VwGH 87/08/0164

VwGH87/08/016412.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 7. Juli 1987, Zl. 120.102/8-7/87, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Wiener Gebietskrankenkasse in 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19,

2. Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §916 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
GmbHG §15;
GmbHG §20;
GmbHG §39 Abs1;
ABGB §916 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
GmbHG §15;
GmbHG §20;
GmbHG §39 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Begehren auf Ersatz von Stempelgebühren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 17. August 1981 stellte die Wiener Gebietskrankenkasse fest, daß der Beschwerdeführer zur H Geschäftsvermittlungsges.m.b.H. (im folgenden: GesmbH) ab 11. Mai 1979 in keinem die Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG begründenden Beschäftigungsverhältnis stehe.

Der Beschwerdeführer erhob Einspruch.

1.2. Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Einspruch mit Bescheid vom 25. Mai 1982 als unbegründet ab. Nach der Begründung dieses Bescheides befinde sich am Standort einerseits die Einzelfirma des Beschwerdeführers, die H Immobilienverwaltung, andererseits die GesmbH, an der der Beschwerdeführer mit 25 Prozent und seit 11. Mai 1979 L mit 75 Prozent der Anteile am Stammkapital beteiligt seien. Der Beschwerdeführer sei bei der GesmbH als Dienstnehmer zur Versicherung gemeldet. L sei bei der Einzelfirma des Beschwerdeführers als Angestellter zur Versicherung gemeldet. Von der geforderten Unterordnung des Beschwerdeführers unter einen Dienstgeberwillen, der von der Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit gekennzeichnet sei, könne nicht gesprochen werden. Sowohl der Beschwerdeführer als auch L seien jeweils in derjenigen Firma, in der der andere einen beherrschenden Einfluß ausübe, tätig. Dies habe zur Folge, daß infolge der Möglichkeit der wechselseitigen Einflußnahme ein echtes Dienstverhältnis, bei dem der Beschäftigte in einem hohen Grad vom Arbeitgeber abhängig sei, nicht entstehen könne. Vielmehr seien beide Beteiligte wechselseitig voneinander abhängig, sodaß von einer partnerschaftlichen Führung zweier Unternehmen gesprochen werden müsse, die im selben Wirtschaftszweig und an derselben Adresse tätig seien.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

1.3. Mit Bescheid vom 14. Februar 1983 wies der Bundesminister für soziale Verwaltung diese Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurück. Die Berufung enthalte keinerlei Vorbringen hinsichtlich der Art der Beschäftigung des Beschwerdeführers bei der GesmbH und auch keinen entsprechenden Berufungsantrag im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG.

1.4. Mit Erkenntnis vom 4. Juli 1985, Zl. 85/08/0006 = ZfVB 1986/2/858, hob der Verwaltungsgerichtshof den Zurückweisungsbescheid des Bundesministers vom 14. Februar 1983 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. In der Begründung dieses Erkenntnisses heißt es unter anderem:

"Schließlich kann der Berufung, auch soweit sie sich auf die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers bezieht, mit noch hinlänglicher Deutlichkeit entnommen werden, womit der Beschwerdeführer seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt, dies ungeachtet des Umstandes, daß sich eine Reihe von Punkten der Argumentation auf die Versicherungspflicht des L beziehen. Der Beschwerdeführer hat jedenfalls versucht darzutun, daß eine von den angefochtenen Bescheiden angenommene Möglichkeit der wechselseitigen Einflußnahme der beiden betroffenen Personen auf die jeweilige Willensbildung des anderen als Dienstgeber, wobei einmal der Beschwerdeführer als Dienstgeber des L, das andere mal L (als Mehrheitsgesellschafter) als "faktischer" Dienstgeber des Beschwerdeführers fungiere, rechtlich nicht bestehe, weil dabei übersehen werde, daß - rechtlich - die Gleichsetzung der Eigenschaft des L als Mehrheitsgesellschafter der GesmbH und als Dienstgeber des von der GesmbH beschäftigten Beschwerdeführers nicht zutreffe ("da L nicht Dienstgeber ist, sondern lediglich Gesellschafter der Dienstgeberin des H"). Es handelt sich dabei um eine durchaus schlüssige Argumentation, wenn man sich wie der Beschwerdeführer auf den Boden einer nur die rechtlichen Verhältnisse, nicht aber (auch) die faktischen Verhältnisse berücksichtigenden Auslegung des Rechtsbegriffes der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG stellt und nicht geneigt ist, durch die Rechtsform, hier insbesondere jene der GesmbH, hindurchzugreifen oder zumindest auf die dort herrschenden faktischen Verhältnisse, nämlich darauf, daß der Beschwerdeführer allenfalls faktisch mehr Rechte in Anspruch nahm, als ihm rechtlich (nach Gesellschaftsvertrag und Geschäftsführervertrag) zukamen, Bedacht zu nehmen. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, ist von der - hier zu bejahenden - Frage nach dem Begründungsmindestinhalt einer Berufung im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG 1950 zu trennen.

Aber auch hinsichtlich der Berücksichtigung der faktischen Verhältnisse wirft die Berufung der bekämpften Entscheidung des Landeshauptmannes einen Begründungsmangel vor, wenn ausgeführt wird:

"Abgesehen davon also, daß eine wechselseitige Nötigung - wie es die angefochtenen Bescheide annehmen - schon aus rechtlichen Gründen völlig auszuschließen ist, vermag die Bescheidbegründung nicht einmal die Behauptung aufzustellen, daß eine derartige wechselseitige Einflußnahme bereits einmal konkret erfolgt ist und daher Grund zu der in den Bescheiden deponierten Annahme bestehe.""

1.5. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1985, Zl. 83/08/0070 = ZfVB 1986/2/673, betreffend die vom Bundesminister ebenfalls verneinte Versicherungspflicht des L. In Streit stand die Beurteilung von dessen Tätigkeit, die er für das einzelkaufmännische Unternehmen des Beschwerdeführers entfaltet hat. Wenn im damals angefochtenen Bescheid, so heißt es in den Entscheidungsgründen, auf die wechselseitige Einflußnahme der beiden genannten physischen Personen infolge ihres jeweiligen beherrschenden Einflusses auf jene Unternehmung, in der die andere Person behauptetermaßen als Dienstnehmer beschäftigt gewesen sei, abgestellt werde, dann bedeute dies für die Frage der Dienstnehmereigenschaft des L, daß davon ausgegangen werden müßte, dieser könnte als Mehrheitsgesellschafter der GesmbH dem Beschwerdeführer in dessen Eigenschaft als Geschäftsführer der GesmbH überhaupt wirksam Weisungen erteilen, wie dieser sich als Dienstgeber in seiner Einzelfirma zu verhalten habe. Dies treffe nach der Gesetzeslage nicht zu. Daß eine andere Vertragsgestaltung vorläge, sei nicht festgestellt. Ungeachtet dieser rechtlichen Situation wäre die Dienstnehmereigenschaft des L - wegen der Beachtlichkeit auch der faktischen Verhältnisse für die Frage der Versicherungspflicht - freilich dann in Frage gestellt, wenn es zuträfe, daß L als Mehrheitsgesellschafter tatsächlich und in Überschreitung seiner rechtlichen Befugnisse Einfluß auf den Geschäftsführer genommen hätte, um diesen in seiner Eigenschaft als Dienstgeber in dessen eigener Unternehmung zu einem Verhalten zu bestimmen. Für eine solche Annahme fehlten allerdings hinlängliche Ermittlungsergebnisse.

1.5. Mit Ersatzbescheid vom 7. Juli 1987 gab der Bundesminister für Arbeit und Soziales der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. Mai 1982 keine Folge und bestätigte diesen Bescheid aus seinen zutreffenden Gründen. Nach der Begründung des Ministerialbescheides ergebe sich auf Grund der Aktenlage und insbesondere auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner Vernehmungen am 25. Februar 1981 und am 23. Juni 1987 folgender Sachverhalt: Der Beschwerdeführer sei Dienstnehmer der GesmbH, an deren Stammkapital er zu 25 Prozent und L seit 11. Mai 1979 zu 75 Prozent beteiligt seien. Der Beschwerdeführer sei der einzige Angestellte der GesmbH. Es existiere weder ein schriftlicher noch ein mündlicher Dienstvertrag. Er habe eine 40-Stundenwoche einzuhalten, die Einhaltung der Arbeitszeit sowie die Arbeitsleistung würden jedoch in keiner Weise kontrolliert. Er sei an keinerlei Weisungen gebunden, seine Arbeit werde nur im Rahmen der Gesellschafterversammlung einmal jährlich kontrolliert. Betriebliche Ordnungsvorschriften existierten nicht. Persönliche Arbeitspflicht bestehe insoweit, als die Gesellschafterversammlung eine generelle Vertretungsmöglichkeit seiner Person nicht zulassen würde. Er sei an alle Rechte und Pflichten des Angestelltengesetzes gebunden. Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes gelange der Bundesminister zu der Auffassung, daß das Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers zwar gewisse Kriterien persönlicher Abhängigkeit (fixe Arbeitszeit, deren Einhaltung allerdings nicht überwacht werde, persönliche Arbeitspflicht) aufweise, daß diese Merkmale aber gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit keinesfalls überwögen.

1.6. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Beschwerdeführer auf die Willensbildung der Gesellschaft einen beherrschenden Einfluß nehmen könnte. Der Beschwerdeführer werde von der Generalversammlung kontrolliert und sei dieser verantwortlich. Der angefochtene Bescheid bejahe auch die persönliche Arbeitspflicht und treffe ferner die Aussage, daß der Beschwerdeführer an alle Rechte und Pflichten des Angestelltengesetzes gebunden sei. Daher sei die Versicherungspflicht zu bejahen.

1.7. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Zur Frage nach den unterscheidungskräftigen Merkmalen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit verweist der Verwaltungsgerichtshof unter Heranziehung des § 43 Abs. 2 VwGG auf seine Erkenntnisse vom 24. Juni 1976, Zl. 415/75 = ZfVB 1976/4/856; vom 20. Mai 1980, Slg. NF Nr. 10.140/A = ZfVB 1981/3/886 (zum IESG); und vom 13. September 1985, Zl. 84/08/0016 = ZfVB 1986/5/2130.

2.2.1. Für die Beurteilung der rechtlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit eines geschäftsführenden Gesellschafters einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung von der Gesellschaft ist zunächst zu prüfen, ob und inwieweit er auf Grund der getroffenen Vereinbarungen einen beherrschenden Einfluß auf die GesmbH hat. Ein solcher ist z.B. auch dann anzunehmen, wenn ein geschäftsführender Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag eine Beschlußfassung der Generalversammlung auf Grund einer sogenannten Sperrminorität verhindern kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. September 1979, Zl. 1706/77 = ZfVB 1980/3/918, eines

verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. NF

Nr. 12.325/A, vom 16. Oktober 1986, Zl. 81/08/0125 = ZfVB 1987/3/1281, und vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0092).

Der Beschwerdeführer konnte als Gesellschafter-Geschäftsführer allein wegen seines Anteiles von nur 25 Prozent am Stammkapital der GesmbH nach dem Gesetz keinen beherrschenden Einfluß auf diese Gesellschaft ausüben. Daß sich nach dem Gesellschaftsvertrag etwas anderes ergäbe, ist nicht hervorgekommen.

2.2.2. Die belangte Behörde prüfte demnach zu Recht die weitere Frage, ob der geschäftsführende Gesellschafter (der Beschwerdeführer) auf Grund anderer Umstände einen beherrschenden Einfluß auf die GesmbH ausübte.

Dabei ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entscheidend, ob sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der geschäftsführende Gesellschafter faktisch mehr Rechte in Anspruch nimmt, als ihm auf Grund des Gesellschaftsvertrages und des Geschäftsführervertrages zustehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. März 1981, Zl. 3385/79 = ZfVB 1982/4/1334, vom 18. Dezember 1981, Zl. 3241/79 = ZfVB 1983/1/195, und vom 16. Oktober 1986, Zl. 81/08/0125 = ZfVB 1987/3/1281). Bei der Ausübung und Inanspruchnahme von Befugnissen durch den Geschäftsführer, die über die vertraglich festgelegten Rechte hinausgehen, besteht die Möglichkeit, daß sich eine Deutung als notwendig erweist, die vertraglichen Vereinbarungen als Scheinvertrag zu werten, was wiederum die Konsequenz haben könnte, daß ein beherrschender Einfluß des Geschäftsführers anzunehmen wäre (vgl. auch hiezu die eben zitierten Erkenntnisse sowie das ebenfalls bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0092).

Nach dieser Rechtsprechung gelangt man auf zwei Wegen zur Verneinung der Versicherungspflicht eines über keine Sperrminorität verfügenden geschäftsführenden Gesellschafters einer GesmbH: Entweder wegen des faktischen Beherrschungstatbestandes oder weil schon nach der vertraglich bedungenen Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses kein Dienstverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG vorliegt.

2.3.1. Der Landeshauptmann von Wien hatte in seinem Bescheid vom 25. Mai 1982 den Weg der Begründung über die faktische Beherrschung der GesmbH durch den Beschwerdeführer (im Wege der Einflußnahme auf L als Dienstnehmer in der Einzelfirma des Beschwerdeführers) gewählt.

Die belangte Behörde zieht nun - dem Spruch des angefochtenen Bescheides zufolge, wonach der bekämpfte Bescheid des Landeshauptmannes vom 25. Mai 1982 "aus seinen zutreffenden Gründen" bestätigt werde - die Gründe eben dieses Bescheides heran. Sie folgt damit der Auffassung des Landeshauptmannes, der Beschwerdeführer und L seien wechselseitig voneinander abhängig, sodaß von einer partnerschaftlichen Führung zweier Unternehmen gesprochen werden müsse, die im selben Wirtschaftszweig und an derselben Adresse tätig seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nun sowohl in dem den L betreffenden hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1985, Zl. 83/08/0070 = ZfVB 1986/2/673, als auch in dem (an sich eine verfahrensrechtliche Frage betreffenden) Vorerkenntnis vom 4. Juli 1985, Zl. 85/08/0006 = ZfVB 1986/2/858, die Auffassung über die wechselseitige Einflußnahme und die daraus abgeleitete Unmöglichkeit der Annahme einer Über- und Unterordnung insoweit abgelehnt, als ein solches Ergebnis ohne nähere Prüfung der faktischen Umstände erzielt wurde, nämlich ohne zu prüfen, ob der eine oder der andere der beiden beteiligten Personen faktisch mehr Rechte für sich in Anspruch nahm als ihm nach den (behaupteten) rechtlich bedungenen Vertragsinhalten zugestanden wäre.

Bestätigt die belangte Behörde somit die Auffassung des Landeshauptmannes, es liege eine partnerschaftliche Mitunternehmerschaft vor, als "zutreffend", so setzt sie sich mit diesem Begründungselement in Gegensatz zu der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes.

2.3.2. Die belangte Behörde hat sich jedoch darüber hinaus im eigentlichen Begründungsteil ihres Bescheides mit der Frage beschäftigt, ob - ungeachtet des Umstandes, daß der Beschwerdeführer allenfalls mehr Rechte in Anspruch genommen hätte, als ihm nach der Vertragslage zustanden, im konkreten Fall also ohne die Frage zu berühren, daß der Mehrheitsgesellschafter der GesmbH, L, einer der zehn Dienstnehmer des Beschwerdeführers in dessen Einzelfirma war - Merkmale einer Beschäftigung des Beschwerdeführers in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit von der GesmbH vorliegen.

Was zunächst die Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde anlangt, ist auf eine - durchaus wesentliche - Aktenwidrigkeit hinzuweisen: Die belangte Behörde stellte fest, der Beschwerdeführer sei an keinerlei Weisungen gebunden, seine Arbeit werde nur im Rahmen der Gesellschafterversammlung einmal jährlich kontrolliert. Nach der Niederschrift vom 23. Juni 1987 sagte der Beschwerdeführer jedoch vor dem Magistrat der Stadt Wien aus, er "erhalte auch als Geschäftsführer keinerlei Weisungen". Hier handelt es sich nicht um eine unerhebliche Abweichung im sprachlichen Ausdruck. Vielmehr ist es von entscheidender Bedeutung, ob festgestellt wird, daß eine vertraglich bedungene Bindung an Weisungen hinsichtlich des arbeitsbezogenen Verhaltens nicht vorlag (wie es die belangte Behörde tut) oder ob zwar eine rechtliche Bindung an Weisungen als erwiesen angenommen, jedoch weiters festgestellt wird, daß der Beschwerdeführer (wie er dies behauptet) faktisch keine Weisungen "erhalten" habe. Ersteres wäre ein Indiz gegen die Annahme eines Dienstverhältnisses (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. April 1987, Zl. 82/08/0180 = ZfVB 1988/3/931), letzteres stünde einer solchen Annahme nicht entgegen, da es nicht erforderlich ist, daß der Dienstgeber von seinem Weisungsrecht tatsächlich und regelmäßig Gebrauch macht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1984, Zl. 81/08/0152,

0165 = ZfVB 1984/5/2065).

Damit im Zusammenhang ist weiters aufklärungsbedürftig oder zumindest auslegungsbedürftig geblieben, daß der Beschwerdeführer einerseits aussagte, er sei der einzige Angestellte der GesmbH gewesen, er übe alle Tätigkeiten aus, die nach dem Angestelltengesetz für einen Angestellten üblich seien, und er sei "an alle Rechte und Pflichten des Angestelltengesetzes gebunden", und andererseits ausführte, es existiere "kein schriftlicher Dienstvertrag, ebensowenig ein mündlicher Dienstvertrag".

Wiederum könnten die ersteren Aussagen vor dem Hintergrund der weiters getroffenen Feststellungen über die Pflicht des Beschwerdeführers zur persönlichen Arbeitserbringung und zur Einhaltung einer 40-Stundenwoche für die Annahme eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG sprechen, während die letzteren Aussagen im Zusammenhang mit der weiteren Aussage, daß die Arbeitszeit und die Arbeitsleistung in keiner Weise konkrolliert worden seien, als ein gewichtiges Indiz gegen einen Dienstvertrag im engeren Sinne (im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG) und allenfalls für einen sogenannten freien Dienstvertrag aufgefaßt werden könnten, dem entscheidende Wesensmerkmale eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit, insbesondere die Weisungsgebundenheit hinsichtlich des arbeitsbezogenen Verhaltens, fehlen (vgl. zu den Begriffen des freien und des abhängigen Dienstvertrages unter anderem das zum IESG ergangene hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1980, Slg. NF

Nr. 10.140/A = ZfVB 1981/3/886, sowie das Erkenntnis vom 9. April 1987, Zl. 82/08/0180 = ZfVB 1988/3/931). Bei einer solchen Deutung der Aussagen des Beschwerdeführers und damit der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen - und noch mehr bei einer Deutung im Sinne einer Verneinung selbst eines freien Dienstverhältnisses - steht diese Feststellung (es liege kein Dienstvertrag vor) in Widerspruch zur Feststellung, der Beschwerdeführer sei Angestellter der GesmbH und an alle Rechte und Pflichten des Angestelltengesetzes gebunden.

2.4. Aus diesen Erwägungen gelangt der Verwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis, daß der angefochtene Bescheid mit Verfahrensfehlern behaftet ist, bei deren Vermeidung die belangte Behörde auch zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und c VwGG aufzuheben.

2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Ersatz des Schriftsatzaufwandes war nur im begehrten Ausmaß zuzusprechen. Da der Beschwerdeführer den bei Einbringung der Beschwerde maßgebenden Pauschbetrag nicht ausgeschöpft hat, war auch Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991 nicht anzuwenden. Stempelgebührenersatz war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit nach § 110 ASVG nicht zuzusprechen; dies gilt auch für die Vollmachtsgebühr, da eine auf die vorliegende Sozialversicherungssache eingeschränkte gebührenfreie Vollmacht ausgereicht hätte.

2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte