Normen
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufhoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 29. Jänner 1990 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 schuldig erkannt und gemäß § 366 Einleitungssatz leg. cit. zu einer Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe fünf Tage) verurteilt.
Dieses Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer nach Lage der Akten durch Hinterlegung gemäß § 17 ZustellG am
5. FEBRUAR 1990 zugestellt.
In der Folge brachte der Beschwerdeführer bei der genannten Behörde am 2. MÄRZ 1990 einen mit 28. Februar 1990 datierten Schriftsatz ein. Dem der Eingangsstampiglie angefügten handschriftlichen Vermerk ist zu entnehmen, daß das Schriftstück persönlich bei der Behörde abgegeben worden war.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 10. April 1990 wurde ein Berufungserkenntnis gefällt, worin über die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 iVm § 24 VStG 1950 entschieden wurde wie folgt:
"I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wird wie folgt abgeändert:
...
III. Gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 wird die Beitragspflicht des Berufungswerbers zu den Kosten des Berufungsverfahrens mit
S 500,-- neu bestimmt."
In der Begründung heißt es unter anderem, in der Berufung (offenbar gemeint der mit 28. Februar 1990 datierte, am 2. März 1990 bei der Bezirkshauptmannschaft Kufstein eingebrachte Schriftsatz) werde lediglich vorgebracht, daß inzwischen die Betriebsanlagengenehmigung erteilt worden sei, und daß die Strafe mit S 5.000,-- erlassen werden sollte, da im gegenteiligen Fall sämtliche umliegenden Betriebe auch bestraft werden müßten, da diese "die selbe Vorgangsweise hatten".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden.
Gemäß § 63 Abs. 5 AVG 1950 - in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990 - ist die Berufung von der Partei schriftlich oder telegrafisch binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall der bloß mündlichen Verkündung - für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides.
§ 66 Abs. 4 AVG 1950 bestimmt, daß - außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall - die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden hat.
Nach § 17 Abs. 1 ZustellG ist, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen. Gemäß § 17 Abs. 3 leg. cit. ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf der Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt.
Wie sich aus § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergibt, darf die Berufungsbehörde nur dann meritorisch entscheiden, wenn die Berufung zulässig und nicht verspätet ist. Entscheidet die Berufungsbehörde über eine unzulässige oder verspätet eingebrachte Berufung im Sinne einer Abweisung der Berufung meritorisch anstatt dieselbe als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen, so ist diese Entscheidung objektiv rechtswidrig. Die Abweisung der Berufung statt der Zurückweisung bedeutet dabei auch eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte, wenn - wie im Beschwerdefall - dem Berufungswerber die Bezahlung der Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt wird (vgl. dazu u.a. das Erkenntnis vom 19. Dezember 1985, Zl. 85/02/0125).
Wie sich aus den Akten ergibt, wurde das Straferkenntnis dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung - der ordnungsgemäß ausgefüllte Zustellnachweis befindet sich im Akt - am 5. Februar 1990 zugestellt. Die dagegen erhobene Berufung wurde erst am 3. März 1990 - also nach Ablauf der Berufungsfrist - bei der Bezirkshauptmannschaft Kufstein eingebracht. Ein Anhaltspunkt dafür, daß die Zustellung durch Hinterlegung nicht bewirkt worden wäre, ist den Akten nicht zu entnehmen. Die belangte Behörde konnte derart nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß die Berufung rechtzeitig erhoben worden sei.
Damit belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und lit. c VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.
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