Normen
ArbIG 1974 §9 Abs2;
ASchG 1972;
B-VG Art131 Abs2;
VStG §20;
VwGG §26 Abs1 Z4;
ArbIG 1974 §9 Abs2;
ASchG 1972;
B-VG Art131 Abs2;
VStG §20;
VwGG §26 Abs1 Z4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
I.
1. Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/19/0468, verwiesen, mit dem der damals von der nunmehr mitbeteiligten Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (mP) im Umfang des Strafausspruches und des Kostenausspruches angefochtene Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg (der belangten Behörde) vom 23. Juli 1990 insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden war; dies mit der Begründung, daß die belangte Behörde bei Gebrauchmachen von der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 20 VStG in offensichtlicher Verkennung der Rechtslage nicht von der gesetzlich vorgesehenen Mindeststrafe (S 500),-- ausgegangen sei und diese unterschritten habe, vielmehr die im erstinstanzlichen Straferkenntnis über die mP verhängte Strafe (S 5.000,--) zugrunde gelegt und diese auf die Hälfte herabgesetzt habe.
2. In dem ohne Vornahme weiterer Verfahrensschritte fortgesetzten Verfahren gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 3. Dezember 1990 der Berufung der mP neuerlich Folge, und zwar insoweit, "als gemäß § 20 VStG 1950 die Strafe je unerlaubt Beschäftigtem auf S 450,--, im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an deren Stelle eine Ersatzarreststrafe auf 12 Stunden, herabgesetzt wird". Der von der mP zu leistende Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz wurde mit S 1.845,-- festgesetzt (§ 64 Abs. 2 VStG).
Begründend führte die belangte Behörde aus, sie sei nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage zur Anschauung gelangt, daß die mildernden Umstände des gegenständlichen Falles - die Erstmaligkeit der Übertretung und die Tatsache, daß es sich um eine kalendermäßig und von der rechtlichen Konstellation her einmalige und in Zukunft nicht mehr wiederholbare Situation gehandelt habe - die Herabsetzung der Strafe gemäß § 20 VStG, wonach bei Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden könne, gerechtfertigt erscheinen ließen. Hinsichtlich des Schuldspruches werde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Zl. 90/19/0468 verwiesen.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 9 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 - ArbIG 1974, BGBl. Nr. 143, gestützte Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und mitgeteilt, daß sie "im Rahmen einer Gegenschrift auf die ausführliche Begründung des angefochtenen Bescheides, welcher nach ha. Auffassung in rechtlicher Hinsicht nichts mehr hinzugefügt werden kann", verweise; beantragt werde die Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Auch die mP hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorweg ist festzuhalten, daß die Beschwerde - entgegen der in der Gegenschrift der mP vertretenen Ansicht - nicht verspätet erhoben worden ist.
Gemäß dem in Ausführung des Art. 131 Abs. 2 B-VG ergangenen § 9 Abs. 2 ArbIG 1974 ist der Bundesminister für soziale Verwaltung (nunmehr: Bundesminister für Arbeit und Soziales) berechtigt, (in Wahrnehmung des gesetzlichen Schutzes der Arbeitnehmer bei ihrer beruflichen Tätigkeit) gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden, die in letzter Instanz ergangen sind, wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Nach § 26 Abs. 1 erster Satz VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art. 131 B-VG sechs Wochen. Diese Frist beginnt zufolge § 26 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. in den Fällen des Art. 131 Abs. 2 B-VG dann, wenn der Bescheid aufgrund der Verwaltungsvorschriften dem zur Erhebung der Beschwerde befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, zu dem dieses Organ von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat.
Nach den einschlägigen Angaben in der Beschwerde wurde der bekämpfte Bescheid dem Beschwerdeführer nicht zugestellt (was der Rechtslage entspricht, da weder im ArbIG 1974 noch in den den Arbeitnehmerschutz regelnden Vorschriften eine Zustellung von in diesen Angelegenheiten ergangenen letztinstanzlichen Bescheiden an den Bundesminister für Arbeit und Soziales vorgesehen ist); er wurde ihm vielmehr vom Arbeitsinspektorat für den 5. Aufsichtsbezirk zur Kenntnis gebracht, und zwar am 18. Jänner 1991. Die Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 VwGG hat demnach im Grunde der Z. 4 dieser Gesetzesstelle mit 1. März 1991 geendet. Die an diesem Tag unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde ist somit rechtzeitig erhoben worden.
2.1. Gemäß dem von der belangten Behörde herangezogenen § 20 VStG kann dann, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist, die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.
Voraussetzung für das Gebrauchmachen von der außerordentlichen Strafmilderung ist demnach - soweit im Beschwerdefall von Belang -, daß die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Daß diese Voraussetzung zutrifft, hat die Behörde in nachvollziehbarer Weise darzutun. Dazu ist es erforderlich, die im konkreten Fall nach Meinung der Behörde jeweils zum Tragen kommenden Milderungsgründe und Erschwerungsgründe einander gegenüberzustellen und darzulegen, daß und weshalb das Gewicht der Milderungsgründe jenes der Erschwerungsgründe "beträchtlich überwiegt".
2.2. Diesem Erfordernis hat die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht entsprochen. Sie hat sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit der Aussage begnügt, "daß die mildernden Umstände des gegenständlichen Falles" (es werden zwei angeführt) "die Herabsetzung der Strafe gemäß § 20 VStG, (wonach) bei Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden kann, gerechtfertigt erscheinen lassen". Damit hat die belangte Behörde verkannt, daß es für die Gebrauchnahme von der außerordentlichen Strafmilderung nach § 20 VStG nicht bloß auf das Vorliegen von Milderungsgründen ankommt, vielmehr allein darauf, daß solche Gründe die Erschwerungsgründe erheblich überwiegen, und zwar nicht der Zahl, sondern dem Gewicht nach. Aus der vorstehend wiedergegebenen Begründung im bekämpften Bescheid läßt sich auch nicht - wie die mP in ihrer Gegenschrift meint - entnehmen, die belangte Behörde habe angenommen, es seien überhaupt keine Erschwerungsgründe vorgelegen. Denn auch diesfalls hätte von der Behörde in unmißverständlicher Form das "beträchtliche Überwiegen" der Milderungsgründe zum Ausdruck gebracht werden müssen - eine Ausage, welche die belangte Behörde gerade nicht getroffen hat. Daran vermag auch nichts zu ändern, daß im gegebenen Zusammenhang von der Behörde der Gesetzestext - allerdings in einem wesentlichen Punkt unvollständig - wiedergegeben wird, kann doch damit die von eben dieser Vorschrift her gebotene, oben 2.1. dargestellte Vorgangsweise nicht ersetzt werden.
3. Nach dem Vorgesagten erweist sich der angefochtene Bescheid als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
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