VwGH 90/17/0188

VwGH90/17/018816.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des J Z und der L Z, beide in W, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. März 1990, Zl. R/1-V-8773/1, betreffend Aufschließungsbeitrag und Nichterteilung einer Stundung hinsichtlich dieser Abgabe (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Groß-Schweinbarth), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1976 §14;
BauO NÖ 1976 §14;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als dieser Bescheid einen Aufschließungsbeitrag betrifft. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Bundesland Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 22. Juli 1986 wurde den Beschwerdeführern hinsichtlich der in dieser Gemeinde gelegenen Parzelle nn1 (Baufläche von 580 m2) ein Aufschließungsbeitrag gemäß § 14 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200 idgF, in Höhe von S 65.834,72 zur Zahlung vorgeschrieben.

Die gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 10. September 1986, ausgefertigt vom Bürgermeister am Tag darauf, als unbegründet abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit Beschluß vom 21. November 1986, Zl. 86/17/0171, wegen Nichterschöpfung des Instanzenzuges zurückgewiesen. Eine Vorstellung gegen diesen Bescheid wurde nach der Aktenlage nicht erhoben.

Ein von den Beschwerdeführern in der Folge gestelltes Ansuchen auf Nachsicht des festgesetzten Aufschließungsbeitrages wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 24. April 1987 "abgelehnt". Der gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellung wurde von der belangten Behörde im wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, daß zum Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld nicht der dem Bescheid vom 22. Juli 1986 zu Grunde gelegte Einheitssatz von S 2.700,--, sondern ein Einheitssatz von nur S 1.550,-- gegolten habe; der mit Vorstellung bekämpfte Bescheid wurde aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde zurückverwiesen.

Anstatt - unter Bindung an die tragende Begründung des aufhebenden Vorstellungsbescheides - über das nunmehr wiederum offene Nachsichtsansuchen der Beschwerdeführer zu entscheiden, beschloß der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde in seiner Sitzung vom 25. April 1988 "die Aufhebung des Abgabenbescheides vom 22. Juli 1986" und die Erlassung eines neuen Aufschließungsbeitragsbescheides unter Zugrundelegung des Einheitssatzes von S 1.550,--. Dies wurde den Beschwerdeführern in dem hinsichtlich seiner Rechtsnatur als Bescheid umstrittenen Schreibens des Bürgermeisters vom 3. Mai 1988 zur Kenntnis gebracht.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 3. Mai 1988 wurde den Beschwerdeführern ein Aufschließungsbeitrag für die schon erwähnte Grundparzelle, und zwar nunmehr in der Höhe von S 37.224,--, zur Zahlung vorgeschrieben. Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit Berufungsentscheidung des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 14. April 1989 als unbegründet abgewiesen.

Ein mittlerweile von den Beschwerdeführern gestelltes Stundungsansuchen war zunächst mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 20. Juni 1988 abgewiesen worden. Die gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit einem weiteren Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 14. April 1989 als unbegründet abgewiesen.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen

Bescheid wurde die gegen die beiden Bescheide vom 14. April 1989 von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung abgewiesen. Dies hinsichtlich des Aufschließungsbeitrages im wesentlichen mit der Begründung, das vorhin erwähnte Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 3. Mai 1988 sei als Bescheid des Gemeinderates, mit welchem der Bescheid vom 22. Juli 1986 behoben worden sei, zu verstehen. Im Hinblick darauf verstoße die neuerliche und nunmehr von einem in der Vorstellungsentscheidung vom 12. Februar 1988 genannten Einheitssatz ausgehende Festsetzung eines Aufschließungsbeitrages nicht "gegen das Prinzip der Einmaligkeit des Aufschließungsbeitrages". Die von den Beschwerdeführern geforderte Anrechnung einer Gegenleistung könne "nur auf zivilrechtlicher Basis" erfolgen, zumal der Tatbestand des § 14 Abs. 5 NÖ BauO nicht erfüllt sei. Hinsichtlich der Stundungsangelegenheit heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides, daß nach § 36 Z. 3 der NÖ Gemeindeordnung 1973 der Gemeindevorstand - also weder der Gemeinderat noch der Bürgermeister - über die Gewährung von Zahlungserleichterungen für Abgabenschuldigkeiten in erster Instanz zu entscheiden habe. Die Abweisung des Stundungsansuchens der Beschwerdeführer durch Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 20. Juni 1988 sei somit durch eine unzuständige Behörde erfolgt. Nach § 60 Abs. 1 der NÖ Gemeindeordnung 1973 entscheide der Gemeinderat jedoch in letzter Instanz, sodaß dagegen nur mehr eine Vorstellung und anschließend eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof zulässig sei. Der Gemeinderat hätte daher die gegen seine Entscheidung erhobene Berufung als unzulässig zurückweisen müssen. Dadurch, daß er die Berufung AB- anstatt ZURÜCKgewiesen habe, seien die Beschwerdeführer jedoch nicht in subjektiven Rechten verletzt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachten sich die Beschwerdeführer in dem Recht auf richtige Festsetzung des Aufschließungsbeitrages und in dem Recht auf Gewährung einer Abgabenstundung verletzt. Zum ersten Punkt führt die Beschwerde im wesentlichen aus, dem Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 3. Mai 1988 komme kein Bescheidcharakter zu; es fehle an der unabdingbaren Voraussetzung der ausdrücklichen Bezeichnung als "Bescheid" sowie an einer Begründung und Rechtsmittelbelehrung. Käme diesem Schreiben aber normativer Charakter zu, so stamme der Bescheid von einer unzuständigen Behörde, weil "Intimierungsbescheide" nicht zulässig seien. Auch seien die Eigenleistungen der Beschwerdeführer anläßlich der Abgabenfestsetzung zu Unrecht nicht angerechnet worden. Überhaupt sei das Recht zur Festsetzung des Aufschließungsbeitrages in Höhe von S 37.324,-- bereits verjährt gewesen. Auch sei über das Ansuchen der Beschwerdeführer auf Nachsicht des Aufschließungsbeitrages noch nicht entschieden worden. In der Stundungsangelegenheit ergebe sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides daraus, daß der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde zur Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführer nicht zuständig gewesen sei; richtigerweise hätte die belangte Behörde der Vorstellung der Beschwerdeführer hinsichtlich des Stundungsansuchens stattgeben müssen und nicht die Vorstellung als unbegründet abweisen dürfen.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

ZUM AUFSCHLIESZUNGSBEITRAG:

Nach der im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht der belangten Behörde stand der Festsetzung eines Aufschließungsbeitrages gegenüber den Beschwerdeführern in Höhe von S 37.324,-- ein die verwaltungsrechtliche Angelegenheit abschließender Bescheid deswegen nicht entgegen, weil der Abgabenbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 22. Juli 1986 durch den mit Schreiben des Bürgermeisters vom 3. Mai 1988 den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebrachten Beschluß des Gemeinderates vom 25. April 1988 aufgehoben worden sei.

Dieser Rechtsansicht vermag sich der Verwaltungsgerichtshof deshalb nicht anzuschließen, weil der neuerlichen Abgabenfestsetzung zwar nicht der im Gemeinderatsbeschluß vom 25. April 1988 angeführte erstinstanzliche Abgabenbescheid vom 22. Juli 1986, wohl aber die in derselben Abgabenangelegenheit ergangene Berufungsentscheidung vom 10. September 1986, in der der erstinstanzliche Bescheid aufging, im Wege stand. Daß der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufungsentscheidung vom 10. September 1986 aufgehoben hätte, ist auf Grund der ausdrücklichen Bezeichnung des intendierten Aufhebungsgegenstandes mit "Abgabenbescheid vom 22.7.1986" auszuschließen. Im übrigen hätte auch für die Aufhebung der Berufungsentscheidung eine rechtliche Grundlage gefehlt. Der Aufhebungsbescheid vom 22. Juli 1986 ist somit ins Leere gegangen. Es war daher - allerdings aus anderen Gründen als die Beschwerdeführer meinen - im Hinblick auf die bindende Berufungsentscheidung vom 10. September 1986 unzulässig, den Beschwerdeführern gegenüber neuerlich eine - wenn auch der Höhe nach geringere - Beitragsfestsetzung vorzunehmen.

Da die belangte Behörde diese Rechtsverletzung der Beschwerdeführer durch die im Instanzenzug ergangene gemeindebehördliche Beitragsfestsetzung nicht aufgegriffen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid in diesem Punkt selbst mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weswegen dieser Bescheid in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden mußte, ohne daß noch auf das hiezu erstattete weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

ZUR ABGABENSTUNDUNG:

Auch die Beschwerdeführer bestreiten nicht, daß ihr Stundungsansuchen mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 20. Juni 1989 rechtskräftig abgewiesen worden ist. Zwar handelt es sich hiebei, wie schon im angefochtenen Bescheid näher dargelegt wurde, um die Entscheidung eines unzuständigen Organs, dieser Entscheidung kommt aber, da sie nicht mittels Vorstellung erfolgreich angefochten wurde, nichtsdestoweniger Rechtswirksamkeit zu. Dadurch, daß die Berufung gegen diesen Bescheid vom Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde nicht als unzulässig ZURÜCKgewiesen, sondern als unbegründet ABgewiesen wurde, wurden Rechte der Beschwerdeführer nicht verletzt. Der angefochtene Bescheid erscheint daher in diesem Punkt nicht rechtswidrig; dies unbhängig von der von den Beschwerdeführern behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 20. Juni 1989.

Die Beschwerde mußte daher in diesem Punkt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2. Stempelgebührenersatz war nur für die zur Beschwerdeführung notwendigen Urkunden zuzuerkennen.

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