VwGH 90/19/0507

VwGH90/19/050727.4.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des C in der Türkei, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 27. August 1990, Zl. III 67-6/90, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs3;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2;
FrPolG 1954 §3 Abs3;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid (und zwar mit seinem Spruchpunkt 1) der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 27. August 1990 wurde über den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 6 und Abs. 3 sowie § 4 Fremdenpolizeigesetz ein bis zum 8. August 1994 befristetes Aufenthaltverbot erlassen. Begründend führte die belangte Behörde aus, sie schließe sich den Ausführungen der erstinstanzlichen Behörde im wesentlichen an, insbesondere den Ausführungen über die Vorgangsweise, wie der Beschwerdeführer zu einem Sichtvermerk habe gelangen wollen und weshalb die Erlassung des Aufenthaltsverbotes geboten sei. Die vom Beschwerdeführer gerügten Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens seien nicht wesentlich. Daß der Beschwerdeführer gegen das Paß- und Meldegesetz verstoßen habe, stehe auf Grund der rechtskräftigen Bestrafung fest. Der von der erstinstanzlichen Behörde herangezogene Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 7 Fremdenpolizeigesetz sei nicht als erfüllt anzusehen, weil davon ausgegangen werden müsse, daß der Beschwerdeführer von seinen in Innsbruck aufhältigen Verwandten unterstützt worden wäre, wenn er wirtschaftlich in Not geraten wäre. Da seine Gattin und seine Kinder in der Türkei seien und nur Verwandte seiner Ehegattin in Österreich lebten, sei der durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes bewirkte Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers nicht schwerwiegend. Im Hinblick auf die Kürze des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich und seine mangelnden Sprachkenntnisse sei das Ausmaß einer Integration in Österreich nur gering.

2. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die im Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides enthaltene Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Verhängung der Schubhaft wird von der Beschwerde nicht bekämpft.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

II.

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2 und 6 und Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz lauten wie folgt:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

2. im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen oder mehrmals wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes oder des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 zu verschaffen.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

  1. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
  2. 3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

    2. Die belangte Behörde ist mit Recht davon ausgegangen, daß die Bestrafungen wegen der Übertretungen nach dem Paßgesetz 1969 und dem Meldegesetz 1972 rechtskräftig seien. Das Berufungserkenntnis der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 13. August 1990, Zl. St 59-1/90, wurde dem Beschwerdeführer (zu Handen seines Vertreters) nämlich am 30. August 1990 zugestellt, sodaß im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (durch seine Zustellung am 5. September 1990) vom Vorliegen rechtskräftiger Bestrafungen ausgegangen werden mußte. Nach dem Berufungserkenntnis vom 13. August 1990 wurde der Beschwerdeführer wegen insgesamt drei Übertretungen bestraft, und zwar 1. wegen der Übertretung nach § 23 Abs. 1 in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Paßgesetz 1969, weil er am 28. Juli 1989 zum Zwecke der Arbeitsaufnahme ohne gültigen österreichischen Sichtvermerk nach Österreich eingereist sei, 2. wegen der Übertretung nach § 22 Abs. 1 in Verbindung mit § 40 Abs. 2 Paßgesetz 1969, weil er sich vom 28. Juli 1989 bis zu seiner Festnahme am 2. August 1989 im Bundesgebiet aufgehalten habe, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokumentes gewesen zu sein, und 3. wegen der Übertretung des § 16 Z. 1 in Verbindung mit den §§ 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Meldegesetz 1972, weil er am 28. Juli 1989 in einer näher bezeichneten Wohnung in Innsbruck Unterkunft genommen habe und sich nicht binnen drei Tagen bei der Meldebehörde angemeldet habe.

    Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 2 zweiter Fall Fremdenpolizeigesetz erfüllt, wenn in bezug auf die dort genannten vier Gesetze insgesamt mindestens drei rechtskräftige Bestrafungen eines Fremden vorliegen (vgl. unter anderem das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1991, Zl. 91/19/0035, mit weiterem Judikaturhinweis). Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer wegen insgesamt drei derartiger Übertretungen rechtskräftig bestraft wurde, ist die Annahme gerechtfertigt, daß sein (weiterer) Aufenthalt im Bundesgebiet den in § 3 Abs. 1 leg. cit. genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/19/0015, mit weiterem Judikaturhinweis).

2.2. Bei dieser Sach- und Rechtslage ist es im Ergebnis ohne Bedeutung, daß die belangte Behörde zu Unrecht angenommen hat, daß der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 Fremdenpolizeigesetz erfüllt sei. Es gibt keinerlei Ermittlungsergebnisse dafür, daß der Beschwerdeführer vor oder bei der Einreise nach Österreich unrichtige Angaben im Sinne dieser Gesetzesstelle gemacht hat. Er hat auch nicht die Erteilung eines Sichtvermerkes beantragt und in diesem Zusammenhang unrichtige Angaben gemacht. Soweit nach den Feststellungen der belangten Behörde unrichtige Angaben gemacht wurden, beziehen sich diese auf das Verfahren betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und auf das Strafverfahren. Sie dienten somit nicht unmittelbar der Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, sondern sollten dartun, daß der Beschwerdeführer ohne Sichtvermerk habe einreisen dürfen, weil er nicht von vornherein die Absicht gehabt habe, in Österreich eine Beschäftigung aufzunehmen.

3. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die belangte Behörde bei der gemäß § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz vorzunehmenden Interessenabwägung rechtswidrig gehandelt hätte. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die familiäre Bindung an seine in Österreich lebenden Angehörigen ins Treffen führt, ist ihm zu erwidern, daß die daraus abgeleiteten privaten Interessen nicht entscheidend ins Gewicht fallen, zumal die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers weiterhin in der Türkei leben und es sich bei den in Österreich lebenden Angehörigen, nach den insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde, ausschließlich um Verwandte der Ehefrau des Beschwerdeführers handelt.

4. Die in der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel beziehen sich ausschließlich auf das erstinstanzliche Verfahren. Verfahrensmängel sind aber bei der Überprüfung eines im Instanzenzug ergangenen Bescheides für den Verwaltungsgerichtshof nur dann beachtlich, wenn sie im letztinstanzlichen Verfahren unterlaufen sind (siehe die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 592, zitierte Rechtsprechung).

5. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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