VwGH 90/12/0314

VwGH90/12/031420.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des Dr. X in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 2. Oktober 1990, Zl. 182.831/27-110C/90, betreffend Übergenuß, zu Recht erkannt:

Normen

GehG 1956 §13a Abs1;
VwRallg;
GehG 1956 §13a Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Assistenzarzt in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist das Institut für medizinische Chemie der Universität Wien.

Vom 1. Oktober 1983 bis 30. September 1984 und vom 1. Oktober 1984 bis 31. Dezember 1984 absolvierte der Beschwerdeführer einen "postdoktoralen" Studienaufenthalt an der Universität von Minnesota. Für diese Zeiträume wurde ihm von der belangten Behörde Karenzurlaub gewährt. Die Zeit dieses Karenzurlaubes wurde ihm für die Vorrückung in höhere Bezüge und für die Bemessung des Ruhegenusses angerechnet.

Mit Schreiben vom 23. März 1990 verständigte die Universitätsdirektion den Beschwerdeführer, daß er seit 1. Jänner 1985 fälschlicherweise Bezüge der Gehaltsstufe 6 anstatt der Gehaltsstufe 5 erhalten habe. Als Grund für diesen Irrtum wurde angegeben, daß die Wiederanweisung der Bezüge ab 1. Jänner 1985 entsprechend einem Bescheid vom 27. November 1984 erfolgt sei, in dem fälschlich vermerkt worden sei, daß dem Beschwerdeführer mit Wiederantritt des Dienstes die Bezüge der Gehaltsstufe 6 zustünden. Der rückforderbare Übergenuß betrage S 63.086,40 und werde ab dem 1. Juni 1990 von den laufenden Bezügen in Monatsraten von S 2.000,-- einbehalten werden.

In der Äußerung des Beschwerdeführers zu dieser Mitteilung brachte er im wesentlichen vor, daß es ihm zumutbarerweise nicht möglich gewesen sei, die Diskrepanz zu erkennen.

In einer "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" vom 3. Juli 1990 führte die belangte Behörde aus, daß ihm der Überbezug bei Vergleich der sonstigen Bemerkungen der beiden Karenzierungsbescheide hätte auffallen müssen.

Mit Schreiben vom 8. August 1990 wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß ihm der Bescheid vom 27. November 1984 gar nicht zugestellt worden sei, und ihm daher die Unterlassung eines Vergleiches der Bemerkungen dieses Bescheides mit jenen des Bescheides vom 8. Juli 1983 nicht vorgeworfen werden könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers vom 21. Mai 1990 fest, daß ihm für den Zeitraum von April 1987 bis März 1990 ein Bezugsübergenuß im Betrag von brutto S 63.086,40 erwachsen sei. Der Beschwerdeführer sei gemäß § 13a Abs. 1 und Abs. 3 des Gehaltsgesetzes 1956 zur Rückerstattung dieses Übergenusses verpflichtet. Dieser Betrag werde gemäß § 13a Abs. 2 leg. cit. in Monatsraten von S 2.000,-- und einer Restrate von S 1.086,40 von den laufenden Bezügen einbehalten.

Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit dies für die strittige Frage wesentlich ist - aus: Auf Grund eines Irrtums in den sonstigen Bemerkungen des Bescheides vom 27. November 1984 ("Mit Dienstantritt am 1. Jänner 1985 gebühren Ihnen daher weiterhin die Bezüge der Gehaltsstufe 6 ... mit nächster Vorrückung am 1. Jänner 1986.") seien dem Beschwerdeführer ab 1. Jänner 1985 die Bezüge einer zu hohen Gehaltsstufe angewiesen worden. Tatsächlich hätten dem Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt - unter Berücksichtigung des Art. III der 41. Gehaltsgesetz-Novelle - nur die Bezüge der Gehaltsstufe 5 zugestanden.

Unter Berücksichtigung der im § 13b Abs. 2 des Gehaltsgesetzes 1956 für die Rückforderung von Übergenüssen vorgesehenen dreijährigen Verjährungsfrist sei dem Beschwerdeführer für den genannten Zeitraum ein Übergenuß von brutto S 63.086,40 erwachsen.

Nach Darlegung der Berechnung, des bereits vorher im wesentlichen wiedergegebenen Verfahrensablaufes und des § 13a Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956 mit den von der Rechtsprechung entwickelten sogenannten Grundsatz der objektiven Erkennbarkeit (- dies aber ohne Bezeichnung einer Fundstelle -) führte die belangte Behörde weiter aus, sie vertrete die Auffassung, daß dem Beschwerdeführer, auch wenn ihm damals der Bescheid vom 27. November 1984 tatsächlich nicht zugestellt worden sei, kein guter Glaube beim Empfang der Übergenüsse zugebilligt werden könne. Es treffe wohl zu, daß die Gehaltsansätze einer kontinuierlichen Veränderung unterliegen würden, diese Entwicklung sei aber keine unübersehbare. Aus dem Vorrückungsstichtag des Beschwerdeführers ergebe sich auch eindeutig, daß ihm mit Wiederantritt seines Dienstes am 1. Jänner 1985 unter Berücksichtigung der 41. Gehaltsgesetz-Novelle nur die Bezüge der Gehaltsstufe 5 gebührt hätten. Er hätte daher jedenfalls auch ohne den zweiten Bescheid erhalten zu haben und die sonstigen Bemerkungen vergleichen zu können, an der Richtigkeit der ihm ausgezahlten Beträge zweifeln müssen. Weiters hätte ihm schon damals das Fehlen eines Bescheides über die Verlängerung seines Karenzurlaubes auffallen müssen. Im übrigen könne grundsätzlich gerade von einem Akademiker erwartet werden, sich die Ausführungen in den Bescheiden betreffend die besoldungsrechtliche Stellung genau anzusehen oder sich diese bei Unklarheiten erklären zu lassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verlangt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Beschwerdeführer hat hiezu unaufgefordert einen weiteren Schriftsatz vorgelegt und hiefür den Aufwand an Bundesstempeln geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in dem ihm gesetzlich gewährleisteten Recht gemäß § 13a Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956 wegen gutgläubigen Empfanges nicht zum Rückersatz empfangener Übergenüsse herangezogen zu werden, verletzt. Er bringt auf das wesentlichste zusammengefaßt vor, daß er auch unter objektiven Kriterien und bei Anwendung eines durchschnittlichen Sorgfaltsmaßstabes keinen Grund gehabt habe, an der Rechtmäßigkeit des an ihn ausbezahlten Betrages zu zweifeln. Es sei ihm nach seinem 15-monatigen Auslandsaufenthalt klar gewesen, daß er höhere Bezüge als vor Beginn seines Karenzurlaubes erhalten habe und es hätte auch ansonsten keinerlei objektive Kriterien gegeben, welche bei ihm einen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der ausbezahlten Bezüge begründet hätten. Ein Zweifel an der Richtigkeit der ausbezahlen Bezüge hätte somit ausschließlich dann auftreten können, wenn er sich detailliert mit der Gehaltsgesetz-Novelle, den Vorrückungsbestimmungen und Gehaltstabellen befaßt und sich bemüht hätte, den an ihn ausbezahlten Betrag anhand der Gehaltstabellen und Vorrückungsbestimmungen nachzuvollziehen. Eine derartige Vorgangsweise und ein derartiger Sorgfaltsmaßstab könne aber bei richtiger Auslegung des Gehaltsgesetzes nicht geboten sein, weil es ansonsten niemals zu einem gutgläubigen Empfang eines Übergenusses kommen könnte und somit der gesetzlichen Bestimmung jeglicher Anwendungsbereich fehlen würde. Darüber hinaus enthalte der angefochtene Bescheid keine nachvollziehbare Begründung, weil er nicht näher darlege, aus welchen konkreten Umständen die belangte Behörde das Fehlen der Gutgläubigkeit des Beschwerdeführers annehme und lediglich ausführe, daß der Beschwerdeführer jedenfalls an der Richtigkeit der ausgezahlten Beträge hätte zweifeln müssen.

Nach § 13a Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, sind zu Unrecht empfangene Leistungen (Übergenüsse), soweit sie nicht im guten Glauben empfangen worden sind, dem Bund zu ersetzen.

Rechtlich zutreffend gehen sowohl die belangte Behörde als auch - im Gegensatz zu seinem ersten Vorbringen im Verwaltungsverfahren - der Beschwerdeführer davon aus, daß es nach dem eindeutigen Wortlaut des § 13a Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956 nicht auf die Gutgläubigkeit des Verbrauches, sondern des Empfanges von Übergenüssen ankommt (vgl. das Erkenntnis vom 21. Mai 1990, Zl. 89/12/0177).

Für die Beurteilung der Frage, ob dem Empfänger eines nicht geschuldeten Betrages (eines Übergenusses), dessen Zahlung auf einen Irrtum der auszahlenden Stelle zurückgeht, Gutgläubigkeit zuzubilligen ist, hat es, wie der Verwaltungsgerichtshof seit seinem (noch zur Rechtslage vor der Einfügung des § 13a in das Gehaltsgesetz durch die 15. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 109/1966) von einem verstärkten Senat beschlossenen Erkenntnis vom 30. Juni 1965, Zl. 1278/63, Slg. Nr. 6736/A, in ständiger Rechtsprechung erkennt, nicht auf das subjektive Wissen des Leistungsempfängers, sondern auf die objektive Erkennbarkeit des Übergenusses (des Irrtumes der auszahlenden Stelle) anzukommen. Demnach ist die Gutgläubigkeit beim Empfang von Übergenüssen schon dann nicht anzunehmen, wenn der Leistungsempfänger - nicht nach seinem subjektiven Wissen, sondern objektiv beurteilt - bei Anwendung eines durchschnittlichen Maßes an Sorgfalt an der Rechtmäßigkeit der ihm ausbezahlten Leistungen auch nur hätte Zweifel haben müssen. Erfolgt die Leistung deshalb, weil die Anwendung der Norm, auf Grund derer die Leistung erfolgt, auf einem Irrtum der auszahlenden Stelle beruht, den der Leistungsempfänger weder erkennt noch beispielsweise durch Verletzung einer Meldepflicht veranlaßt hat, so ist dieser Irrtum nur dann im genannten Sinn objektiv erkennbar und damit eine Rückersatzverpflichtung zu bejahen, wenn der Irrtum in einer offensichtlich falschen Anwendung einer klaren, der Auslegung nicht bedürfenden Norm besteht; andernfalls, also bei einer zwar unrichtigen, aber nicht offensichtlich falschen Auslegung der Norm, ist die objektive Erkennbarkeit zu verneinen. (Vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. September 1991, Zl. 90/12/0278 und die dort weiters grundlegend zusammengefaßte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.)

Im Beschwerdefall steht außer Streit, daß der Übergenuß auf einem Irrtum der belangten Behörde beruht; weiters, daß dieser vom Beschwerdeführer weder veranlaßt worden ist noch tatsächlich erkannt wurde. Der Bescheid vom 27. November 1984, in dem die später als unrichtig erkannte Einstufung des Beschwerdeführers, die der Berechnung seiner Bezüge zugrunde gelegt wurde, in der Begründung dargelegt ist, war dem Beschwerdeführer nie zugestellt worden.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt hinsichtlich dieses Bescheides auch nicht die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer hätte sich um die Ausfolgung dieses Bescheides bemühen müssen, weil dies mangels Kenntnis des Beschwerdeführers von der Existenz dieses Bescheides weder den praktischen Verhältnissen entsprechend noch im Konkreten zielführend gewesen wäre. Gleiches gilt für den Vorwurf, der Beschwerdeführer habe sich nicht darum bemüht, daß ihm seine besoldungsrechtliche Situation von der Universitätsdirektion Wien erläutert werde, weil hiefür für ihn auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kein diesbezüglicher Anlaß bestanden hat.

Ausgehend davon bzw. anknüpfend daran ist vielmehr die Frage zu beantworten, ob der Beschwerdeführer bei Anwendung eines durchschnittlichen Maßes an Sorgfalt Zweifel an der Rechtmäßigkeit der an ihm AUSBEZAHLTEN LEISTUNGEN hätte haben müssen, denn nur auf Grund solcher, nach einem objektiven Maßstab zu beurteilender Zweifel, hätte den Beschwerdeführer eine weitere Nachforschungspflicht getroffen.

Diese Frage wird aber bei dem gegebenen Sachverhalt zu verneinen sein. Während der durch Karenzurlaub bedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers sind nämlich verschiedene Maßnahmen mit besoldungsrechtlichen Auswirkungen auf den Bezug des Beschwerdeführers eingetreten. Dem Beschwerdeführer war ein Nachvollzug dieser Maßnahmen weder auf Grund eines direkten Vergleiches der Gehaltszettel möglich noch hat die belangte Behörde dargelegt, daß er Zugang zu sonstigen diesbezüglich konkreten Informationen gehabt hätte. Da auch die Höhe der Übergenüsse nicht derart war, daß sie dem Beschwerdeführer schon auf Grund dessen hätte auffallen müssen, hat die belangte Behörde der Bestimmung des § 13a Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956 nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes eine unrichtige Bedeutung beigemessen. Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren für den nicht erforderlichen zusätzlichen Schriftsatz kann nicht ersetzt werden (vgl. beispielsweise Beschluß vom 20. Juni 1983, Slg. N.F. 11091/A).

Soweit in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes genant sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965 hingewiesen.

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