblieben seien. Es mache keinen Unterschied, ob sie sich Kommunisten nennten oder unter einem anderen Namen das Land beherrschten.

Wörtlich führte der Beschwerdeführer in seiner Berufung noch aus:

"Wir werden in Rumänien noch mehr gehaßt werden, weil wir unser Land verraten hätten und nicht mit den mutigen Arbeitskollegen gegen Ceausescu gekämpft hätten. Sie werden uns vorwerfen, nur deswegen im Ausland geblieben zu sein, um ein besseres Leben zu haben und jetzt, wo sie alles gemacht haben, seien wir zurückgekommen um auch etwas von dem Kuchen zu haben.

Aber keiner erinnert sich, daß wir es waren, die von ihnen selbst verfolgt worden sind und daß wir vor ihnen geflohen sind. Nicht Ceausescu hat uns beschimpft und uns den Lohn gekürzt, weil wir angeblich nicht produktiv waren, sondern der Chef und die Arbeitskollegen. Nicht Ceausescu hat uns bespitzelt und uns an die Miliz verraten, sondern die "freundlichen Nachbarn".

Ich bitte Sie nun einzusehen, daß ich aus Angst nicht nach Rumänien zurückkehren möchte, und stelle den Antrag, den obigen Bescheid dahin abzuändern, daß ich als Flüchtling anerkannt werde. Ich möche hier in Österreich bleiben und endlich leben und arbeiten zu können ohne zu wissen, daß mich die Nachbarn und die Arbeitskollegen wegen meiner Gesinnung verfolgen ..."

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des AsylG sei.

In der Begründung dazu vertrat die belangte Behörde die Auffassung, der Beschwerdeführer habe im gesamten Verwaltungsverfahren keine Umstände glaubhaft gemacht, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß er sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befinde und nicht gewillt sei, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen. Die Furcht vor Verfolgung müsse sich auf Umstände beziehen, die im zeitlichen Naheverhältnis zur Ausreise aus dem Heimatland liegen, weshalb das Vorbringen des Beschwerdeführers aus den Jahren 1978, 1983 und 1986 nicht zur Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft führen könne. Er habe im gesamten Verfahren nicht glaubhaft machen können, daß er einer religiösen oder ethnischen Minderheit angehöre. Er habe sogar ausdrücklich angegeben, sich zu keiner Minderheit in seinem Heimatland zu zählen. Daher könne alleine die Behauptung, zu kirchlichen Feiertagen immer zu Dienstreisen eingeteilt worden zu sein, nicht als Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention angesehen werden.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er würde im Falle seiner Rückkehr nach Rumänien große Probleme haben, hielt die belangte Behörde fest, daß sich auch in diesem Zusammenhang keine Gründe für eine wohlbegründete Furcht vor drohender Verfolgung ergäben. Die schlechte wirtschaftliche Situation, die den Beschwerdeführer zur Ausreise veranlaßt habe, sei nicht geeignet, seine Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Konvention zu rechtfertigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf ein gesetzmäßiges Verfahren, insbesondere auf Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 AsylG BGBl. Nr. 126/1968 in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974 ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. I Abschnitt A der Flüchtlingskonvention BGBl. Nr. 55/1955 erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. I C oder F dieser Konvention vorliegt.

Daß in bezug auf die Person des Beschwerdeführers die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z. 1 der Flüchtlingskonvention erfüllt seien, hat weder der Beschwerdeführer behauptet, noch sind im Zuge des Verfahrens Tatsachen hervorgekommen, die in eine solche Richtung wiesen. Da die belangte Behörde auch nicht Ausschließungsgründe nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Flüchtlingskonvention im angefochtenen Bescheid festgestellt hat, hatte der Verwaltungsgerichtshof nur zu prüfen, ob sich die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers aus Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Flüchtlingskonvention ableiten läßt. Damit eine Person als Flüchtling im Sinne der genannten Bestimmungen angesehen werden kann, ist unter anderem Voraussetzung, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Kern des Beschwerdevorbringens ist der Vorwurf, die belangte Behörde habe die Angaben des Beschwerdeführers in seiner Berufung nicht beachtet und in diesem Zusammenhang keine Feststellungen im angefochtenen Bescheid getroffen. Die belangte Behörde habe insofern ihre Begründungspflicht verletzt.

Der Beschwerde ist zwar zuzugeben, daß der angefochtene Bescheid nur sehr knappe Begründungselemente enthält und den ermittelten Sachverhalt lediglich bruchstückhaft wiedergibt. Dennoch kann der Beschwerde aber kein Erfolg beschieden sein, weil die belangte Behörde immerhin zu erkennen gegeben hat, daß sie ihrer Entscheidung die Angaben des Beschwerdeführers sowohl bei seiner Erstbefragung als auch in seiner Berufung zugrunde gelegt und ausgehend davon nicht gefunden hat, daß der Beschwerdeführer Umstände glaubhaft gemacht habe, sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus Konventionsgründen außerhalb seiner Heimat zu befinden.

Der belangten Behörde kann in diesem Zusammenhang nicht entgegengetreten werden, wenn sie die vom Beschwerdeführer behaupteten Vorfälle aus den Jahren 1978, 1983 und 1986 nicht als Fluchtgründe wertete, weil nach ständiger hg. Judikatur Umstände, die schon längere Zeit vor der Ausreise zurückliegen, nicht mehr beachtlich sind; die wohlbegründete Furcht muß vielmehr bis zur Ausreise andauern (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 29.11.1989, Zl. 89/01/0320). Der gegen die belangte Behörde in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf der Willkür entbehrt somit jeglicher Grundlage.

Was die Behauptung des Beschwerdeführers anlangt, er sei Verfolgungen (Schikanen) wegen seiner religiösen Überzeugung ausgesetzt gewesen, indem man ihn an kirchlichen Feiertagen auf Dienstreisen geschickt habe, ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer weder bei seiner Erstbefragung noch in seiner Berufung (die ausdrücklich betont, daß er seine Fluchtgründe schon im Zuge der Niederschrift vom 29.11.1989 dargelegt habe) ein besonderes religiöses Engagement behauptet hat und daß davon abgesehen allein der Umstand, daß jemand an einem religiösen Feiertag auf eine Dienstreise geschickt wird, noch keine Maßnahme darstellt, die aus objektiver Sicht einen weiteren Verbleib des davon Betroffenen in seiner Heimat unerträglich erscheinen ließe (vgl. dazu das bereits oben zitierte hg. Erkenntnis vom 29.11.1989, Zl. 89/01/0320). Auch diesbezüglich hat die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht die Auffassung vertreten, daß keine Verfolgung aus Konventionsgründen vorliege.

Insoweit der Beschwerdeführer damit argumentiert, daß er und seine Angehörigen in Rumänien wegen seiner Flucht Repressalien ausgesetzt seien, ist er darauf zu verweisen, daß nach ständiger hg. Judikatur die Furcht eines Asylwerbers vor Maßnahmen seines Heimatstaates wegen seiner illegalen Ausreise keinen Anerkennungsgrund darstellen (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 19.3.1986, Slg. NF 12.082/A). Abgesehen davon hat der Beschwerdeführer auch in seinem Berufungsvorbringen die von ihm allgemein artikulierte Furcht vor einer Rückkehr nach Rumänien nicht mit konkreten Umständen, die die Gefahr einer Verfolgung seiner Person aus Konventionsgründen erkennen ließen, begründet; woran auch der Umstand, daß sein Name allenfalls tatsächlich für eine Wahlfälschung mißbraucht worden wäre, nichts ändern könnte.

Im übrigen stellt der Beschwerdeführer erstmals in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde folgende Behauptungen auf: Er sei seit September 1990 monatlich von anonymen Anrufern aufgefordert worden, sofort nach Rumänien zurückzukehren, wenn ihm am Leben seiner Angehörigen gelegen sei; seine Familie in Rumänien werde ständig belästigt, indem ohne Grund und Erklärungen monatlich Hausdurchsuchungen durchgeführt würden; bei den Repressalien, denen seine Angehörigen ausgesetzt seien, sei zu bedenken, daß er in einer "vitalen Sparte (Atomindustrie)" tätig gewesen sei. Darauf kann wegen des gemäß § 41 Abs. 1 VwGG bestehenden Neuerungsverbotes nicht eingegangen werden.

Insgesamt erweist sich sohin der angefochtene Bescheid als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten, sodaß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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