VwGH 88/14/0053

VwGH88/14/005323.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Baumann, Mag. Heinzl und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat) vom 1. Februar 1988, Zl. 30.797-3/87, betreffend Feststellung von Einkünften für das Wirtschaftsjahr 1979/80, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §37 Abs2;
EStG 1972 §37 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erwarb auf Grund eines Abtretungsvertrages mit Wirkung vom 3. Jänner 1979 einen Teil einer Kommanditbeteiligung, den er durch Annahme eines Anbots am 8. Jänner 1980 wieder veräußerte. Den dabei erzielten Veräußerungsgewinn, der laut angefochtenem Bescheid unter Heranziehung des Kapitalkontos mit Stand zum 1. Jänner 1980 ermittelt wurde, hat das Finanzamt antragsgemäß der Tarifbegünstigung des § 37 Abs. 2 Z. 2 EStG 1972 unterzogen.

Anläßlich einer Buch- und Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, daß die bei der Veräußerung der Kommanditanteile realisierten Veräußerungsgewinne keine außerordentlichen Einkünfte im Sinne des § 37 EStG 1972 darstellten, weil das Merkmal der Außerordentlichkeit nur dann gegeben sei, wenn Einkünfte wirtschaftlich als Ergebnis einer mehrjährigen Tätigkeit bzw. mehrjähriger Vorgänge anzusehen seien. Da diese wesentliche Voraussetzung aber fehle, könne die im § 37 EStG 1972 normierte Tarifbegünstigung nicht angewendet werden.

Im von Amts wegen wiederaufgenommenen Verfahren folgte das Finanzamt den Feststellungen des Betriebsprüfers und versagte die Bemessung der Einkommensteuer nach dem ermäßigten Steuersatz.

Gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Feststellungsbescheid für das Wirtschaftsjahr 1979/1980 erhob der Beschwerdeführer Berufung. Darin machte er geltend, daß der Standpunkt, der begünstigte Steuersatz könne nur bei einem mehrjährigen Eigentum am Gesellschaftsanteil angewandt werden, dem klaren Wortlaut des § 37 Abs. 2 EStG 1972 widerspreche, wonach Veräußerungsgewinne im Sinne des § 24 EStG 1972 stets außerordentliche Einkünfte seien. Das vom Prüfer zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. April 1971, 1063/69, sei noch zur alten Rechtslage ergangen. Anders als in diesem Beschwerdefall habe der Beschwerdeführer seinen Anteil immerhin über ein Jahr besessen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht. Er erachtet sich in seinem Recht auf rechtsrichtige Anwendung des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 EStG 1972 auf die bei der Veräußerung der Kommanditanteile realisierten Veräußerungsgewinne (§ 24 EStG 1972) verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde stützt ihre Ansicht darauf, daß das Einkommensteuergesetz keine Definition der außerordentlichen Einkünfte enthalte, aber im § 37 Abs. 2 EStG 1972 bestimmte Arten von Einkünften taxativ anführe. Dabei erschöpften sich die Voraussetzungen für die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes nicht darin, daß es sich der Art nach um Einkünfte handle, die in der taxativen Aufzählung enthalten seien, sondern es müsse diesen Einkünften darüber hinaus in jedem konkreten Fall die vom Gesetz für die Anwendung des Steuersatzes des § 37 EStG 1972 sowohl in dessen Abs. 1 wie nochmals in dessen Abs. 2 ausdrücklich hervorgehobene Eigenschaft des "Außerordentlichen" zukommen. Die "Außerordentlichkeit" hafte demnach auch Veräußerungsgewinnen im Sinne des § 24 EStG 1972 nicht von vornherein an, sondern es sei stets in jedem konkreten Fall zu überprüfen, ob dieses Merkmal als gegeben anzunehmen sei.

Bei der Beurteilung der Frage, ob einem Veräußerungsgewinn das geforderte Merkmal der "Außerordentlichkeit" zukomme, sei vom Grundgedanken der Vorschrift des § 37 EStG 1972 auszugehen. Dieser bestehe darin, die steuerliche Belastung zu mildern, die sich bei einer Zusammenballung von Einkünften aus der Systematik des Einkommensteuergesetzes ergeben könne. Dies sei regelmäßig dann der Fall, wenn Einkünfte, die als Ergebnis mehrjähriger Vorgänge anzusehen seien, zusammengeballt in einem einzigen Jahr anfielen. Diesbezüglich habe auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. April 1971, 1063/69, ausgeführt, daß bereits die Betrachtung jener Einkünfte, die der Tarifbegünstigung teilhaftig werden können, zeige, daß es sich hier um solche Einkünfte handle, die zwar in einem Besteuerungsabschnitt zur Steuerpflicht führen, wirtschaftlich jedoch das Ergebnis mehrjähriger Vorgänge oder Tätigkeiten seien. In bezug auf die unter § 37 Abs. 2 Z. 2 EStG 1972 genannten Veräußerungsgewinne liege der Zweck der Tarifbegünstigung daher darin, Härten zu mildern bzw. zu vermeiden, die entstehen würden, wenn die in vielen Jahren entstandenen stillen Reserven, die als nicht verwirklichte Gewinne nicht ausgewiesen werden durften, in einem einzigen Jahr nach dem progressiven Einkommensteuertarif versteuert werden müßten. Nach dem Zweckgedanken des § 37 EStG 1972 komme die Tarifbegünstigung folglich auch bei Veräußerungsgewinnen nur dann in Betracht, wenn diese das Ergebnis von Vorgängen eines entsprechend langen Zeitraumes, der sich über mehrere Jahre erstrecke, seien.

Ein Zeitraum von zwölf Monaten führe aber nach Ansicht der belangten Behörde zu keiner so starken Zusammenballung von Einkünften, die eine Progressionsmilderung durch den ermäßigten Steuersatz des § 37 EStG 1972 rechtfertigen würde. Daran vermöge auch der Umstand, daß zwei Veranlagungszeiträume betroffen seien, nichts zu ändern, da der Gesetzgeber offensichtlich als maßgeblichen Zeitraum mehrere Kalenderjahre und nicht Veranlagungszeiträume ins Auge faßte, zumal im letzteren Fall bereits kürzeste Zeiträume ausreichend wären, um in den Genuß der Begünstigung zu kommen. Dies würde aber zweifelsfrei der Zweckrichtung des § 37 EStG 1972 widersprechen.

Demgegenüber bringt der Beschwerdeführer vor, daß die belangte Behörde mit ihrem Hinweis auf das Erkenntnis des Gerichtshofes vom 6. April 1971, 1063/69, sowie auf Kommentarstellen den Eindruck erwecke, sich auf eine gefestigte Rechtsprechung zu stützen. Dieser Hinweis erweise sich aber als irreführend, da von der im angefochtenen Bescheid angeführten Literatur die "Außerordentlichkeit" von Betriebsveräußerungsgewinnen ausschließlich von der Aufdeckung der stillen Reserven in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang bzw. vom zusammengeballten Zufließen dieser Einkünfte abhängig gemacht werde, nicht jedoch von einer mehrjährigen Behaltedauer. Die einzige Quelle, worauf die belangte Behröde ihre Rechtsansicht stützen könne, sei das erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Tarifbegünstigung des § 37 Abs. 2 Z. 2 EStG 1972 eine mehrjährige Behaltedauer voraussetze. Diese Aussage sei aber nicht mehr wiederholt worden und dürfte zumindest durch das Erkenntnis vom 24. Jänner 1984, 83/14/0081, 0082, überholt sein, da darin ausdrücklich ausgeführt werde, daß bei Einkünften im Sinn des § 37 Abs. 2 Z. 2 EStG 1972 die "Außerordentlichkeit" immer dann als gegeben anzusehen sei, wenn die Einkünfte ausnahmsweise und einmalig in einem bestimmten Jahr angefallen seien. Mit der Zusammenballung sei aber ausdrücklich nicht die Entstehung von stillen Reserven über mehrere Jahre, sondern der Zufluß des Gewinnes in einem Jahr gemeint, dem zufolge der Verwaltungsgerichtshof nunmehr ebenfalls die Auffassung vertrete, daß die "Außerordentlichkeit" bereits bei einem zusammengeballten Zufluß des Veräußerungsgewinnes gegeben sei. Die unterschiedliche Textierung der Z. 1 und Z. 2 des § 37 Abs. 2 EStG 1972 zeige, daß das Erfordernis der Mehrjährigkeit zwar Tatbestandsmerkmal der Z. 1, nicht aber der im Beschwerdefall maßgeblichen Z. 2 sei. Besondere Bedeutung sei dabei dem textlichen Zusammenhang beizumessen, der den Schluß zuließe, daß der Gesetzgeber dieses Tatbestandsmerkmal bewußt bloß im Anwendungsbereich der Z. 1 angesiedelt haben wollte. Auch von einer Regelungslücke könne nicht die Rede sein, da sich der Gesetzgeber, wie dies die Z. 1 klar zeige, mit dem Erfordernis der Mehrjährigkeit auseinandergesetzt und dieses in die Z. 2 bewußt nicht aufgenommen habe. Daran könne auch die Tatsache nichts ändern, daß Veräußerungsgewinne in der Regel aus in mehrjähriger Tätigkeit angesammelten stillen Reserven resultierten. Das Kriterium der "Außerordentlichkeit" sei daher ausschließlich und allein bereits durch das zusammengeballte Zufließen des Veräußerungsgewinnes erfüllt. Außerdem sei dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1984, 83/14/0081, 0082, auch insofern ein entscheidender Hinweis zu entnehmen, als dort ausgeführt werde, daß der Rechtsbegriff "Tätigkeit über mehrere Jahre" in § 37 Abs. 2 Z. 1 EStG 1972 weder mit den Einkünften nach § 37 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. noch mit dem für diesen Streitfall wesentlichen Begriff des "außerordentlichen" zu vermengen sei.

Sind im Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist gemäß § 37 Abs. 1 EStG 1972 auf Antrag die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Der ermäßigte Steuersatz beträgt die Hälfte des Prozentsatzes, der sich bei Anwendung des Einkommensteuertarifs (§ 33) auf das gesamte zu versteuernde Einkommen ergibt. Auf das übrige Einkommen ist der Einkommensteuertarif (§ 33) anzuwenden. Gemäß § 37 Abs. 2 Z. 2 EStG 1972 sind außerordentliche Einkünfte im Sinne des Abs. 1 Veräußerungsgewinne im Sinne des § 24 EStG 1972.

Die Vorschrift des § 37 EStG 1972 enthält, wie die belangte Behörde richtig bemerkt, keine Definition des Begriffes "außerordentlich", sondern zählt im Abs. 2 taxativ die außerordentlichen Einkünfte auf. Die gesetzliche Voraussetzung der "Außerordentlichkeit" erschöpft sich aber nicht darin, daß es sich der Art nach um Einkünfte handelt, die in dieser Aufzählung enthalten sind, sondern es muß diesen Einkünften darüber hinaus in jedem konkreten Fall die vom Gesetz für die Anwendung des Steuersatzes des § 37 EStG 1972 sowohl in dessen Abs. 1 wie nochmals in dessen Abs. 2 ausdrücklich hervorgehobene Eigenschaft des "Außerordentlichen" zukommen (hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1984, 83/14/0081, 0082). Die "Außerordentlichkeit" wird nicht fingiert, sondern muß als allgemeines Tatbestandsmerkmal erfüllt sein (hg. Erkenntnis vom 7. September 1990, 90/14/0188).

Zweck der Bestimmung des § 37 EStG 1972 ist nämlich eine Progressionsmilderung beim zusammengeballten Anfall von Einkünften, die sonst verteilt auf mehrere Wirtschaftsperioden zu erfassen wären (siehe auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, 90/14/0130). Zusammengeballter Anfall bedeutet aber nach der dem § 37 EStG 1972 zugrunde liegenden Zielsetzung einer ProgressionsMILDERUNG nicht nur ein zusammengeballtes Zufließen von Einkünften in einem Jahr. Es bedeutet vielmehr auch das Zusammenfallen von Einkünften mehrerer Wirtschaftsperioden, weil die nur in einem Jahr erwirtschafteten Einkünfte ohnehin nur dem Einkommensteuertarif unterliegen, wie er für das grundsätzlich aus solchen, im selben Jahr erwirtschafteten Einkünften gebildete Einkommen vorgesehen ist, und einer Progressionsmilderung nicht bedürfen. Die Z. 1 des § 37 Abs. 2 EStG 1972 erhellt diesen Grundgedanken des § 37 lediglich und ist in keinem Gegensatz zur Tarifbegünstigung für Veräußerungsgewinne zu sehen. Das "Außerordentliche" bei Einkünften aus Veräußerungsgewinnen ist nämlich ebenfalls darin zu erblicken, daß hier eine regelmäßig mehrjährige Tätigkeit beendet und die während dieser mehrjährigen Tätigkeit angesammelten stillen Reserven nunmehr wegen "zusammengeballter Versteuerung" zu einer Progressionsverschärfung führen. Außerordentliche Einkünfte liegen demnach nur dann vor, wenn die Einkünfte wirtschaftlich als das Ergebnis einer mehrjährigen Tätigkeit anzusehen sind und zusammengeballt in einem Jahr anfallen (siehe nochmals das Erkenntnis 90/14/0130).

Der belangten Behörde kann somit nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie dem in weniger als einem Jahr erzielten Wertzuwachs die Begünstigung des § 37 EStG 1972 versagte. Daran ändert es auch nichts, daß der Wertzuwachs in zwei "Veranlagungszeiträumen" erzielt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof teilt nämlich die Auffassung der belangten Behörde, daß der Gesetzgeber offensichtlich als maßgeblichen Zeitraum mehrere Kanlenderjahre und nicht "Veranlagungszeiträume" (gemeint wohl: Wirtschaftsjahre) ins Auge faßte, weil im letzteren Fall bereits kürzeste Zeiträume ausreichend wären, um in den Genuß der Steuerbegünstigung zu kommen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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