VwGH 90/13/0063

VwGH90/13/006316.9.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des Dkfm. W in N, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat X, vom 17. Jänner 1990, GZ. 6/4-4123/89-02, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1984 bis 1986, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §6;
EStG 1972 §4 Abs4;
StGB §15 Abs1;
VwRallg;
ABGB §6;
EStG 1972 §4 Abs4;
StGB §15 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist beeideter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Mit Urteil des OGH vom 20. November 1985, 10 Os 211/84, wurde er schuldig erkannt, die Angeklagten R., T. und K. dadurch der Verfolgung wegen des Verbrechens der Untreue (§ 153 StGB) absichtlich zu entziehen versucht zu haben, daß er ihnen in bezug auf Geldbeträge in Höhe von S 5,250.000,-- die technische Durchführung von deren Scheinbuchung bei der H. KG als - in Wahrheit nicht geleistete - Akontozahlungen an die W. Genossenschaft vorschlug und diese Buchungen mit ihnen absprach sowie in der Folge veranlaßte. Nach dem Urteil hatte der Beschwerdeführer dadurch das Vergehen der versuchten Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs. 1 StGB begangen und wurde hiefür zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Im Gegensatz zu dem vor dem OGH bekämpften Ersturteil des Landesgerichtes E. vom 9. April 1984, 7 Vr 487/83, ging dieser Gerichtshof davon aus, daß der vom Beschwerdeführer zu verantwortende Deliktserfolg nicht eingetreten war. Von einer auch nur zeitweiligen Vereitelung der Strafverfolgung gegen R., T. und K. wegen des Verdachtes jener Untreue-Handlungen, die vom Beschwerdeführer durch seine buchhalterischen Malversationen verdeckt werden sollten, habe keine Rede sein können.

Hingegen wurde der Beschwerdeführer mit dem bereits genannten Urteil des Landesgerichtes E. vom 9. April 1984, 7 Vr 487/83, von der Anklage freigesprochen, das Verbrechen der Untreue als Beteiligter weiterer Angeklagter begangen zu haben.

Mit Erkenntnis eines Senates des Ehrengerichts- und Disziplinarausschusses der Kammer der Wirtschaftstreuhänder wurde der Beschwerdeführer schuldig gesprochen, eine Beeinträchtigung des Standesansehens nach § 47 Abs. 1 WTBO durch die in der Folge als versuchte Begünstigung qualifizierte Tathandlung begangen zu haben. Er wurde hiefür zur Strafe der strengen Verwarnung und zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt.

Nach Durchführung einer Betriebsprüfung wurden die Kosten für den Verteidiger im oben bezeichneten Strafverfahren sowie Gerichtsgebühren nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Die auf die Rechtsanwaltskosten entfallenden Vorsteuerbeträge blieben bei der Ermittlung der Umsatzsteuer unberücksichtigt.

In der Berufung gegen die nach der Betriebsprüfung ergangenen Abgabenbescheide wurde die Auffassung vertreten, daß die beiden dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Delikte in ursächlichem Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit gestanden seien. Eine Verurteilung wegen des Verbrechens der Untreue hätte zu einer "Suspendierung" als Wirtschaftstreuhänder führen müssen. Die Strafverteidigung in einem existenzvernichtenden Fall müsse als Betriebsausgabe anerkannt werden.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung von der belangten Behörde teilweise Folge gegeben. Nach Auffassung der belangten Behörde waren die beiden dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Delikte durch verschiedene selbständige Handlungen verwirklicht worden; ein innerer Zusammenhang dieser Handlungen bestehe nicht. Die Verteidigungskosten wurden damit im Ausmaß von 70 vH als auf die angeklagte Tathandlung, hinsichtlich derer der Beschwerdeführer freigesprochen worden war, entfallend als Betriebsausgaben anerkannt. Soweit die Verteidigungs- und Gerichtskosten im Zusammenhang mit dem Delikt der versuchten Begünstigung standen, wurden sie nicht als Betriebsausgaben bzw. als Vorsteuerbeträge berücksichtigt.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen

inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1972 sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Somit muß jeder geltend gemachte Aufwand dahingehend geprüft werden, ob die vom Gesetz verlangte betriebliche Veranlassung gegeben ist.

Nach Lehre und Rechtsprechung stellen die Kosten eines Strafverfahrens wie insbesondere die Strafverteidigungskosten ebenso wie Geldstrafen grundsätzlich Kosten der privaten Lebensführung dar (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zu § 4 Abs. 4 EStG 1972 allgemein, Tz 21; weiters z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juni 1984, 83/13/0050, Slg. 5904/F, und vom 5. Juni 1985, 84/13/0257). Lediglich Verteidigungskosten eines freigesprochenen Angeklagten sind nach der oben zitierten Rechtsprechung dann als durch den Betrieb veranlaßt anzusehen, wenn der Angeklagte von der ihm zur Last gelegten Tat, die unter Anlegung eines strengen Maßstabes ausschließlich aus seiner betrieblichen Tätigkeit heraus erklärbar ist und auf deren Ausübung entsprechende Auswirkungen hat, deshalb strafgerichtlich freigesprochen wird, weil nach den Feststellungen in diesem Gerichtsurteil dem Angeklagten die betreffende Straftat nicht anzulasten war, der diesbezügliche Verdacht daher zu Unrecht gegen ihn erhoben wurde.

Diesen Grundsätzen folgend hat die belangte Behörde die Kosten von Strafverteidigung und Strafprozeß insoweit nicht als Betriebsausgaben anerkannt, als sie - der Höhe nach unbestritten - auf die Verurteilung wegen des Vergehens der versuchten Begünstigung entfielen.

Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid zunächst ein, Ausgangspunkt der Rechtsprechung sei die Auffassung, daß Strafen jedenfalls immer den Bestraften persönlich treffen sollten und damit der persönlichen Lebensführung zuzurechnen seien. Aus der nach der Judikatur untrennbaren Verbindung der Geldstrafen mit den Verteidigerkosten folge, daß den Strafverteidigerkosten die Qualität einer Strafe beigemessen wird.

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß in der Rechtsprechung die Nichtabsetzbarkeit einer GELDSTRAFE unter anderem damit begründet wurde, es sei mit dem Strafzweck unvereinbar, im Wege der steuerlichen Entlastung den Pönalcharakter der Strafe zumindest teilweise unwirksam zu machen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1972, Slg. 4437/F). Würde eine Geldstrafe zum Abzug als Betriebsausgabe zugelassen, so würde sie der Täter - anders als eine an ihre Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe - nur zum Teil persönlich tragen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1980, Slg. 5489/F).

Mit dieser Begründung könnte den Verteidigungs- und sonstigen Verfahrenskosten des einer Straftat überführten Steuerpflichtigen die Abzugsfähigkeit als Betriebsausgaben in der Tat nicht versagt werden. Hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Aufwendungen ist vielmehr davon auszugehen, daß das Steuerrecht - wie jedes andere Rechtsgebiet - seine eigenen Tatbestände prägt.

Steuerrechtliche Tatbestände sind, auch wenn sie einem anderen Rechtsgebiet entnommen sind, nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelungen zu interpretieren (vgl. den Beschluß des deutschen BVerfG vom 27. Dezember 1991, 2 BvR 72/90, DStR 1992, 106). Würde die Betriebsausgabenqualifikation von Strafverteidigungskosten tatsächlich deswegen verneint werden, weil damit der Strafzweck (teilweise) vereitelt werden würde, so würde dem Abgabengesetz tatsächlich - wie dies der Beschwerdeführer zu Recht vertritt - ein über das jeweilige Strafgesetz hinausgehender Charakter einer Strafnorm beigemessen werden. So hat auch der deutsche Bundesfinanzhof in dem - vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten - Urteil vom 19. Februar 1982, VI R 31/78, BStBl 1982, S. 467, die Auffassung vertreten, die "Einheit der Rechtsordnung" rechtfertige es nicht, Strafverteidigungskosten vom Werbungskostenabzug auszuschließen. Selbst wenn es wegen dieses Grundsatzes geboten sein sollte, Geldstrafen wegen krimineller Vergehen nicht über das Steuerrecht zu mildern, hätte eine solche Auffassung jedenfalls keine Auswirkung auf Strafverteidigungskosten.

Auch wenn somit bei einer auf die Bedeutung des Steuerrechts reduzierten Betrachtungsweise der Zweck der Strafe hinsichtlich der damit in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden Folgekosten für die Beurteilung als Betriebsausgaben nicht von Bedeutung ist, ist damit für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Vielmehr ist für den Beschwerdefall wesentlich, daß bei Geldstrafen ebenso wie bei Verteidigungskosten, die durch das eigene Verhalten des Betriebsinhabers ausgelöst wurden, in der Regel davon ausgegangen werden muß, daß die Zuwiderhandlung, die zur Bestrafung führt, nicht in den Rahmen einer normalen Betriebsführung fällt und demnach nicht im Betrieb als solchen, sondern im schuldhaften Verhalten des Betriebsinhabers ihre auslösende Ursache hat. Ausnahmen von diesem Grundsatz können angenommen werden, wenn Bestrafungen erfolgen, die von dem Nachweis eines bestimmten Verschuldens des Bestraften nicht abhängig sind oder nur ein geringes Verschulden voraussetzen und sich etwa auf die Nichteinhaltung bestimmter polizeilicher Vorschriften gründen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juni 1986, 86/14/0061, und das Erkenntnis vom 3. Juli 1990, 90/14/0069, mit weiteren Hinweisen).

Aus der Sicht der Beurteilung des dem Beschwerdeführer zur Last fallenden Verschuldens meint dieser, es seien nicht die strafrechtlichen Bestimmungen, sondern jene über die Berufspflichten (eines Wirtschaftstreuhänders) heranzuziehen. Damit übersieht der Beschwerdeführer zunächst, daß es für die Frage der Abzugsfähigkeit der streitgegenständlichen Aufwendungen ohne Bedeutung ist, ob mit der Verurteilung auch die Betriebssphäre berührende Wirkungen, wie der Verlust zur Berechtigung der Berufsausübung, verbunden wären (vgl. Hofstätter-Reichel, a.a.O., Tz 21). Überdies stehen die zu beurteilenden Kosten nicht mit dem Disziplinarerkenntnis, sondern vielmehr mit dem gerichtlichen Urteil im Zusammenhang.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, sein Verschulden sei nur gering gewesen. Damit übersieht der Beschwerdeführer zunächst, daß in subjektiver Hinsicht für die von ihm gesetzte Tathandlung der Begünstigung Absicht im Sinne des § 5 Abs. 2 StGB verlangt wird (vgl. Pallin im Wiener Kommentar, Rdz 16 zu § 299). Dabei wird der Täter just deshalb tätig, damit der beabsichtigte Erfolg eintritt (vgl. Nowakowski, a.a.O., Rdz 6 zu § 5). Bei dieser schwersten Vorsatzform eines absichtlichen Handelns kann somit von einem bloß geringen Verschulden von vornherein keine Rede sein. Die Behauptung, nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes habe das Verschulden die Voraussetzungen für eine Verurteilung gerade noch erfüllt, ist aktenwidrig. Vielmehr hat der OGH in den Gründen des gegenständlichen Urteils ausgeführt, von einer Berufspflicht des Beschwerdeführers, durch eine Vielzahl von Scheinbuchungen auf einem "Luftkonto" und durch die Erstellung einer im Hinblick auf dessen Erfassung falschen Bilanz falsche Beweismittel zu produzieren, um hiedurch die Täter eines Wirtschaftsverbrechens der Strafverfolgung zu entziehen, könne naturgemäß keine Rede sein. Das festgestellte Tatverhalten widerspreche seiner Verpflichtung als Wirtschaftstreuhänder zur Gewissenhaftigkeit, also zur Ausübung seiner Berufstätigkeit nur nach gewissenhafter Erhebung des Zutreffens der von ihm zu bestätigenden Tatsachen und Umstände (§ 26 WTBO).

Auch die Behauptung, der Beschwerdeführer habe vor der Ausführung der Tat einen Rechtsanwalt befragt, ändert nichts an der Beurteilung als absichtliche Handlung durch den Obersten Gerichtshof.

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann der Beschwerdeführer auch nichts daraus gewinnen, daß mit dem Disziplinarerkenntnis nur eine - wie von ihm hervorgehoben wird - milde Strafe verhängt worden ist. Auch aus den folgenden, vom Beschwerdeführer hervorgehobenen Ausführungen in der Begründung des Disziplinarerkenntnisses kann eine Geringfügigkeit des Verschuldens des Beschwerdeführers nicht abgeleitet werden:

"Bei der buchhalterischen Darstellung dieser Transaktion im Zeitraum der "Sanierung" wäre eine offene Darstellung am Platz gewesen. Die vorgenommene Transaktion täuscht() nämlich eine gewisse Zeit lang Aktivvermögen vor, welches nicht vorhanden war. Deshalb war ein Schuldspruch zu fällen."

An die Beurteilung der strafbaren Handlung durch die Disziplinarbehörde war die belangte Behörde im übrigen aus der Sicht der Frage der Absetzbarkeit der Verteidigungskosten nicht gebunden.

Auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer nur wegen der versuchten Begünstigung schuldig erkannt wurde, ist für die Frage, ob die Verteidigungskosten als Betriebsausgaben anzuerkennen sind, nicht von Bedeutung. Das bloß versuchte Delikt ist ebenso wie das vollendete zu ahnden (vgl. § 15 Abs. 1 StGB), zumal der Beschwerdeführer die Ausführungshandlungen seines strafbaren Verhaltens bereits beendet hatte; vielmehr ist die Deliktsvollendung nur deswegen unterblieben, weil die Strafverfolgung gegen die begünstigten Haupttäter nicht, und zwar auch nicht zeitweilig vereitelt worden ist.

Die von der belangten Behörde getroffene Beurteilung steht schließlich auch nicht im Gegensatz zu der vom deutschen Bundesfinanzhof im Urteil vom 19. Februar 1982, VI R 31/88, BStBl II, S. 467, vertretenen Auffassung. Abgesehen davon, daß im Falle dieses Urteils zwei Fahrlässigkeitsdelikte in Tateinheit durch den verantwortlichen, im Angestelltenverhältnis befindlichen Techniker einer chemischen Fabrik begangen worden sind, während dem Beschwerdefall wie ausgeführt ein Absichtsdelikt zugrunde lag, hat der BFH mit dem Urteil die Abziehbarkeit von Strafverteidigungskosten bei ihrer beruflichen oder betrieblichen Veranlassung bejaht. Beruflich oder betrieblich veranlaßte Strafen können aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann vorliegen, wenn die Zuwiderhandlungen in den Rahmen einer normalen Betriebsführung fallen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juni 1986, 86/14/0061). Gerade die für die gegenständlichen Kosten ursächliche Handlung, nämlich die absichtliche Veranlassung von Scheinbuchungen im Rechenwerk der H. KG fällt aber zweifellos nicht in den Rahmen der normalen Betriebsführung einer Wirtschaftstreuhandkanzlei. Durch diese strafbare Handlung wurde jedenfalls der Kausalzusammenhang zwischen Betrieb und dem beschwerdegegenständlichen Aufwand unterbrochen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei von der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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