VwGH 88/12/0180

VwGH88/12/018029.7.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. September 1988, Zl. I/PB-147.6208/157, betreffend Festsetzung des Versorgungsbezuges, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §914;
ABGB §915;
DPL NÖ 1972 §84 Abs1;
DPL NÖ 1972 §84 Abs3;
DPL NÖ 1972 §84 Abs5;
VwRallg;
ABGB §914;
ABGB §915;
DPL NÖ 1972 §84 Abs1;
DPL NÖ 1972 §84 Abs3;
DPL NÖ 1972 §84 Abs5;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist die frühere erste Ehefrau des am 23. Juli 1988 verstobenen Oberregierungsrat i.R. Dkfm. Dr. E, der im Zeitpunkt seines Todes in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Land Niederösterreich stand.

Die zwischen den beiden geschlossene Ehe war mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 3. Juli 1953 geschieden worden. In dem am selben Tag vor dem genannten Gericht abgeschlossenen Vergleich hatte sich Dr. E. der Beschwerdeführerin gegenüber verpflichtet, ihr und den beiden ehelichen Kindern ab 1. Juli 1953 in einer näher bestimmten Weise Unterhalt zu leisten.

In der in Form eines Notariatsaktes zwischen Dr. E. und der Beschwerdeführerin abgeschlossenen Unterhaltsvereinbarung vom 11. März 1969 wurde - soweit es für den Beschwerdefall von Interesse ist - mit Wirkung ab 1. Jänner 1969 folgende Regelung getroffen, die nach dem ausdrücklich erklärten Willen der Vertragspartner die anläßlich der Ehescheidung getroffene Unterhaltsvereinbarung ersetzt:

"ZWEITENS:

Herr Dipl.Kfm.Dr. E verpflichtet sich, auf unbestimmte Zeit seiner ehemaligen Ehegattin von seinen jeweiligen Gehaltsbezügen (allfällige Zulagen eingeschlossen), derzeit brutto Schilling 12.036,-- (zwölftausendsechsunddreissig) 40 vH (vierzig Prozent) an Unterhaltsleistung zu erbringen; diese zahlbar mit einem zehntägigen Respiro ab Zufliessen der jeweiligen Bezüge - gerechnet einschließlich des jeweiligen dreizehnten und vierzehnten Monatsgehaltes nach Massgabe des Zufliessens dieser Beträge.

SIEBENTENS:

Herr Dkfm.Dr. E stellt ausdrücklich fest, dass unter der laut Punkt "Zweitens" gemeinten Zuwendung 40 vH (vierzig Prozent) seiner jeweils letzten Aktivitätsbezüge zu verstehen sind, dies auch dann, wenn er in den Ruhestand tritt und dass seine Verpflichtung zur Unterhaltsleistung gegenüber seinen Kindern durch die durch diesen Vertrag zugesicherte Unterhaltsleistung nicht berührt wird."

Dr. E. wurde mit Ablauf des 31. Dezember 1973 in den dauernden Ruhestand versetzt.

Am 3. August 1988 beantragte die Beschwerdeführerin unter Vorlage von Urkunden (u.a. auch des Notariatsaktes vom 11. März 1969) die Zuerkennung eines Versorgungsbezuges.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. September 1988 sprach die belangte Behörde (ohne weitere Ermittlungsverfahren) aus, der Beschwerdeführerin gebühre als früherer Ehegattin ab 1. August 1988 ein Versorgungsbezug von monatlich brutto S 6.442,08 zuzüglich der jeweiligen Sonderzahlungen. Dieser Betrag ändere sich jeweils um denselben Hundertsatz, um den sich der Gehalt der Gehaltsstufe 2 der Dienstklasse V ändere.

Nach Anführung der maßgeblichen Rechtsvorschriften der Dienstpragmatik der Landesbeamten - DPL 1972, LGBl. 2200, führte die belangte Behörde in der Begründung im wesentlichen aus, der Versorgungsanspruch der Beschwerdeführerin sei auf Grund des gerichtlichen Vergleichs vom 3. Juli 1953 gegeben. Mit Notariatsakt vom 11. März 1969 sei zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem früheren Ehegatten am 1. Jänner 1969 eine neue Unterhaltsvereinbarung getroffen worden. Nach Wiedergabe des wesentlichen Inhaltes der Punkte 2 und 7 dieses Notariatsaktes legte die belangte Behörde der Berechnung des Versorgungsbezuges der Beschwerdeführerin den Nettobezug des letzten Aktivbezuges (Grundbezug einschließlich bestimmter Zulagen) des verstorbenen Beamten vom Dezember 1973 zu Grunde. Der Versorgungsbetrag der Beschwerdeführerin betrage 40 vH dieses Nettobezugs, das seien monatlich S 6.442,08.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Unaufgefordert hat die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zur Gegenschrift abgegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 84 Abs. 1 DPL 1972, LGBl. 2200-21, gelten die Bestimmungen über den Vorsorgungsanspruch des überlebenden Ehegatten und über das Ausmaß der Versorgung des überlebenden Ehegatten - ausgenommen die Bestimmungen der §§ 86 Abs. 2 bis 4 und 88 -, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, sinngemäß für den früheren Ehegatten des verstorbenen Beamten, wenn dieser zur Zeit seines Todes auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt seines früheren Ehegatten aufzukommen oder dazu beizutragen hatte.

Nach Abs. 2 leg. cit. gebührt der Versorgungsgenuß dem früheren Ehegatten nur auf Antrag. Er fällt, wenn der Antrag binnen drei Monaten nach dem Tod des Beamten gestellt wird, mit dem auf den Sterbetag folgenden Monatsersten an. In allen übrigen Fällen gebührt der Versorgungsgenuß von dem der Einbringung des Antrages folgenden Monatsersten an; wird der Antrag an einem Monatsersten gestellt, so gebührt der Versorgungsgenuß von diesem Tag an. Hat der frühere Ehegatte gegen den verstorbenen Beamten nur einen befristeten Anspruch auf Unterhaltsleistung gehabt, so besteht der Versorgungsanspruch längstens bis zum Ablauf der Frist. Nach Abs. 3 leg. cit. darf der Versorgungsbezug - ausgenommen die Hilflosenzulage - die Unterhaltsleistung nicht übersteigen, auf der der frühere Ehegatte gegen den verstorbenen Beamten an dessen Sterbetag Anspruch gehabt hat. Gemäß Abs. 5 des § 84 DPL 1972 ist eine Erhöhung der Unterhaltsleistungen im letzten Jahr vor dem Sterbetag des Beamten nur beachtlich, wenn sie entweder in einem rechtskräftigen Urteil ausgesprochen oder schriftlich vereinbart worden ist und wenn sie ihren Grund in einer Steigerung der Leistungsfähigkeit des Beamten oder in einer Steigerung der Bedürfnisse des früheren Ehegatten gehabt hat.

Ihrem Vorbringen nach erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Zuerkennung eines in seiner Höhe der DPL 1972 entsprechenden Versorgungsbezuges als verletzt.

Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde im wesentlichen vor, von einer verfehlten Auslegung der im Beschwerdefall für die Höhe des Versorgungsbezuges maßgeblichen Unterhaltsvereinbarung in Form des Notariatsaktes vom 11. März 1969 (im folgenden Unterhaltsvereinbarung genannt) auszugehen. Maßgebend seien hiefür die Auslegungsregeln des bürgerlichen Rechtes, insbesondere die §§ 914 f ABGB. Danach sei neben dem objektiven Erklärungswert eines gebrauchten Ausdruckes auch unter Berücksichtigung des Geschäftszwecks die Parteienabsicht zu erforschen. Aus Punkt 2 der Unterhaltsvereinbarung ergebe sich, daß die Unterhaltsverpflichtung von Dr. E. auf unbestimmte Zeit, damit auch während seines Ruhestandes, und zwar im Ausmaß von 40 vH der jeweiligen "Gehaltsbezüge" bestehen sollte. Punkt 7 nehme seiner Intention nach eine Präzisierung und Klarstellung der Höhe der Unterhaltsleistung vor. Auf Grund der Verwendung der Pluralform - Punkt 7 spreche von den jeweiligen letzten Aktivitätsbezügen - sei es nicht zulässig unter Übergehung des eindeutigen Wortlautes zur Auslegung der Behörde, es sei vom letzten Aktivitätsbezug vor dem Eintritt in den Ruhestand auszugehen, zu kommen. Ausgehend vom Vertragszweck, der in der Verpflichtung von Dr. E. zur Unterhaltszahlung gegenüber der Beschwerdeführerin bestanden habe, gebe es keinen Hinweis, Punkt 7 als Einschränkung des Punktes 2 aufzufassen. Der objektive Erklärungswert der Wortfolge "jeweilige letzten Aktivitätsbezüge" sei nur dann sinnvoll berücksichtigt, wenn man annehme, es handle sich dabei um die gesetzlichen Aktivitätsbezüge eines Beamten der Gehaltsstufe und Dienstklasse des Dr. E. jeweils zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Unterhaltsansprüche der Beschwerdeführerin. Mit dieser Erklärung habe Dr. E. ausdrücklich festhalten wollen, daß im Falle seines Ruhestandes der Unterhaltsanspruch nicht auf Grundlage des Ruhegenusses, sondern anhand des jeweiligen gesetzlichen Bezuges eines aktiven Beamten seiner Gehaltsstufe und seiner Dienstklasse zu bemessen sei. Damit werde auch die Verwendung des Wortes "seiner" in dieser Wendung im Punkt 7 erklärbar. Ferner sei Punkt 7 die alleinige Erklärung von Dr. E. Sollte Punkt 7 eine Einschränkung des Punktes 2 darstellen, hätte es aus vertragsrechtlicher Sicht auch der Erklärung der Beschwerdeführerin bedurft, mit dieser Einschränkung einverstanden zu sein. Auch spreche die im Punkt 7 enthaltene weitere Erklärung (keine Einschränkung der Verpflichtung zur Unterhaltsleistung gegenüber den Kindern durch die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Beschwerdeführerin) für den begünstigenden Charakter der an sie zu erbringenden Leistungen: die ehelichen Kinder hätten sich zu diesem Zeitpunkt auf Grund des Scheidungsvergleiches aus 1953 in Pflege und Erziehung der Beschwerdeführerin befunden. Die Verringerung der Unterhaltsleistungen den Kindern gegenüber wäre daher - in wirtschaftlicher Hinsicht - für die Beschwerdeführerin nachteilig gewesen. In diesem Zusammenhang habe sie festzustellen, daß § 915 erster Satz ABGB im Beschwerdefall keine Anwendung finde, weil es sich bei einer Unterhaltsvereinbarung nicht um einen einseitig verbindlichen Vertrag handle. Vielmehr sei § 915 zweiter Satz ABGB heranzuziehen. Die Beschwerdeführerin habe daher zum Zeitpunkt des Todes des Dr. E. auf Grund der Unterhaltsvereinbarung vom 11. März 1969 einen Unterhaltsanspruch in Höhe von 40 vH des gesetzlichen Aktivitätsbezuges für Juli 1988 eines Beamten der Dienstklasse und der Gehaltsstufe des Verstorbenen gehabt.

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt.

Wie sich aus § 84 DPL 1972 ergibt, stellt der Versorgungsgenuß für den früheren Ehegatten - das ist jener Ehegatte, dessen Ehe mit dem Beamten für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist (vgl. § 81 Abs. 4 DPL 1972) - einen Ausgleich dafür dar, daß der frühere Ehegatte durch die rechtskräftige Auflösung der Ehe (im obigen Sinn) die Anwartschaft auf den Versorgungs(Witwen- und Witwer)genuß verloren hat. Der Ausgleich wird in der Weise gewährt, daß bei einem Landesbeamten das Land in dessen Unterhaltspflicht gegenüber dem früheren Ehegatten mit der Maßgabe "eintritt", daß an die Stelle des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruches gegen den verstorbenen Beamten ein gegen das Land gerichteter öffentlicher-rechtlicher Anspruch tritt. Das Land wird aber damit nicht Rechtsnachfolger des verstorbenen Landesbeamten und tritt auch nicht in dessen Rechtsstellung ein. Nach § 84 Abs.1 DPL 1972 wird vielmehr ein neuer, rechtlich selbständiger öffentlich-rechtlicher Anspruch auf (Witwen- bzw. Witwer)Versorgung des früheren Ehegatten gegen das Land begründet, dessen HÖHE grundsätzlich an die im Zeitpunkt des Todes des Landesbeamten in bestimmter SCHRIFTLICHER Weise (vgl. § 84 Abs. 1 und Abs. 5 leg. cit.) - um eine spekulative Ausnützung dieser Institution hintanzuhalten - geregelte (zivilrechtliche) Unterhaltsverpflichtung (wie sich aus der Begrenzungsvorschrift des § 84 Abs. 5 leg. cit. ergibt) anknüpft (siehe in diesem Zusammenhang das zur vergleichbaren Bestimmung nach § 19 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1982, Zl. 81/09/0134 = Slg. N.F. Nr. 10.640/A).

Zutreffend ist die belangte Behörde im Beschwerdefall davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführerin die Voraussetzung des § 84 Abs. 1 DPL 1972 erfüllt und sie daher einen Versorgungsanspruch hat. Zwar beruhte die der Beschwerdeführerin zustehende Unterhaltsleistung gegenüber dem verstorbenen Beamten im Zeitpunkt seines Todes auf der in Form eines Notariatsaktes abgeschlossenen schriftlichen Unterhaltsvereinbarung vom 11. März 1969; jedoch bewirkte diese Vereinbarung nur die Erhöhung der erstmalig in einer den Versorgungsanspruch nach § 84 Abs. 1 DPL 1972 begründeten Form eingegangenen Unterhaltsverpflichtung des verstorbenen Beamten gegenüber der Beschwerdeführerin (gerichtlicher Vergleich vom 3. Juli 1953). Die Beachtlichkeit der Erhöhung der Unterhaltsleistung auf Grund einer (späteren) SCHRIFTLICHEN Vereinbarung ergibt sich auf Grund des § 84 Abs. 3 und 5 DPL 1972: Wenn nämlich § 84 Abs. 5 leg. cit. unter bestimmten Voraussetzung die Erhöhung der Unterhaltsleistung im letzten Jahr vor dem Sterbetag auf Grund einer schriftlichen Vereinbarung für die Bemessung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsbezuges für beachtlich erklärt, dann gilt dies auch für früher abgeschlossene schriftliche Vereinbarungen, die die auf Grund eines Titels im Sinne des § 84 Abs. 1 DPL 1972 bestehende Unterhaltsleistung erhöhen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu der in diesem Punkt vergleichbaren Bestimmung des § 19 Abs. 1 und Abs. 6 der Wiener Pensionsordnung 1966 vom 3. Juli 1969, Zl. 1619/68 = Slg. N.F. Nr. 7622/A). Unbestritten kommt die allfällige Einschränkung des § 84 Abs. 5 DPL 1972 im Beschwerdefall nicht in Betracht.

Die belangte Behörde ist daher zutreffend von der Beachtlichkeit des in Form eines Notariatsaktes abgeschlossenen Unterhaltsvereinbarung vom 3. März 1969 für die Bemessung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsanspruches der Beschwerdeführerin ausgegangen.

Diese in Form eines Notariatsaktes abgeschlossene Unterhaltsvereinbarung ist ihrer Rechtsnatur nach ein privatrechtlicher Vertrag; sie ist daher nach den Regeln des Zivilrechtes, insbesondere der §§ 914 f ABGB, auszulegen.

Auf Grund der in der DPL 1972 gewählten Regelungstechnik (u.a. Maßgeblichkeit von privatrechtlichen Verträgen für die Höhe des öffentlich-rechtlichen Versorgungsanspruches) schlägt damit das in Auslegung einer zivilrechtlichen Vereinbarung gewonnene Ergebnis auf das öffentlich-rechtliche Versorgungsverhältnis "durch". Entgegen der in der Gegenschrift von der belangten Behörde geäußerten Rechtsauffassung kann daher aus dem Umstand, daß ein privatrechtliches Rechtsgeschäft gleichzeitig die Grundlage für einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsanspruch (dem Grunde und der Höhe nach) bildet, nicht der Schluß gezogen werden, daß die nach privatrechtlichen Grundsätzen vorzunehmende Auslegung des Vertrages in dienstrechtlichen Normen (die außerhalb der Regeln betreffend den Versorgungsbezug stehen) eine zusätzliche Grenze findet.

§§ 914 und 915 ABGB, die die Auslegungsregeln für Verträge enthalten, lauten:

"§ 914. Bei Auslegung von Verträgen ist nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht.

§ 915. Bei einseitig verbindlichen Verträgen wird im Zweifel angenommen, daß sich der Verpflichtete eher die geringere als die schwerere Last auflegen wollte; bei zweiseitig verbindlichen wird eine undeutliche Äußerung zum Nachteil desjenigen erklärt, der sich derselben bedient hat (§ 869)."

Die wörtliche Auslegung des privatrechtlichen Vertrages steht demnach am Beginn des Interpretationsvorganges; maßgebliches Ziel ist jedoch die Feststellung des Willens der Vertragsparteien (vgl. z.B. RUMMEL in Rummel, Hrsg., Kommentar zum ABGB, zweite Auflage, erster Band, Rz 4 zu § 914). Dabei richtet sich die Bedeutung einer Willenserklärung danach, wie sie unter Berücksichtigung aller Umstände vom Erklärungsempfänger objektiv verstanden werden mußte (Vertrauenstheorie).

Vor dem Hintergrund dieser Auslegungsregeln erweist sich die Beschwerde aus folgenden Gründen als berechtigt: Punkt 2 des Notariatsaktes vom 11. März 1969 kann nämlich (für sich allein betrachtet) objektiv nur so verstanden werden, daß als Bemessungsgrundlage der Unterhaltsverpflichtung der jeweils Dr. E. zufließende Bezug zu verstehen war. Dies folgt zum einen aus dem Umstand, daß die Vereinbarung auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde, zum anderen auf die "JEWEILIGE Gehaltsbezüge (allfällige Zulagen eingeschlossen)" Bezug genommen wurde und auch die Regelung betreffend die Zahlbarkeit auf das Zufließen der JEWEILIGEN BEZÜGE abstellte. Wäre es daher nur bei Punkt 2 dieser Vereinbarung geblieben, hätte dies zur Folge gehabt, daß die Unterhaltsverpflichtung Dris. E. im Falle seines Ruhestandes 40 vH seines Ruhebezuges betragen hätte.

Der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretenen Auffassung, aus dem Umstand, daß der zum Unterhalt verpflichtete Dr. E. im Zeitpunkt der Vertragserrichtung Beamter des Landes Niederösterreich gewesen sei, sei in Verbindung mit dem verwendeten Ausdruck "Gehaltsbezüge" zu schließen, daß sich die Vertragsparteien an den Begrifflichkeiten der (damals geltenden) DPL 1966 orientieren wollten und darunter der besoldungsrechtiche Begriff Gehalt (verstanden als monatliches Grundeinkommen des Beamten im Sinn des § 53 DPL 1966) zu verstehen sei, kann der Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht teilen, ist doch im Punkt 2 von "GehaltsBEZÜGEN" bzw. "Bezügen" die Rede, wobei der Klammerausdruck zum erstgenannten Begriff klarstellt, daß allfällige Zulagen eingeschlossen sind (vgl. zum allgemeinen Sprachgebrauch der Begriffe "Bezug" und "Gehalt" auch das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 27. November 1984, 4 Ob 136/84 = ZAS 1987, 333 ff). Der Hinweis, daß das im Punkt 2 genannte Einkommen dem damaligen Monatsgehalt Dris. E. entsprach, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern.

Zutreffend hat die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß Punkt 7 des Notariatsaktes eine sie begünstigende Klarstellung brachte: Wenn in diesem Punkt auch keine Einschränkung (auf den Ruhestand) vorgesehen ist, hatte er doch nur Bedeutung für den Fall des Ruhestandes Dris. E. (während er für das "aktive" Dienstverhältnis im Ergebnis lediglich die Regelung des Punktes 2 der Vereinbarung wiederholte). Die Wendung "seiner jeweiligen LETZTEN Aktivitätsbezüge" konnte in Verbindung mit dem Zusatz "dies AUCH dann, wenn er in den Ruhestand tritt" von der Beschwerdeführerin objektiv dahingehend verstanden werden, daß im Falle des Ruhestandes nicht der jeweilige Ruhebezug (so die "Grundregel" nach Punkt 2), sondern der letzte Aktivitätsbezug (vor Eintritt des Ruhestandes) und zwar in seiner jeweils vor Fälligkeit der Unterhaltsleistung bestehenden Höhe ("Dynamisierung") als Bemessungsgrundlage für die Unterhaltsverpflichtung zu wählen sei. Der im Punkt 2 zum Ausdruck kommende Gedanke (Zweck) einer "durchgehenden Anpassung" der Unterhaltsverpflichtung an den jeweiligen Bezug wäre bei der von der belangten Behörde gewählten Auslegung - die aber nicht einmal vom objektiven Erklärungswert des Punktes 7 geboten erscheint - für die Dauer des Ruhestandes zurückgenommen: Die auch bei der von der belangten Behörde vertretenene Auslegung der Vereinbarung für die Beschwerdeführerin am Beginn des Ruhestandes Dris. E. bestehende Begünstigung (diese hätte darin bestanden, daß der letzte "Aktivitätsbezug" vor der Ruhestandsversetzung in der Regel höher ist als der erste Ruhebezug) würde nämlich bei Fortdauer des Ruhestandes durch Wegfall jeder Anpassung der Unterhaltsleistung bald kompensiert werden. Diese Auslegung des Vertrages entspräche damit auch nicht dem Vertragzweck der im Jahr 1969 getroffenen Unterhaltsvereinbarung.

Die belangte Behörde hat daher dadurch, daß sie die für die Unterhaltsleistung maßgebende Vereinbarung aus dem Jahr 1969 im Sinne des § 914 ABGB unzutreffend ausgelegt hat, ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Der angefochtene Bescheid war daher nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch richtet sich nach den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren betrifft die Stempelgebühren für die unaufgefordert erstattete schriftliche Äußerung zur Gegenschrift, die ihrem Inhalt nach zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich war (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, auf Seite 680 angeführte Vorjudikatur).

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