VwGH 91/07/0092

VwGH91/07/009212.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde der H in N, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 25. Jänner 1991, Zl. III/1-27.661/118-91, betreffend Kostenersatz nach dem WRG 1959 (mitbeteiligte Partei: Dr. F, Rechtsanwalt in N), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §76 Abs2;
WRG 1959 §117 Abs1 idF 1988/693;
WRG 1959 §117 Abs4;
WRG 1959 §31 Abs3;
WRGNov 1988;
AVG §76 Abs2;
WRG 1959 §117 Abs1 idF 1988/693;
WRG 1959 §117 Abs4;
WRG 1959 §31 Abs3;
WRGNov 1988;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Den durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdeausführungen zufolge hatte die Wasserrechtsbehörde erster Instanz (WB) mit Bescheid vom 16. März 1990 die Beschwerdeführerin gemeinsam mit der mitbeteiligten Partei (MP) zum Ersatz je der Hälfte von für gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 angeordnete Entsorgungsmaßnahmen (Entsorgung von auf dem Betriebsareal der "Firma H" vorgefundenem Altöl, Öl-Wasser-Gemisch und Ölschlamm sowie Reinigung von Behältern) erwachsenen Kosten in der Gesamthöhe von S 1,640.304,-- verpflichtet.

Die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, für die Vorschreibung von auf § 31 Abs. 3 WRG 1959 gegründeten Kosten sei § 117 Abs. 1 WRG 1959 anzuwenden. Da § 117 Abs. 4 leg. cit. in der Folge vorsehe, daß gegen Entscheidungen der Wasserrechtsbehörde nach Abs. 1 eine Berufung nicht zulässig sei und daß diese Entscheidung im Falle der rechtzeitigen Beantragung einer gerichtlichen Entscheidung außer Kraft trete, unterlägen Kostenersatzbescheide gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 der sukzessiven Gerichtszuständigkeit. Wohl habe der erstinstanzliche Bescheid die unrichtige Rechtsmittelbelehrung, eine Berufung sei zulässig, enthalten, doch könne eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung weder das Berufungsrecht einräumen noch dieses absprechen, sodaß eine vom Gesetz als unzulässig erklärte Berufung auf Grund einer solchen Belehrung nicht zulässig werden könne. Der erstinstanzliche Bescheid habe sich auf § 31 Abs. 3 WRG 1959 und auf § 76 AVG 1950 gestützt. Aus dem gesamten in der Angelegenheit durchgeführten Verfahren sei ersichtlich, daß der Auftrag zur Durchführung der Entsorgungsmaßnahmen in Form eines auf § 31 Abs. 3 WRG 1959 gestützten Aktes der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt ergangen sei. Da im Fall der Regelung des Kostenersatzes notstandspolizeilicher Maßnahmen in einer speziellen Norm § 76 Abs. 2 AVG 1950 keine Anwendung finde, sei letztere Gesetzesstelle von der WB zu Unrecht als Rechtsgrundlage angeführt worden. Die fälschliche Anführung dieses Paragraphen vermöge nichts daran zu ändern, daß eine Kostenvorschreibung gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 vorliege. Daraus folge aber im Hinblick auf die für solche Kostenvorschreibungen geltende sukzessive Gerichtszuständigkeit die Unzulässigkeit der Berufung.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof unter deren Abtretung zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 10. Juni 1991, B 221/91, ab. In der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigebrachten Beschwerdeergänzung macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Sachentscheidung und darauf, "nicht zu einer Ersatzpflicht herangezogen zu werden, die über die Bestimmungen des § 31 Abs. 6 WasserrechtsG in der Fassung des Bundesgesetzblattes Nr. 693 und vom 20.12.1988 weit hinausgeht", verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hatte im Beschwerdefall das WRG 1959 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 693/1988, deren für den Beschwerdefall maßgebliche Regelungen durch die Novelle BGBl. Nr. 252/1990 keine Änderungen erfahren haben, anzuwenden.

Die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommenen Zurückweisung der Berufung maßgebenden Frage ist in der Anwendbarkeit des § 117 WRG 1959 auf bescheidmäßige Vorschreibungen für den Ersatz von Kosten, die im Zuge von auf § 31 Abs. 3 WRG 1959 gegründeten behördlich angeordneten Maßnahmen erwachsen sind, zu erblicken. Die maßgeblichen Passagen dieser beiden Gesetzesstellen lauten:

"§ 31 Abs. 3 WRG 1959: Wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, so hat die Wasserrechtsbehörde, soweit nicht der unmittelbare Werksbereich eines Bergbaues betroffen ist, die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen ERSATZ DER KOSTEN (Unterstreichung eingefügt) durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.

§ 117 Abs. 1 WRG 1959: Über die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und KOSTEN (Untersteichung eingefügt), die entweder in diesem Bundesgesetz oder in den für die Pflege und Abwehr bestimmter Gewässer geltenden Sondervorschriften vorgesehen sind, entscheidet, sofern dieses Bundesgesetz (§ 26) oder die betreffende Sondervorschrift nichts anderes bestimmt, die Wasserrechtsbehörde.

§ 117 Abs. 4 WRG 1959: Gegen Entscheidungen der Wasserrechtsbehörde nach Abs. 1 ist eine Berufung nicht zulässig. Die Entscheidung tritt außer Kraft, soweit vor Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides die gerichtliche Entscheidung beantragt wird. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann ohne Zustimmung des Antragsgegners nicht zurückgenommen werden. Bei Zurücknahme des Antrages gilt mangels anderweitiger Vereinbarung die wasserrechtsbehördlich festgelegte Leistung als vereinbart. Hat nur der durch die Einräumung eines Zwangsrechtes Begünstigte das Gericht angerufen, so darf das Gericht die Entschädigung nicht höher festsetzen, als sie im Bescheid der Verwaltungsbehörde festgesetzt war; hat nur der Enteignete das Gericht angerufen, so darf es die Entschädigung nicht niedriger festsetzen. Dies gilt sinngemäß für die Festsetzung von Ersätzen, Beiträgen und KOSTEN."

Die Annahme der Beschwerdeführerin, § 117 WRG 1959 sei auf Kostenersatzverpflichtungen gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 nicht anwendbar, findet in der Rechtslage keine Deckung. Die mit der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1988 eingeführte Regelung über die Leistung von "Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten" erwies sich zufolge der Erläuterungen zu dieser Novelle deshalb als erforderlich, weil der Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 24. Juni 1988, Slg. 11.760, die auf Entschädigungen bezüglichen Wortfolgen und Hinweise insbesondere auch in § 117 Abs. 1 WRG 1959 als verfassungswidrig aufgehoben hatte. Dieses Erkenntnis hatte der Verfassungsgerichtshof im wesentlichen damit begründet, daß der Entschädigungsanspruch im Gefolge einer Enteignung - im Gegensatz zu Streitigkeiten, die lediglich Auswirkungen auf "civil rights" haben - dem Bereich des herkömmlichen Zivilrechtes (Kernbereich der "civil rights") zuzuzählen sei. Da gemäß dem im Verfassungsrang stehenden Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) über "civil rights" - und somit über Ansprüche auf Enteignungsentschädigung - "von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhendem Gericht ('Tribunal')" entschieden werden müsse, und die bloß nachprüfende, eine selbständige Feststellung der Tatfrage nicht vorsehende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof die Voraussetzungen einer solchen Entscheidung nicht erfülle, seien die die Enteignungsentschädigung ausschließlich den Verwaltungsbehörden überantwortenden Regelungen des WRG 1959 verfassungswidrig.

Der Gesetzgeber hat mit der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1988

- wie sich aus deren Erläuterungen ergibt - angestrebt, eine

verfassungskonforme Regelung der Festlegung von

Enteignungsentschädigungen zu treffen und hat, um diese dem

Zivilrecht zuzurechnenden Angelegenheiten nicht der

Gerichtsbarkeit zu entziehen, einem im angeführten Erkenntnis

des Verfassungsgerichtshofes enthaltenen Hinweis folgend für

diese Angelegenheiten die in § 117 Abs. 4 WRG 1959 geregelte

sukzessive Gerichtszuständigkeit eingeführt. Indes ergibt sich

aus Abs. 1 im Zusammenhalt mit Abs. 4 dieses Paragraphen, daß

die sukzessive Gerichtszuständigkeit nicht nur für

Entschädigungen, sondern auch für "Kosten, die ... in diesem

Bundesgesetz ... vorgesehen sind", gelten soll. In § 31 Abs. 3

leg. cit. wird der Ausdruck "Kosten" verwendet, ohne daß dem

Gesetz eine Sonderregelung für die behördliche Auferlegung

dieser Kosten entnommen werden könnte. Schon das deutet darauf

hin, daß unter dem in § 117 leg. cit. verwendeten Begriff

"Kosten" auch solche Kosten verstanden werden müssen, die bei

der Durchführung von gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 behördlich

angeordneten Maßnahmen zur Hintanhaltung der Gefahr einer

Gewässerverunreinigung entstehen. Allerdings stehen im Fall der

Vorschreibung von Kosten gemäß § 31 Abs. 3 leg. cit. nicht - so

wie im Fall einer Enteignungsentschädigung - zwei grundsätzlich

gleichberechtigte Parteien ("Bürger 'unter sich'") einander

gegenüber, sondern es tritt auf der einen Seite die staatliche

Gewalt mit imperialer Befugnis dem normunterworfenen

Verpflichteten auf der anderen Seite gegenüber. Demgemäß kann

die Vorschreibung von Kosten gemäß § 31 Abs. 3 leg. cit. nicht

dem herkömmlichen Zivilrecht und somit auch nicht dem

Kernbereich der "civil rights" zugerechnet werden. Damit im

Einklang steht das in den Erläuterungen zur

Wasserrechtsgesetz-Novelle 1988 angeführte Motiv der Neufassung

des § 117 WRG 1959, wonach die Eröffnung einer

Anrufungsmöglichkeit der Gerichte für

Enteignungsentschädigungen und sohin die Einrichtung einer

sukzessiven Gerichtszuständigkeit für solche Angelegenheiten

die Einführung der Gerichtszuständigkeit auch für Kosten von

gemäß § 31 Abs. 3 leg. cit. behördlich angeordneten Maßnahmen

nicht umfassen würde. Dem kommt indes deshalb keine

entscheidende Bedeutung zu, weil dem unzweideutigen Wortlaut

des § 117 Abs. 1 leg. cit. gegenüber diesen davon abweichenden

Ausführungen in den Erläuterungen der Vorzug gebührt.

Daraus folgt, daß mit der angeführten Gesetzesnovelle auch für die Entscheidung über Kosten nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 die sukzessive Gerichtszuständigkeit eingeführt wurde. Eine derartige Übertragung von Angelegenheiten des Verwaltungsrechts an die ordentlichen Gerichte war dem Gesetzgeber auch nicht etwa aus verfassungsrechtlichen Überlegungen verwehrt, weil die österreichische Verfassung kein Verbot der Übertragung der Entscheidung über öffentlich-rechtliche Verhältnisse an die Gerichte enthält (vgl. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 1965, Slg. 5007). Vielmehr richtet sich die Frage, ob eine Rechtssache vor ein Gericht oder vor eine Verwaltungsbehörde gehört, in erster Linie nach der positiven Anordnung des Gesetzgebers (vgl. Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechtes2, Manz, Wien 1990, Rz. 98).

Aus diesen Darlegungen ergibt sich, daß die Rechtsansicht der belangten Behörde, gegen auf § 31 Abs. 3 WRG 1959 gestützte behördliche Kostenvorschreibungen sei eine Berufung unzulässig, dem Gesetz entspricht. Soweit im Anschluß an die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides auf die Möglichkeit der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen wurde, steht dies jedoch nicht mit der Rechtslage im Einklang, weil die durch § 117 Abs. 4 WRG 1959 eröffnete Möglichkeit der Anrufung der ordentlichen Gerichte insoweit die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausschließt (vgl. dazu den zur Entschädigungsregelung des § 49 des Kärntner Naturschutzgesetzes ergangenen hg. Beschluß vom 19. März 1990, Zl. 89/10/0181).

Die Beschwerdeführerin hat es für rechtswidrig erachtet, daß die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid, der auch § 76 AVG 1950 als Rechtsgrundlage angeführt hatte, als lediglich auf § 31 Abs. 3 WRG 1959 beruhend gedeutet hat. Diese von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung des erstinstanzlichen Bescheides entspricht beim gegebenen Sachverhalt der Rechtslage. Unbestritten beruhten die dem Kostenersatzbescheid zugrundeliegenden Maßnahmen auf in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ergangenen Anordnungen der Behörde und waren lediglich die vom mit der Durchführung der Maßnahmen beauftragten Unternehmen in Rechnung gestellten Kosten Gegenstand der Kostenvorschreibung. Auf diese grundsätzlich als Barauslagen anzusehenden Kosten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Dezember 1933, Slg. 17.788/A) findet aber, da ihr Ersatz durch die Spezialnorm des § 31 Abs. 3 WRG 1959 geregelt ist, die (verschuldensabhängige) Regelung des § 76 Abs. 2 AVG 1950 keine Anwendung (vgl. hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1950, Slg. NF 1550/A). Nur Kosten, die für aus Anlaß des Gefahrenfalles durch das Verschulden der Beschwerdeführerin notwendige und von Amts wegen angeordnete Amtshandlungen entstanden sein sollten, hätten der Beschwerdeführerin unter Berufung auf § 76 AVG 1950 vorgeschrieben werden können (vgl. hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1985, Zl. 85/07/0112). Solche Kosten waren aber nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides. Die belangte Behörde hat somit zu Recht ausschließlich § 31 Abs. 3 WRG 1959 als maßgebliche Rechtsgrundlage des erstinstanzlichen Bescheides angesehen.

Demgemäß erweist sich im Hinblick auf die dargestellte, durch die Platz greifende sukzessive Gerichtszuständigkeit gekennzeichnete Rechtslage die Zurückweisung der Berufung nicht als rechtswidrig.

Soweit die Beschwerdeführerin rügt, der erstinstanzliche Bescheid habe als Rechtsgrundlage "§ 31 (3) Wasserrechtsgesetz 1959, in der Fassung BGBl. 390/1983" angeführt, ist aus dieser Rüge für die Beschwerde nichts zu gewinnen, weil durch die - wie oben gezeigt für den Beschwerdefall maßgebliche - Wasserrechtsgesetz-Novelle 1988 diese Bestimmung keine Abänderung erfahren hat.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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