VwGH 90/14/0276

VwGH90/14/027622.9.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert sowie die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten, Berufungssenat I, vom 23. Oktober 1990, GZ 306/3 - 3/89, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1988 (mitbeteiligte Partei: A in K), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1220;
ABGB §1225;
EStG 1972 §34 Abs1;
EStG 1972 §34 Abs2;
EStG 1972 §34 Abs3;
ABGB §1220;
ABGB §1225;
EStG 1972 §34 Abs1;
EStG 1972 §34 Abs2;
EStG 1972 §34 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei beantragte in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1988 die Anerkennung eines Betrages von 150.000 S als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 Abs 1 EStG 1972, weil sie diesen ihrer Tochter, die am 28. Juni 1986 geheiratet hatte, als Heiratsgut am 4. September 1988 bar übergeben hatte. Diese Zahlung sei deshalb mehr als zwei Jahre nach der Eheschließung erfolgt, weil die Tochter das Heiratsgut erst im Juni 1988 (richtig wohl: am 12. August 1988), als sie dasselbe zur Finanzierung eines Einfamilienhauses benötigt habe, schriftlich eingemahnt hätte.

Das Finanzamt erließ einen automationsunterstützten Einkommensteuerbescheid, in welchem ein Heiratsgut als außergewöhnliche Belastung ohne nähere Begründung nicht anerkannt wurde.

Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei Berufung, in der sie unter anderem die Nachreichung einer entsprechenden Bescheidbegründung beantragte.

In der nachgeholten Bescheidbegründung führte das Finanzamt aus, es sei kein triftiger Grund vorgelegen, das Heiratsgut erst nach Verstreichen eines Zeitraumes von über zwei Jahren hinzugeben, weshalb der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen Eheschließung und Hingabe des Heiratsgutes als nicht mehr gegeben erscheine.

In der nachgeholten Berufungsbegründung vertrat die mitbeteiligte Partei die Auffassung, das Finanzamt habe mit der Nichtanerkennung des Heiratsgutes als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1972 die langjährige und gesicherte Rechtsprechung der Zivilgerichte ignoriert, wonach auch durch Unterlassung der Geltendmachung des Anspruches auf Heiratsgut während eines längeren Zeitraumes dieser nicht erlösche. Dazu komme noch, daß der Anspruch auf das Heiratsgut nach herrschender zivilrechtlicher Auffassung unverjährbar sei. Des weiteren habe der Verwaltungsgerichtshof einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Hingabe des Heiratsgutes und der Eheschließung immer nur dann gefordert, wenn die Hingabe vor der Eheschließung erfolgt sei, somit vor Entstehen der zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtung. Bei der Hingabe des Heiratsgutes nach erfolgter Eheschließung habe der Verwaltungsgerichtshof jedoch in ständiger Rechtsprechung einen anderen Standpunkt vertreten.

Über Vorhalt der belangten Behörde gab die mitbeteiligte Partei bekannt, das Heiratsgut sei aus dem laufenden Einkommen finanziert worden. Der Betrag von 150.000 S sei von der Tochter zur Bezahlung einer Rechnung betreffend deren Einfamilienhaus verwendet worden.

Nach durchgeführter mündlicher Verhandlung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid dem Antrag der mitbeteiligten Partei statt und erkannte unter Berücksichtigung der zumutbaren Mehrbelastung einen Betrag von 85.873 S als außergewöhnliche Belastung an. Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, in der Einforderung des Heiratsgutes im August 1988 sowie in der Bezahlung einer Rechnung betreffend das Einfamilienhaus seien triftige Gründe für die verspätete Hingabe des Heiratsgutes zu erblicken.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die mitbeteiligte Partei beantragt in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde möge als unbegründet kostenpflichtig abgewiesen werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine "Sachverhaltsdarstellung".

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einen gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vom Gerichtshof wurde in ähnlich gelagerten Fällen, die jeweils im Bereich der Änderung der Rechtslage durch Aufhebung des § 34 Abs 2 zweiter Satz EStG 1972 in der Fassung BGBl Nr 587/1983 durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1987, G 52/87, VfSlg 11.368/1987, angesiedelt waren, bereits ausgesprochen, daß das Merkmal der Zwangsläufigkeit im Sinne des § 34 Abs 3 leg cit nicht nur dem Grunde und der Höhe nach gegeben sein müsse, sondern der Aufwand auch nicht willkürlich in ein anderes Kalenderjahr verlagert werden dürfe als in jenes, in dem die Zahlung zu leisten gewesen wäre. Nach den §§ 1220 ff ABGB wird das Heiratsgut im Zeitpunkt der Eheschließung der Tochter fällig. Ob die Tochter das Geld in diesem Zeitpunkt dringend zur Deckung eines bestimmten Aufwandes benötigt oder nicht, ist unmaßgeblich. Die Zahlung in einem späteren Kalenderjahr als dem der Eheschließung kann wegen des Prinzips der Abschnittsbesteuerung nur dann als zwangsläufig im Sinne des § 34 Abs 3 EStG 1972 angesehen werden, wenn für diese spätere Zahlung triftige Gründe vorliegen (vgl das hg Erkenntnis vom 18. März 1992, 89/14/0213, und die darin zitierte Vorjudikatur).

Sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei vertreten die Auffassung, eine nach mehr als zwei Jahren nach der Eheschließung erfolgte Geltendmachung des Heiratsgutes durch die Dotationsberechtigte für eine zweckgebundene Verwendung (Errichtung eines Einfamilienhauses) desselben sei als triftiger Grund für die verspätete Hingabe des Heiratsgutes anzusehen. Von einer willkürlichen Verlagerung der Zahlung durch den Dotationspflichtigen könne nicht gesprochen werden.

Die Tatsache, daß die Tochter der mitbeteiligten Partei das Heiratsgut erst mehr als zwei Jahre nach der Eheschließung geltend gemacht hat, stellt ebenso keinen triftigen Grund für die verspätete Leistung dar (vgl das hg Erkenntnis vom 14. Jänner 1992, 89/14/0079, und die darin zitierte Vorjudikatur) wie der Umstand, daß die Tochter den Geldbetrag zur Deckung eines finanziellen Bedarfes im Zuge der Errichtung eines Einfamilienhauses benötigte. Dem Dotationspflichtigen steht nämlich eine Kontrolle der Verwendung des Heiratsgutes nicht zu. Der gesetzliche Anspruch der Tochter auf Hingabe des Heiratsgutes besteht unabhängig davon, ob dieses tatsächlich als Starthilfe verwendet wird; dem Dotationspflichtigen steht gegen den Anspruch der Einwand nicht zu, die Tochter werde das Heiratsgut nicht zur Hausstandsgründung verwenden (vgl OGH B vom 2. Juli 1980, 6 Ob 635/80, sowie das hg Erkenntnis vom 5. August 1992, 91/13/0156, 0157, und die darin zitierte Vorjudikatur).

Zu den in der Gegenschrift zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes ist noch zu bemerken, daß diese keine explizite Aussage zur Frage zeitlicher Zwangsläufigkeit und der für eine Verschiebung der Dotation notwendigen triftigen Gründe enthalten (vgl auch das hg Erkenntnis vom 18. März 1992, 89/14/0213, mwA).

Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was zur Aufhebung dieses Bescheides gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG führen mußte. Es erübrigt sich daher, auf die in der Beschwerde geltend gemachte Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften einzugehen.

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