VwGH 89/05/0216

VwGH89/05/021622.9.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des K in Wien, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 28. September 1989, Zl. MDR-B XIV-24/89, betreffend Anrainereinwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: H in Wien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §112 Abs2;
BauO Wr §112 Abs5;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauO Wr §79 Abs1;
BauRallg;
BauO Wr §112 Abs2;
BauO Wr §112 Abs5;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauO Wr §60 Abs1 litc;
BauO Wr §79 Abs1;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 29. April 1988 suchte die Mitbeteiligte um die Erteilung der nachträglichen Baubewilligung zur Errichtung eines Rauchfanges und eines Windfanges auf dem Grundstück Wien, X-Gasse 27, an. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Nachbargrundstückes X-Gasse 25. Bei der Bauverhandlung vom 23. November 1988 wurde festgestellt, daß in dem unter der Kleingarage der Bauwerberin bestehenden Hohlraum im Vorgarten an der Grundgrenze zur Liegenschaft des Beschwerdeführers durch Aufstellen von Mauern ein Heizraum und ein Lagerraum geschaffen wurden. Neben dem Heizraum durch die Garage führend wurde ein Rauchfang errichtet.

Der Beschwerdeführer erhob unter anderem nachstehende Einwendungen:

Die Bauwerberin habe nicht um Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen gemäß § 9 der Bauordnung für Wien (im folgenden: BO) angesucht. Der Flächenwidmungs- und der Bebauungsplan rechtfertige in der gegenwärtigen Fassung keine Bauführung im Vorgartenbereich.

Durch die Rauchgase des unzulässigen Rauchfanges könnten die Aufenthaltsräume des Beschwerdeführers nicht mehr ausreichend belüftet werden. Rauchgase drängten selbst durch die geschlossenen Fenster ein. Es fehlten wichtige Unterlagen, u. a. die Beurteilung der Auswirkung der Rauchbeeinträchtigung auf Pflanzen und Bäume auf dem Grundstück des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Baumschutzgesetz.

Die Verbauung des Vorgartens verstoße gegen § 79 BO. Der Rauchfang verletze Abstandsvorschriften. Die Bestimmung des § 114 Abs. 4 BO sei verletzt.

Das Bezirksgesundheitsamt für den 13. und 14. Bezirk erklärte in einer Stellungnahme, daß nach Einsichtnahme in die Planung zur Errichtung des Rauchfanges aus sanitätspolizeilicher Sicht keine das zumutbare Ausmaß übersteigende Rauchbelästigung oder eine Gesundheitsgefährdung zu erwarten sei.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 16. Mai 1989, wurde die nachträgliche Baubewilligung gemäß § 70 BO für den Einbau eines Heizraumes und eines Lagerraumes in das bewilligte Untergeschoß der Kleingarage im Vorgarten an der linken Grundgrenze und für die Errichtung eines Rauchfanges innerhalb dieses Nebengebäudes, dessen Ausmündung 3 m über dem Flachdach der Garage liege, erteilt. Mit demselben Bescheid wurde gemäß § 71 BO auf jederzeitigen Widerruf die nachträgliche Baubewilligung für einen vor dem Hauseingang im ersten Stock (im Straßenniveau) im Vorgarten errichteten, ca. 8,3 m2 großen Windfangvorbau erteilt. Die Bewilligungen erfolgten nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne, wobei Auflagen vorgeschrieben wurden. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden teils ab- und teils zurückgewiesen. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß die Pflanzen des Beschwerdeführers infolge Rauchbelastung durch den betreffenden Rauchfang während zweier Heizperioden erhebliche unübersehbare Rauchschäden aufwiesen, sodaß schon daraus auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu schließen sei. Der Einbau des Heizraumes und die Errichtung des Rauchfanges würden gegen die Widmung als Garage verstoßen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan sehe für die Liegenschaft der Mitbeteiligten die Widmung gemischtes Baugebiet, Bauklasse I, und die offene Bauweise vor. Auf der Liegenschaft der Mitbeteiligten bestehe ein bewilligtes Wohnhaus, das mit einer Garage und mit einem sich darunter befindlichen Heizraum an die linke Nachbargrenze (zur Liegenschaft des Beschwerdeführers) und an die Baulinie heranreichte. Aufgrund der Geländeverhältnisse befinde sich der Keller unter der Garage in der Höhenlage des Erdgeschoßes des Wohngebäudes und die Garage in der Höhenlage des erstes Stockwerkes des Gebäudes. Garage und Keller seien in das Wohngebäude eingebunden und auch von diesem aus zugänglich. Davon abgesehen könne die Garage schon deshalb nicht als Nebengebäude im Sinne des § 82 Abs. 1 BO angesehen werden, weil sie mit dem darunter liegenden Raum mehr als ein über dem anschließenden Gelände liegendes Geschoß aufweise. Die im Einreichplan vorgesehene Änderung im Erdgeschoß des Gebäudes, welches auch den Raum unter der Garage umfasse, erreiche nicht einen solchen Umfang, daß das Gebäude nach der Durchführung der Änderung als ein anderes anzusehen wäre. Es liege somit kein Umbau im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a BO, sondern, bezogen auf das Erdgeschoß, lediglich eine bauliche Abänderung des konsentierten Altbestandes gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO vor. Daher sei die Einhaltung der Bebauungsbestimmungen nicht erforderlich und der Heizraum habe ungeachtet der offenen Bauweise unmittelbar an der Grundgrenze errichtet werden dürfen. Durch diese Abänderungen würden subjektiv-öffentliche Rechte des Beschwerdeführers nicht berührt.

Der Rauchfang stelle keine Anlage dar, durch die Verbrennungsgase der Feuerstätten aus mehreren Wohn- oder Betriebseinheiten abgeleitet würden. Der Nachbar habe in einem solchen Fall nur den Anspruch auf Einhaltung der im § 114 Abs. 4 BO enthaltenen, dem Interesse des Nachbarn dienenden Abstandsvorschriften, die mit den gegebenen 15 m bei weitem übertroffen werden. Sollte sich eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen ergeben, so könne die Behörde in Anwendung des § 112 Abs. 2 BO die erforderlichen Aufträge erteilen.

Über die dagegen erhobene Beschwerde, die von der belangten Behörde unter Vorlage der Bauakten erstattete Gegenschrift und die Gegenschrift der Mitbeteiligten hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Was die zunächst aufgeworfene Frage eines Umbaues bzw. einer Abänderung betrifft, so ist davon auszugehen, daß die an der Grundstücksgrenze zum Beschwerdeführer errichtete und konsentierte Garage zufolge ihrer Hanglage ein Untergeschoß aufweist, welches sich auf gleicher Ebene mit dem Erdgeschoß des Wohnhauses der Mitbeteiligten befindet. Gegenstand der Baubewilligung vom 18. Dezember 1961 samt Änderungsbewilligung vom 19. Oktober 1962 war eine zufolge der Hanglage mit einem Untergeschoß errichtete Garage, wobei für das Untergeschoß keine besondere Widmung ersichtlich ist. Nunmehr wurde durch Aufstellen von Mauern ein Heizraum und ein Lagerraum in diesem von der Behörde als "Hohlraum" bezeichneten Raum geschaffen.

Die Beschwerdeausführungen können die Auffassung der belangten Behörde, daß damit kein Umbau im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a BO, sondern bloß eine Änderung des konsentierten Altbestandes gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO vorliege, nicht widerlegen. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist, - unabhängig davon, ob das ganze Gebäude oder nur ein Geschoß betroffen ist - daß nach Durchführung der Änderung das Gebäude als ein anderes anzusehen wäre (§ 60 Abs. 1 lit. a vorletzter und letzter Satz BO).

Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang angeführten hg. Erkenntnisse vom 11. November 1958, Zl. 2047/56, und vom 9. September 1963, Slg. N.F. Nr. 6.084/A, betreffen nur die auch für eine Veränderung gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO wesentliche Frage, ob überhaupt eine Bewilligungspflicht vorliege oder nicht. Diesen Unterschied verkennt der Beschwerdeführer offenkundig: Die Bauwerberin hat ja, wenn auch nachträglich, um Baubewilligung für diese Umgestaltung des Kellerraumes angesucht; warum durch diese Umgestaltung das Gebäude oder auch nur das Geschoß als "ein anderes" anzusehen sei, vermag er nicht darzutun. Allein der Größenvergleich der abgeänderten mit der unveränderten Geschoßfläche schließt eine solche Deutung aus. Nach Auffassung des Beschwerdeführers wäre offenbar jede Errichtung einer Feuerstätte ein "Umbau" im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a BO, also würde durch Aufstellung eines Ofens das Gebäude jeweils ein anderes werden. Für eine derartige Auffassung fehlt aber jeglicher Anhaltspunkt im Gesetz.

Vielmehr liegt eine gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO bewilligungspflichtige Änderung der Raumwidmung vor. Durch die Umgestaltung dieses bisher ungewidmeten Raumes - es würden zwei Mauern aufgezogen - werden aber subjektiv-öffentliche Rechte des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigt.

Da durch den Rauchfang die Abstandsbestimmung des § 114 Abs. 4 BO eingehalten wird, versucht der Beschwerdeführer, aus einzelnen Bestimmungen des § 112 BO subjektive Rechte für sich abzuleiten. § 112 Abs. 2 BO ordnet an, daß Feuerstätten so beschaffen sein müssen und nur so aufgestellt bzw. aufgehängt und betrieben werden dürfen, daß weder eine Brandgefahr noch eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen entsteht. Daß die errichtete Feuerstätte eine derartige Gefahr herbeiführe, hat der Beschwerdeführer nicht einmal ernsthaft behauptet.

Aus § 112 Abs. 5 BO ergibt sich, daß die Verbrennungsgase unmittelbar durch Rauchfänge so ins Freie abzuleiten sind, daß keine Gefährdung der Gesundheit von Menschen entsteht. Die Baubehörde erster Instanz hat sich mit dieser Frage auseinandergesetzt und eine Stellungnahme des Amtsarztes eingeholt, wonach durch den Rauchfang KEINE Gesundheitsgefährdung zu erwarten sei. Das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, Pflanzen wiesen unübersehbare Rauchschäden auf, scheint nicht ausreichend, um die belangte Behörde zu weiteren Erhebungen zu verhalten. Allein die Behauptung von Rauchschäden an Pflanzen läßt, zumal der Amtsarzt eine derartige Gefährung ausgeschlossen hat, noch keinen zwingenden Schluß auf eine Gesundheitsgefährdung von MENSCHEN zu. Es liegt im Wesen der freien Beweiswürdigung, daß weitere Beweisanträge nicht mehr berücksichtigt werden müssen, wenn sich die Verwaltungsbehörde aufgrund der bisher vorliegenden Beweise ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltsmomente machen konnte; wenn die Behörde den Sachverhalt für ausreichend geklärt hält, ist sie nicht mehr berechtigt, sondern verpflichtet, von weiteren Ermittlungen Abstand zu nehmen (Erkenntnis vom 20. September 1990, Zl. 86/07/0091, mit weiteren Nachweisen). Da somit eine Gesundheitsgefährdung durch das bewilligte Projekt nicht zu erwarten ist, bedurfte es keiner Untersuchung der Frage, ob trotz Einhaltung der Abstandsbestimmung des § 114 Abs. 4 BO allein aus § 112 Abs. 5 BO ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht abgeleitet werden kann.

Schließlich meint der Beschwerdeführer, allein durch die Errichtung des Rauchfanges im Vorgartenbereich sei sein Recht auf Nichtbebauung dieser Abstandsfläche verletzt. Die belangte Behörde traf aber im angefochtenen Bescheid die Feststellung, daß bei Errichtung des Rauchfanges ALLE Abstandsvorschriften eingehalten worden seien; dieser Feststellung tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen. Tatsächlich ergibt sich auch aus dem Plan (Schnitt A-B) eindeutig, daß sich der Rauchfang innerhalb des Mindestabstandes von 3 m zur Grundstücksgrenze (§ 79 Abs. 3 BO) befindet.

Was die Errichtung des Rauchfanges im Vorgartenbereich betrifft (§ 79 (1) BO), steht diesbezüglich ein Recht auf Freihaltung von jeder Verbauung dem Nachbar an der seitlichen Grundstückgrenze nicht zu (hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1969, Slg. N.F. 7615/A) Durch die Nichteinhaltung des Abstandes zum Weg ist nur der gegenüberliegende, nicht der seitliche Nachbar betroffen (Slg. N.F. 7510/A).

Da somit der Beschwerdeführer in keinem der im § 134 Abs. 3 BO genannten Rechte verletzt wurde, mußte seiner Beschwerde ein Erfolg gemäß § 42 Abs. 1 VwGG versagt bleiben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2. Allerdings ist der der Mitbeteiligten zuzuerkennende Schriftsatzaufwand durch den tatsächlich beantragten Betrag begrenzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1991, Zl. 89/06/0210).

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