VwGH 91/18/0022

VwGH91/18/002226.4.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Harald N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. November 1990, Zl. I/7-St-R-9079, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §100 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §22;
StVO 1960 §100 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §22;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 9. März 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 26. Dezember 1989 um 22.38 Uhr auf dem Gendarmerieposten Hirtenberg die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl er ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Fahrzeug gelenkt habe und es habe vermutet werden können, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe (Fahrzeuglenken gegen 20.00 Uhr in Enzesfeld-Lindabrunn auf der Schloßstraße). Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) begangen; es wurde eine Geld- und Ersatzarreststrafe verhängt. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 6. April 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 26. Dezember 1989 um 23.00 Uhr in Berndorf und in Pottenstein, auf der Bundesstraße 18 und ferner auf öffentlichen Straßen, ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt, obwohl er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a, § 5 Abs. 1 StVO begangen; es wurde eine Geld- und Ersatzarreststrafe verhängt. In der Begründung wurde ausgeführt, der strafbare Tatbestand sei durch die dienstliche Wahrnehmung zweier Gendarmeriebeamter und durch den Alkomattest, welcher ein Ergebnis von 0,77 mg/l erbracht habe, erwiesen. Dieses Straferkenntnis wurde in erster Instanz rechtskräftig. Die in der Begründung dieses Straferkenntnisses erwähnte dienstliche Wahrnehmung zweier Gendarmeriebeamter bestand nach der Anzeige unter anderem darin, daß nach dem Beschwerdeführer, nachdem er auf dem Gendarmerieposten Hirtenberg unter anderem "nach § 5 StVO ... beamtshandelt worden war", deswegen gefahndet wurde, weil er danach wieder seinen Pkw in Betrieb genommen habe. Er sei um

23.15 Uhr des Tattages angehalten worden, wobei bei ihm deutliche Alkoholisierungsmerkmale festgestellt worden seien.

Über die Berufung gegen das ersterwähnte Straferkenntnis vom 9. März 1990 erkannte die Niederösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 22. November 1990 dahin, daß der Schuldspruch wie folgt formuliert werde:

"Sie haben am 26. Dezember 1989 um 22.38 Uhr am Gendarmerieposten Hirtenberg die Untersuchung Ihrer Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl Sie den Pkw mit dem behördlichen Kennzeichen W mno.npr gegen 20.00 Uhr desselben Tages im Ortsgebiet von Enzesfeld-Lindabrunn auf der Schloßstraße zum Restaurant 'Schloßkrug' gelenkt haben und vermutet werden konnte, daß Sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben."

Im übrigen wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorliegen einer Gegenschrift der belangten Behörde wie folgt erwogen hat:

Nach der durch den Handelsausschuß in den Gesetzentwurf der Regierungsvorlage der Straßenverkehrsordnung 1960 eingefügten Bestimmung des § 100 Abs. 2 schließen die im § 99 Abs. 1 lit. a bis c enthaltenen Strafdrohungen einander aus. Der Handelsausschuß begründete dies in seinem Bericht (240 BlgNR 9.GP, S. 15) damit, daß ein Beschuldigter gegebenenfalls nur nach einer der im § 99 Abs. 1 enthaltenen Strafandrohungen bestraft werden könne. Eine verwaltungsstrafrechtliche Kumulation sei also in diesem Falle ausgeschlossen.

Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 1966, Slg. N.F. Nr. 7021/A, führte dazu aus, grundsätzlich gelte im Verwaltungsstrafgesetz für das Zusammentreffen strafbarer Handlungen der Grundsatz der Kumulation (§ 22 VStG), es sei denn, es handle sich um einander ausschließende Strafandrohungen, das heißt, daß aus der Fassung der betreffenden Strafbestimmung die Ablehnung des Grundsatzes der Kumulation hervorgehe. Nach § 100 Abs. 2 StVO sei sohin beim Zusammentreffen der dort angeführten Verwaltungsübertretungen nur wegen einer davon zu bestrafen, während das Verfahren hinsichtlich der übrigen zur Anzeige gelangten Handlungen einzustellen sei.

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich augenscheinlich zweimal (Erkenntnisse vom 11. Dezember 1981, Zl. 81/02/0164, vom 1. Februar 1984, Zl. 83/03/0223) mit dem Fall befaßt, daß einem Lenker spruchmäßig zum Vorwurf gemacht worden war, er habe ein Kraftfahrzeug zu bestimmter Zeit an bestimmtem Ort in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt UND sich in der Folge geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei Befugnis und Ermächtigung der auffordernden Organe der Straßenaufsicht gegeben gewesen seien. In beiden Fällen war der Lenker nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO schuldig erkannt worden. In beiden Fällen hob der Verwaltungsgerichtshof die im Instanzenzug ergangenen Berufungsbescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf, weil man dem Lenker nicht unter einem zum Vorwurf machen dürfe, er habe sowohl das Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt als auch sich anschließend geweigert, die Atemluftprobe abzulegen. Die Behörden des Verwaltungsstrafverfahrens hätten sich entscheiden müssen, ob sie den Lenker nur nach § 5 Abs. 1 oder nur nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO strafen wollten, eine kumulative Verurteilung sei in solchen Fällen gemäß § 100 Abs. 2 StVO unzulässig.

Einen anderen Fall behandelte das Erkenntnis vom 16. Jänner 1981, Zl. 02/1104/79. Neben anderen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 war der Beschwerdeführer einerseits der Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO deshalb schuldig erkannt worden, weil er sich trotz Vorliegens der Voraussetzungen geweigert habe, sich einem Arzt im Sinne des § 5 Abs. 4 StVO vorführen zu lassen. Danach habe der Beschwerdeführer (abermals) ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, wodurch er die Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO begangen habe. Hier handle es sich im Hinblick auf § 100 Abs. 2 StVO in Wirklichkeit nur um ein Delikt, so daß die Verurteilung nach § 5 Abs. 1 StVO mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet sei.

Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich, was die rechtliche Beurteilung des ähnlichen Sachverhaltes des letztzitierten Erkenntnisses anlangt, diesem an, erachtet es daher als unzulässig, daß der Beschwerdeführer sowohl wegen Verweigerung der Atemluftprobe als auch wegen des kurz danach erfolgten Lenkens seines Kraftfahrzeuges in alkoholbeeinträchtigtem Zustand bestraft wurde. Da nun die Verurteilung wegen der Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO, wie oben aufgezeigt, schon im April 1990 (Bescheiderlassung am 10. April 1990) rechtskräftig wurde, wäre es Sache der wesentlich später, nämlich am 22. November 1990 entscheidenden Berufungsbehörde gewesen, dies gemäß § 100 Abs. 2 StVO zu beachten und demnach die kumulative Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO für rechtswidrig zu befinden in dem Sinne, daß der Berufung stattgegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das diesbezügliche Strafverfahren eingestellt werde.

Durch diese Unterlassung hat die Berufungsbehörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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