VwGH 91/07/0078

VwGH91/07/007824.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde der NN in X, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Vorarlberger Landesregierung vom 20. Februar 1991, Zl. LAS 410-313, betreffend landwirtschaftliches Bringungsrecht (mitbeteiligte Partei: AB in X), zu Recht erkannt:

Normen

GSGG §2 Abs2;
GSLG Vlbg 1963 §4 Abs3;
GSLG Vlbg 1963 §4 Abs4;
GSGG §2 Abs2;
GSLG Vlbg 1963 §4 Abs3;
GSLG Vlbg 1963 §4 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des (regelmäßig an Dritte verpachteten) landwirtschaftlichen Grundstückes Nr. 1 KG. X. Dieses Grundstück ist rings von Fremdgrund umgeben, doch verfügt die Beschwerdeführerin über eine Wegedienstbarkeit über einen Teil des Grundstückes Nr. 2 (Eigentümer H), und dadurch über einen Anschluß an den öffentlichen Weg Nr. 3. Dieser Weg weist allerdings nur eine Breite von 1,5 m auf und ist daher für in der Landwirtschaft übliche Maschinen zu schmal. Es wurde daher ein entsprechend breiter anschließender Streifen des Grundstückes Nr. 2 im Eigentum der mitbeteiligten Partei (mP) für die Zufahrt mitverwendet. Ein entsprechendes, allerdings nur auf drei Jahre befristetes landwirtschaftliches Bringungsrecht wurde der Beschwerdeführerin bereits mit Bescheid der Agrarbezirksbehörde Bregenz (AB) vom 21. August 1984 eingeräumt und mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Juli 1986 bestätigt. Die Befristung auf drei Jahre erfolgte in der Annahme, daß es durch einvernehmliche Grundtäusche künftig zu einer Entbehrlichkeit dieses Bringungsweges kommen würde.

Dies ließ sich jedoch in der Folge nicht verwirklichen, weshalb die Beschwerdeführerin am 31. Juli 1989 beantragte, ihr das bisher befristete Bringungsrecht nunmehr unbefristet einzuräumen.

Über diesen Antrag hielt die AB am 9. November 1989 eine Verhandlung an Ort und Stelle ab, in welcher die mP die Erklärung abgab,

"... daß sie zugunsten der in Frage stellenden (richtig:

stehenden) Liegenschaft der Antragstellerin freiwillig und bis auf jederzeitigen Widerruf ein landwirtschaftliches Bringungsrecht im Umfang des seinerzeitigen Bescheides vom 21.08.1984 einräumt. Aus diesem Grunde ist die Antragslegitimation der Antragstellerin nicht mehr gegeben, da sie hiemit über eine Möglichkeit zur entsprechenden landwirtschaftlichen Nutzung des Grundstückes in der Lage ist."

Die Beschwerdeführerin hielt ungeachtet dessen ihren Antrag aufrecht.

Mit Bescheid der AB vom 7. Dezember 1989 wurde dieser Antrag sodann gemäß §§ 1 und 4 des Güter- und Seilwegegesetzes - GSG, LGBl. Nr. 25/1963, abgewiesen. Begründend führte die AB nach einer Darstellung der Vorgeschichte und des Verfahrensablaufes dazu aus, Voraussetzung für die Einräumung des Bringungsrechtes sei nach dem GSG jedenfalls die Unmöglichkeit oder die erhebliche Beeinträchtigung der zweckmäßigen Bewirtschaftung einer Liegenschaft. Es müsse für die antragstellende Liegenschaft ein gewisser Notstand bestehen, welcher den Eigentumseingriff in das zu belastende Grundstück rechtfertige. Derzeit sei eine Behinderung in der Zufahrt zum Grundstück der Beschwerdeführerin nicht gegeben. In der Natur seien keine Hindernisse errichtet, das Befahren der Bringungstrasse sei mit allen in der Landwirtschaft üblichen Fahrzeugen möglich. Auf Grund der Erklärung der mP sei auch künftig mit Bewirtschaftungserschwernissen nicht zu rechnen. Es bestehe daher kein Anspruch auf Einräumung eines Bringungsrechtes nach dem GSG.

Die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung hat die belangte Behörde nach ergänzenden Ermittlungen mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. Februar 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit den §§ 1 und 4 des GSG abgewiesen.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde den Gang des bisherigen Verfahrens sowie die einschlägigen Vorschriften des GSG wieder. Entscheidend sei die Frage, ob das von der mP eingeräumte, jederzeit widerrufliche Bringungsrecht den in den §§ 1 und 4 GSG genannten Kriterien für die wegmäßige Erschließung einer landwirtschaftlichen Liegenschaft entspreche. Es sei davon auszugehen, daß ein Weg mit einer Breite von 1,5 m für das Befahren mit landwirtschaftlichen Maschinen zu schmal sei, ein solcher Weg sollte mindestens 2,5 m breit sein. Auf diese Breite sei der vorhandene, nur 1,5 m breite öffentliche Weg verbreitert und befestigt worden. Dieser Weg ermögliche der Beschwerdeführerin die zweckmäßige Bewirtschaftung ihres Grundstückes. Unter Einbeziehung der von der mP abgegebenen Erklärung bestehe somit für die Beschwerdeführerin eine Verbindung gemäß § 1 GSG. Eine zweckmäßige Bewirtschaftung sei daher möglich; nur wenn diese Voraussetzung fehle, könne ein landwirtschaftliches Bringungsrecht zur Behebung der Nachteile eingeräumt werden.

§ 1 GSG gehe nicht davon aus, daß nur das Fehlen unbeschränkter bzw. unbefristeter Rechte den Anspruch auf Einräumung eines Bringungsrechtes begründe. Bei einer solchen Einräumung sei zu bedenken, daß das Eigentum belastende Dienstbarkeiten eingeschränkt "auszulegen" seien und Enteignungen und Notwegerechte nur unter ganz bestimmten, gesetzlich festgelegten Voraussetzungen in einem genau geregelten Verfahren eingeräumt werden sollten. Speziell der Bestimmung des § 4 Abs. 4 GSG, wonach fremde Liegenschaften in möglichst geringem Ausmaß ein Anspruch genommen werden sollten, sei zu entnehmen, daß die Behörde bei der Einräumung von Bringungsrechten maßvoll vorzugehen habe; § 4 Abs. 3 GSG schreibe sogar vor, daß bei der Einräumung des Bringungsrechtes die dadurch zu erzielenden Vorteile die mit dem Eigentumseingriff verbundenen Nachteile bei weitem zu überwiegen hätten. Eine Behinderung der Zufahrt zum Grundstück der Beschwerdeführerin sei derzeit nicht gegeben, somit lägen die Voraussetzungen für die Einräumung eines Bringungsrechtes nach § 1 GSG nicht vor. Ein allfälliger Widerruf der Erklärung durch die mP würde die Rechtslage wesentlich ändern, dies wäre dann insbesondere im Falle einer allfälligen neuerlichen Einräumung eines solchen prekaristischen Rechtes im Zuge eines neuerlich eingeleiteten Verfahrens zu berücksichtigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich nach ihrem Vorbringen in ihrem Recht verletzt, "jenes Bringungsrecht unbefristet eingeräumt zu erhalten, das mir mit Bescheid der Agrarbezirksbehörde vom

21.08.1984 ... befristet eingeräumt worden war".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Auch die mP hat eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wenn die zweckmäßige Bewirtschaftung einer land- und forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaft dadurch unmöglich gemacht oder erheblich beeinträchtigt wird, daß zur Bringung der im land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewonnenen oder gewinnbaren land- oder forstwirtschaftlichen Erzeugnisse oder zur Heranschaffung der zur zweckmäßigen Bewirtschaftung der Liegenschaft erforderlichen Sachen keine oder nur eine unzulängliche oder den Betrieb mit unverhältnismäßigen Kosten belastende Verbindung besteht, kann der Eigentümer, Fruchtnießer oder Pächter (§ 5) gemäß § 1 GSG begehren, daß ihm die zur Behebung dieser Nachteile notwendigen land- und forstwirtschaftlichen Bringungsrechte eingeräumt werden.

Gemäß § 4 Abs. 3 GSG kann die Einräumung eines Bringungsrechtes nur dann erfolgen, wenn der hiedurch zu erreichende Vorteil die damit verbundenen Nachteile offenbar überwiegt.

Bei der Bestimmung von Art, Inhalt und Umfang eines Bringungsrechtes ist gemäß § 4 Abs. 4 GSG vom Bedarfe der Liegenschaft, für die das Bringungsrecht eingeräumt werden soll, nach Maßgabe ihrer gegenwärtigen oder glaubhaft gemachten geplanten Bewirtschaftungsart und von den Grundsätzen auszugehen, daß Gefahren für Menschen und Sachen vermieden, fremde Liegenschaften und Baustoffe in möglichst geringem Maße in Anspruch genommen und durch die Ausübung des Bringungsrechtes dem Berechtigten möglichst geringe Kosten verursacht werden. Es ist insbesondere auch auszusprechen, ob und inwieweit das Bringungsrecht das freie Viehtriebsrecht umfaßt.

Aus diesen Bestimmungen haben die im Beschwerdefall eingeschrittenen Agrarbehörden im Einklang mit der durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes angezeigten Richtung mit Recht abgeleitet, daß eine Belastung fremden Eigentums mit einem Bringungsweg nach dem Güter- und Seilwegerecht nur bei Vorliegen echter Notfälle eingeräumt werden soll. Die zwangsweise Begründung eines Wegerechtes über fremden Grund soll nur das letzte Mittel darstellen, für den Fall, daß die Bewirtschaftbarkeit eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstückes auf andere Weise gar nicht oder nicht mit angemessenem Aufwand erreicht werden kann (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1982, Zl. 82/07/0148, und vom 12. Mai 1987, Zl. 86/07/0238, letzteres ergangen zur vergleichbaren Rechtslage nach niederösterreichischem Landesrecht).

Entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung fehlt es ihr derzeit an keiner für ihre Zwecke erforderlichen Verbindung zu ihrem rings von Fremdgrund umgebenen Grundstück Nr. 1. Solange diese Verbindung ohne aufrechte tatsächliche oder rechtliche Hindernisse für die Beschwerdeführerin verwendbar ist, bedarf es der von ihr angestrebten Rechtseinräumung nicht. Nicht erforderlich für die von der Beschwerdeführerin benötigte Wegverbindung ist die Durchsetzung des von ihr behaupteten Rechtsanspruches, der ihr für den Fall künftig auftretender Hindernisse voll gewahrt bleibt. Über die Einräumung, über Art, Inhalt und Umfang eines dann allenfalls notwendigen Bringungsweges wird auf Antrag des die Wegverbindung Benötigenden auf Grund der künftig gegebenen Umstände zu entscheiden sein. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher nicht finden, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid von einer unvertretbaren Rechtsmeinung ausgegangen wäre und damit den angefochtenen Bescheid mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet hätte.

Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie Abs. 3 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 sowie C Z. 7 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren der mP war abzuweisen, weil sie ihre Gegenschrift samt Beilage (richtigerweise) zweifach eingebracht hat, weshalb je einmal Eingabengebühr und Beilagengebühr gemäß ihrem Kostenverzeichnis zu entfallen hatten.

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