VwGH 90/13/0293

VwGH90/13/029313.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dr. P in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 31. Oktober 1990, GZ. 6/5-1759/90-02, betreffend Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 1984 bis 1986 gemäß § 299 Abs. 2 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §23 Abs2;
BAO §28;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1;
EStG 1972 §23 Z1;
GewStG §1 Abs1;
ZivTG §5;
ZivTG §6 Abs2;
BAO §23 Abs2;
BAO §28;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1;
EStG 1972 §23 Z1;
GewStG §1 Abs1;
ZivTG §5;
ZivTG §6 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach einer in den Akten erliegenden Mitteilung der GP KG. vom 18. März 1985 an den steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers ist Gegenstand dieser Gesellschaft die Ausübung des Baumeistergewerbes, eingeschränkt auf die Bauvorbereitung, die Generalplanung und die Baubetreuung im Zusammenwirken mit Architekten, wissenschaftlichen Instituten und Sonderfachleuten, sowie interdisziplinäres Baumanagement, schließlich alle Hilfstätigkeiten, die zur Führung der genannten Unternehmenstätigkeit erforderlich sind. Die GP KG. sei daher ein "planender Baumeister" und beschäftige sich nicht mit der körperlichen Durchführung von Bauleistungen aller Art. Der Beschwerdeführer sei als freier Mitarbeiter eingesetzt; er übe insbesondere folgende Tätigkeiten aus:

In einem Berufungsverfahren betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer des Beschwerdeführers für 1983 richtete die belangte Behörde an die Ingenieurkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland ein Auskunftsersuchen, in dem der wesentliche Inhalt des genannten Schreibens vom 18. März 1985 wiedergegeben wurde.

In der Auskunft der angeführten Ingenieurkammer vom 10. Jänner 1989 wurde ausgeführt, es handle sich bei dem geschilderten Leistungsbild um eine von vielen Tätigkeiten im Rahmen der Bauorganisation, die teilweise in den Tätigkeitsbereich der Ziviltechniker fallen, wobei der "Antragsteller" angebe, er würde diese im Zusammenwirken mit Architekten, wissenschaftlichen Instituten und Sonderfachleuten durchführen. Die geschilderte Tätigkeit finde in der Gebührenordnung für Architekten kein entsprechendes Leistungsbild. Im Leistungsbild "Projektmanagement" würden Tätigkeiten umrissen, die vereinzelt von Ziviltechnikern ausgeführt werden, aber nicht mit dem vom "Antragsteller" ausgeführten Leistungsbild übereinstimmen. Eine Spezialisierung von Ziviltechnikern auf Akquisitionstätigkeit bzw. Vorarbeiten für Planungen an Ort und Stelle sei nicht bekannt.

In einer Gegenäußerung führte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers aus, die GP KG. sei eines der größten österreichischen Zivilingenieur-Büros und beschäftige in der Geschäftsführung und auf der Ebene der leitenden Mitarbeiter ausschließlich staatlich befugte Ziviltechniker. In einem angeschlossenen Schreiben vom 17. April 1989 wurde von der GP KG. ausgeführt, der Beschwerdeführer übe im Rahmen ihres Unternehmensgegenstandes die in den §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 Ziviltechnikergesetz für Architekten und Zivilingenieure für Hochbau angeführten Tätigkeiten aus. Der Beschwerdeführer sei ausschließlich für das Ausland und in Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern tätig. Er sei im Besitz der dem österreichischen Ziviltechnikergesetz analogen einschlägigen Befugnisse für das gesamte Commonwealth, die Europäische Gemeinschaft und die Schweiz. Da er nicht österreichischer Staatsbürger sei, besitze er jedoch keine österreichische Ziviltechnikerbefugnis. Er sei daher von der GP KG. mit dem Erbringen von Leistungen für das Ausland betraut, wobei im gesamten Tätigkeitsbereich selbstverständlich auch Akquisitionsaufgaben enthalten seien.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hob die belangte Behörde als Aufsichtsbehörde die an den Beschwerdeführer ergangenen Bescheide betreffend Einkommensteuer 1984, 1985 und 1986 gemäß § 299 Abs. 2 BAO wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf. In der Begründung dieses Bescheides stützte sich die belangte Behörde auf die Auskunftserteilung der Ingenieurkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland, wonach die Tätigkeit des Beschwerdeführers in der Gebührenordnung für Architekten kein entsprechendes Leistungsbild finde. Von der Ingenieurkammer sei festgestellt worden, die Tätigkeit sei nicht als solche anzusehen, wie sie tatsächlich und typisch von Ziviltechnikern ausgeübt wird.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 299 Abs. 2 BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die belangte Behörde hat die inhaltliche Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Einkommensteuerbescheide darin erblickt, daß die Abgabenbehörde erster Instanz die Tätigkeit des Beschwerdeführers dem Tatbestand des § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 unterstellt hat. Nach dieser Gesetzesstelle gehören zu den - nicht den gewerblichen Einkünften zuzurechnenden - Einkünften aus selbständiger Arbeit (vgl. auch § 1 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz) die Einkünfte aus freien Berufen und diesen ähnlichen Berufen. Zu den namentlich den freien Berufen zugeordneten Tätigkeiten gehört auch die Tätigkeit der staatlich befugten und beeideten Ziviltechniker.

Im Beschwerdefall ist ausschließlich die Frage strittig, ob die vom Beschwerdeführer in den Streitjahren ausgeübte Tätigkeit der eines Ziviltechnikers ähnlich war oder nicht. Für die Abgrenzung, ob eine Tätigkeit eine gewerbliche oder eine freiberufliche im abgabenrechtlichen Sinn ist, ist nicht entscheidend, ob die zu beurteilende Tätigkeit eine solche im Sinne der Gewerbeordnung oder anderer berufsrechtlicher Vorschriften ist oder nicht; denn sogar Tätigkeiten, durch die ein Abgabepflichtiger gegen berufsrechtliche Vorschriften verstößt, lösen die nach der Lage des Falles in Betracht kommenden abgabenrechtlichen Tatbestände aus (§ 23 Abs. 2 BAO), wobei damit noch nicht gesagt ist, daß es in derartigen Fällen, vom Gesichtspunkt der Gewinn- und Ertragsbesteuerung betrachtet, sich stets um eine gewerbliche Tätigkeit handeln muß. Ausschlaggebend ist vielmehr auf dem Boden der im Abgabenrecht anzuwendenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Inhalt einer Tätigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1981, 14/3697/80, 81/14/0013, und die dort zitierte hg. Judikatur). Dabei ist für die Frage, ob eine Tätigkeit der eines Ziviltechnikers ähnlich ist oder nicht, das Fehlen der Befugnis nach dem Ziviltechnikergesetz nicht maßgebend (vgl. z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1991, 90/13/0061).

Lehre und Rechtsprechung (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zu § 22 EStG 1972, Tz 44 und die dort angeführte hg. Judikatur) vertreten schließlich auch die Auffassung, daß, wenn ein Steuerpflichtiger, der kein technisches Büro führt, Aufträge für ein solches Büro, das selbst eine einem Ziviltechniker ähnliche Tätigkeit ausübt, übernimmt, die Tätigkeit des Steuerpflichtigen nicht bloß einem im Sinne des § 22 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 ähnlichen Beruf ähnlich, sondern selbst dem Beruf eines Ziviltechnikers unmittelbar ähnlich und demnach als freiberuflich zu werten ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. September 1989, 88/13/0108). Dies ist für den Beschwerdefall streitentscheidend:

Der Beschwerdeführer ist ein promovierter Techniker, dem allerdings im Inland keine Befugnis zur Tätigkeit als selbständiger Ziviltechniker zukommt. Er übernimmt Aufträge für eine Gesellschaft, die nach der Aktenlage ausschließlich die Tätigkeit eines Zivilingenieurs ausübt. Nach den im Abgabenverfahren abgegebenen Äußerungen dieser Gesellschaft, an deren Richtigkeit von der belangten Behörde nicht gezweifelt wurde, ist der Beschwerdeführer in Bereichen tätig, die dem Berufsbild eines Ziviltechnikers im Sinne des § 5 Ziviltechnikergesetzes, BGBl. Nr. 155/1958, entsprechen. So kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Ausarbeitung von Planungskonzepten, Gestaltung von Projekt-Finanzierungsmodellen und Wirtschaftlichkeitsstudien für ausländische Großprojekte als Tätigkeit eines Zivilingenieurs einzustufen ist. Dem steht auch die im Abgabenverfahren eingeholte Äußerung der Ingenieurkammer nicht entgegen, die die belangte Behörde ebenso wie die Äußerung der GP KG. als Beweismittel zu würdigen hatte. Auch die Ingenieurkammer hat nämlich zum Ausdruck gebracht, daß es sich bei dem Leistungsbild des Beschwerdeführers um "eine von vielen Tätigkeiten im Rahmen der Bauorganisation (handelt), die teilweise in den Tätigkeitsbereich der Ziviltechniker fallen..."

Der Zusammenfassung der Äußerung der Ingenieurkammer, wonach die Tätigkeit des Beschwerdeführers keine solche sei, wie sie im Wirtschaftsleben tatsächlich und typisch von einem Ziviltechniker (als spezialisierte Tätigkeit) ausgeübt wird, kommt deswegen keine entscheidende Bedeutung zu, weil zu beachten ist, daß die vom Beschwerdeführer ausgeübten Tätigkeiten ungeachtet ihrer Spezialisierung auf einen Teilbereich der den Ziviltechnikern eingeräumten Befugnisse im Stadium der Planung (im weitesten Sinn) erbracht werden und damit dem Kernbereich der üblichen Ziviltechnikertätigkeit zuzuordnen sind. Anders verhält es sich in Fällen, in denen eine Tätigkeit jenen Teilbereich der Tätigkeit eines Ziviltechnikers betrifft, der im Zuge der Bauausführung erbracht wird (Bauüberwachung) und damit eine Abgrenzung gegenüber dem gewerblichen Bauausführungsbereich erforderlich macht (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 87/13/0205).

Im Hinblick auf diese Überlegungen kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, daß die Tätigkeit des Beschwerdeführers als eine dem Beruf eines "staatlich befugten und beeideten Ziviltechnikers" ähnliche freiberufliche Tätigkeit zu beurteilen ist, sodaß der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Stempelgebühren konnten nur mit dem zu entrichtenden Betrag ersetzt werden.

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