VwGH 91/05/0149

VwGH91/05/014910.12.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde

1) der IH und 2) des JH in K, beide vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 15. November 1990, Zl. BauR-010512/1-1990 Ki/Wa, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) FW und 2) HW in S, 3) Stadt S, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO OÖ 1976 §35 Abs1;
BauO OÖ 1976 §4 Abs5;
BauO OÖ 1976 §46 Abs3;
BauO OÖ 1976 §50;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauO OÖ 1976 §35 Abs1;
BauO OÖ 1976 §4 Abs5;
BauO OÖ 1976 §46 Abs3;
BauO OÖ 1976 §50;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Vertrag vom 24. März 1977 hatte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführer den Rechtsvorgängern der mitbeteiligten Bauwerber das nunmehr zu bebauende Grundstück Nr. nn/2, KG S (Wiese), verkauft. Hiebei räumte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum des Grundstückes Nr. n3/1 den Käufern und deren Rechtsnachfolgern das unentgeltliche und immerwährende Recht ein, vom öffentlichen Weggrundstück Nr. 1977 über einen etwa 4 m breiten Grundstreifen über das Grundstück Nr. nn/1 in jeder Richtung, zu jeder Tages- und Nachtzeit beliebig oft zu gehen und mit Kraftfahrzeugen jeder Art zu fahren. In diesem Vertrag wurde auch das Recht zur Verlegung von Wasserleitungsrohren für die Zuleitung des erforderlichen Trink- und Nutzwassers eingeräumt.

In der Folge ersuchten die mitbeteiligten Bauwerber um Umwidmung des Grundstückes auf Bauland-Wohngebiet und es wurde ihnen in Aussicht gestellt, anläßlich der fünfjährigen Überprüfung des Flächenwidmungsplanes anfangs 1988 ihrem Anliegen zu entsprechen. Tatsächlich beschloß der Gemeinderat der Stadt S am 14. Dezember 1989 als Änderung Nr. 53 die Umwidmung des Grundstückes in Bauland-Wohngebiet und diese Änderung des Flächenwidmungsplanes wurde von der

O.ö. Landesregierung am 25. Jänner 1990 genehmigt. In der Folge wurde die Änderung des Flächenwidmungsplanes kundgemacht. Schon vor Änderung des Flächenwidmungsplanes hatten die mitbeteiligten Bauwerber im Dezember 1988 um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück Nr. nn/2 angesucht. Mit Kundmachung vom 15. Februar 1990 beraumte der Magistrat S für 1. März 1990 eine mündliche Bauverhandlung an, zu der die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtsfolgen nach § 42 AVG als Nachbarn geladen wurden. Mit Schriftsatz vom 26. Februar 1990 erhoben die Beschwerdeführer eine Reihe von Einwendungen. Sie verwiesen insbesondere darauf, daß die Umwidmung in Bauland nicht gesetzmäßig erfolgt sei, die Zufahrt nicht den gesetzlichen Erfordernissen entspreche, das vorhandene Servitutsrecht für eine Bauplatzschaffung nicht ausreiche, die Abwasserbeseitigung nicht sichergestellt und auch die Wasserversorgung nicht gesichert sei. Audrücklich beantragten sie, eine Baubewilligung und eine allenfalls damit zu verbindende Bauplatzerklärung zu versagen.

Bei der am 1. März 1990 durchgeführten mündlichen Verhandlung waren die Beschwerdeführer nicht anwesend. Bei dieser Verhandlung wurde zunächst festgestellt, daß ein Anschluß an die städtische Wasserversorgung bereits bestehe. Das zu erbauende Objekt solle mittels Kanals an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen werden und die baubehördliche Bewilligung hiezu werde in einem gesonderten Verfahren zu erteilen sein. In diesem Verfahren seien auch die bezughabenden Nachbarrechte zu wahren. Die Zufahrt sei soweit befestigt, daß sie durch normale Lkw (nicht überschwere Lkw) benützbar sei, und zwar auch dann, wenn ihre Oberflächenbefestigung nicht verändert werde. Um die Erteilung der Bauplatzbewilligung sei angesucht worden. Der bautechnische Amtssachverständige erachtete das Bauvorhaben als bewilligungsfähig. Er verwies darauf, daß Anschlußpflicht an das öffentliche Kanalnetz bestehe, da der öffentliche Kanal weniger als 50 m vom Bauplatz entfernt sei. Eine Reihe von Auflagen wurde als erforderlich angesehen.

Mit Bescheid vom 3. Mai 1990 erklärte der Magistrat S das Grundstück zu einem Bauplatz.

Mit Bescheid vom 4. Mai 1990 erteilte der Magistrat die angestrebte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen. Gleichzeitig wurden Einwendungen der Beschwerdeführer betreffend die Verbindung mit dem öffentlichen Wegenetz, die öffentliche Wasserversorgung, die Frage des Kanalanschlusses und die Umwidmung der Liegenschaft als unzulässig zurückgewiesen, soweit sich die Einwendungen jedoch auf privatrechtliche Belange bezogen, auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Diese Entscheidung wurde im einzelnen näher begründet.

Der von den Beschwerdeführern dagegen erhobenen Berufung gab der Stadtsenat mit Bescheid vom 9. Juli 1990 keine Folge. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die O.ö. Landesregierung die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet ab. Zum Vorbringen betreffend die Änderung des Flächenwidmungsplanes stellte die Gemeindeaufsichtsbehörde fest, daß ihr die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Verordnung nicht zustehe. In der Frage der geplanten Abwasserbeseitigung räumte die belangte Behörde den Beschwerdeführern ein, daß ihnen hinsichtlich der Anlagen zur Beseitigung von Niederschlagswässern und Abwässern jedenfalls insoweit ein Mitspracherecht zukomme, als damit Immissionen zur Debatte stünden. Die Baubewilligung sei nunmehr an die Auflage gebunden worden, daß der Bau an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage anzuschließen sei und die von diesem Bau und den dazugehörigen Grundflächen anfallenden Abwässer in diese einzuleiten seien. Weiters sei aufgetragen worden, daß für den Anschluß des Hauskanales an das öffentliche Kanalnetz beim Magistrat der Stadt S gesondert um die hiefür erforderliche Bewilligung anzusuchen sei. Durch diese Auflagen sei jedenfalls sichergestellt, daß eine ordnungsgemäße Beseitigung der Abwässer erfolgen werde; bei Nichteinhaltung der Auflagen könnte eine Benützungsbewilligung nicht erteilt werden. Bei ordnungsgemäßer Errichtung der Abwasserbeseitigungsanlage sei wohl eine Beeinträchtigung für die beschwerdeführenden Nachbarn auszuschließen. Die Errichtung der Abwasserbeseitigungsanlage selbst sei nicht Gegenstand des laufenden Bauverfahrens. In dem gesonderten Verfahren hätten die Beschwerdeführer Gelegenheit, ihre Rechte wahrzunehmen. Was die von den Bauwerbern angekündigte Errichtung einer Senkgrube anlange, könne dieser Umstand die Rechtmäßigkeit der baubehördlichen Entscheidung nicht erschüttern, zumal Sache des baubehördlichen Verfahrens ausschließlich das eingereichte Projekt sei und sich die Baubewilligung ausschließlich auf dieses Projekt beziehe, in welchem von einer Senkgrube nicht die Rede sei. Bezüglich der Fragen der Zufahrt verwies die Landesregierung insbesondere auf die den mitbeteiligten Bauwerbern eingeräumte Servitutsberechtigung. Zusammenfassend stellte die belangte Behörde fest, daß die Beschwerdeführer durch die erteilte Baubewilligung in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten nicht verletzt worden seien.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung dieser Gerichtshof jedoch mit Beschluß vom 11. Juni 1991, Zl. B 10/91-10, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In ihrer Beschwerdeergänzung an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und den mitbeteiligten Bauwerbern erstatteten Gegenschriften sowie die Replik der Beschwerdeführer hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 46 Abs. 2 der O.ö. Bauordnung (BO), LGBl. Nr. 35/1976, können Nachbarn gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind. Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind nach § 46 Abs. 3 BO im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechtes oder eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen.

Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BO hat die Ableitung der bei Bauten und dazugehörenden Grundflächen anfallenden Abwässer (Niederschlags- und Schmutzwässer) in einer den Anforderungen der Gesundheit, des Umweltschutzes und der Zivilisation, im besonderen der Hygiene entsprechenden Weise zu erfolgen.

Bezüglich der Frage der Beseitigung von Niederschlagswässern und Abwässern steht den Nachbarn nach der zuletzt genannten Regelung, wie die belangte Behörde unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 1985, Zl. 84/05/0250, zutreffend dargelegt hat, ein Mitspracherecht jedenfalls insoweit zu, als damit Immissionen zur Debatte stehen. In dem von der Gemeindebehörde erster Instanz bewilligten Bauvorhaben wurde die Frage der Beseitigung der Abwässer und Niederschlagswässer aus dem Grund nicht näher behandelt, weil nach Meinung der Baubehörde diesbezüglich ein gesondertes Baubewilligungsverfahren durchzuführen ist. Der Verwaltungsgerichtshof ist nun der Auffassung, daß zugleich mit der Errichtung des Gebäudes die Frage der Beseitigung der Abwässer und Niederschlagswässer in einem Baubewilligungsverfahren zu klären ist, handelt es sich doch hiebei um ein einheitliches Ganzes, welches nicht willkürlich in mehrere, in Wahrheit nicht trennbare Bauvorhaben zerlegt werden darf. Auf diesen Grundsatz der Unteilbarkeit des Bauvorhabens besitzt aber auch ein Nachbar insoweit einen Rechtsanspruch, als damit eine Beeinträchtigung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte in Betracht kommt. Bei der Frage der Beseitigung der Abwässer und Niederschlagswässer ist dies aber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Fall. Entgegen der Meinung der belangten Behörde reicht es hier nicht aus, daß Auflagen eine ordnungsgemäße Beseitigung der Abwässer sicherstellen sollen, zumal die O.ö. Bauordnung dem Nachbarn einen Rechtsanspruch auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages nicht einräumt und ihm im Benützungsbewilligungsverfahren Parteistellung nicht zukommt. Aus den aufgezeigten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.

Zu dem weiteren Beschwerdevorbringen sei bemerkt, daß der Verwaltungsgerichtshof die Bedenken der Beschwerdeführer gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung über die Änderung des Flächenwidmungsplanes hinsichtlich des zu bebauenden Grundstückes nicht zu teilen vermag. Zunächst ist nach § 22 des O.ö. Raumordnungsgesetzes (ROG) der Bürgermeister sogar dazu verhalten, alle fünf Jahre durch öffentliche Kundmachung jedermann, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen kann, aufzufordern, allfällige Anregungen auf Änderung des Flächenwidmungsplanes schriftlich einzubringen. Nach § 23 Abs. 1 ROG sind Flächenwidmungspläne bei Änderung der maßgeblichen Rechtslage oder wenn es das Gemeinwohl erfordert zu ändern. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle können Flächenwidmungspläne geändert werden, wenn öffentliche Interessen, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes bei der Aufstellung von solchen Plänen zu berücksichtigen sind, und Interessen Dritter nicht verletzt werden. Nun zeigt der im Akt erliegende Plan über die Änderung des Flächenwidmungsplanes, daß das Grundstück der mitbeteiligten Bauwerber bereits weitgehend von Bauland-Wohngebiet umgeben war, und es zeigt das durchgeführte Verfahren, daß durch diese Umwidmung öffentliche Interessen nicht verletzt werden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf zu verweisen, daß nach § 4 Abs. 5 BO eine geeignete Aufschließung nicht nur dann gegeben ist, wenn Bauplätze unmittelbar an eine geeignete öffentliche Straße grenzen, sondern auch dann, wenn eine der zu erwartenden Beanspruchung genügende, durch Eintragung im Grundbuch gesicherte Verbindung zum öffentlichen Straßennetz gegeben ist. Dies konnte aber der Aktenlage nach angenommen werden. Der Verwaltungsgerichtshof teilt sohin die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, wie sie in dem erwähnten Beschluß vom 11. Juni 1991 zum Ausdruck kommt, daß Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Änderung des Flächenwidmungpslanes nicht berechtigt sind. Der Gerichtshof sah sich daher nicht veranlaßt, der Anregung der Beschwerdeführer zu folgen, einen Anfechtungsantrag nach Art. 139 B-VG zu stellen.

Im übrigen teilt der Gerichtshof die Auffassung der Verwaltungsbehörden, daß dem Beschwerdeführer ein subjektiv-öffentliches Recht bei der Frage eines geeigneten Zuganges zum öffentlichen Straßennetz nicht zusteht. Daß an sich auch eine Servitutsberechtigung als ausreichend zu beurteilen ist und daher gegen die Bauplatzschaffung keine Bedenken bestehen, wurde schon dargetan. Die weitere Frage, ob die Beschwerdeführer der erteilten Baubewilligung auf Grund eines Eingriffes in ihre Privatrechte rechtswirksam entgegentreten können, war nicht im Baubewilligungsverfahren zu entscheiden, vielmehr wird hierüber das zuständige Gericht zu befinden haben.

Schon auf Grund der eingangs dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderliche Stempelgebühren.

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