VwGH 91/05/0037

VwGH91/05/003717.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde des NN in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. Juli 1990, Zl. R/1-B-9010, betreffend Verwaltungsübertretungen nach der NÖ Bauordnung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1976 §100 Abs1;
BauO NÖ 1976 §115 Abs1 Z1;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1976 §100 Abs1;
BauO NÖ 1976 §115 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm das erstinstanzliche Straferkenntnis auch hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach lit. b aufrechterhalten wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 14. Dezember 1990 verhängte der Magistrat Krems gegen den Beschwerdeführer zwei Geldstrafen in der Höhe von S 10.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit jeweils Ersatzarreststrafen in der Dauer von 10 Tagen, gemäß § 115 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 (BO). Ad. lit. a wurde als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der I-Gesellschaft m.b.H. auf dem sogenannten S-Areal in K am 6. Dezember 1988 (ca. 7.30 Uhr) mit dem Abbruch von Wohn- und Betriebsobjekten begonnen und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 115 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 Z. 7 BO begangen habe. Ad. lit. b wurde als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer am 20. und 24. Jänner 1989 den begonnenen Abbruch habe weiter fortführen lassen, obwohl für diese bewilligungspflichtigen Vorhaben keine rechtskräftige Bewilligung der Baubehörde vorgelegen sei. Diese Entscheidung wurde von der Strafbehörde erster Instanz näher begründet.

In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer insbesondere aus, daß er als Geschäftsführer der I-Ges.m.b.H. verpflichtet sei, den Betrieb so zu organisieren, daß eine sach- und ordnungsgerechte Abwicklung der Verwaltung des Betriebes stattfinden könne. In diesem Zusammenhang könne er aber sehr wohl die Ausführung von notwendigen Maßnahmen an Fachkundige übertragen. Im konkreten Fall habe er nicht nur die erforderliche Organisation verfügt, sondern sogar notwendige Anweisungen gegeben. Dies legte der Beschwerdeführer sodann im einzelnen dar und vertrat die Auffassung, daß ihm unter den gegebenen Umständen ein Verschulden nicht angelastet werden könne. Im übrigen habe am 21. Dezember 1988 über den von seinem Unternehmen gestellten Antrag auf Erteilung einer Abbruchsbewilligung eine Bauverhandlung stattgefunden und es sei am gleichen Tage auch ein Bescheid erlassen worden, mit dem die Baubewilligung für die Durchführung der Abbrucharbeiten erteilt worden sei. Den Anrainern und sonstigen Personen sei dieser Bescheid in der Zeit vom 27. Dezember bis 30. Dezember 1988 zugestellt worden, dem Beschwerdeführer infolge einer urlaubsbedingten Abwesenheit erst am 10. Jänner 1989. Er sei jedenfalls nach Ablauf des Betriebsurlaubes davon informiert worden, daß nunmehr der Abbruchbescheid antragsgemäß erlassen und dagegen keine Berufung erhoben worden sei. Daraufhin habe er den Auftrag erteilt, die Abbrucharbeiten durchzuführen. Am 20. Jänner 1989 sei sodann mit den Abbrucharbeiten begonnen worden, sohin zu einem Zeitpunkt, in dem die Rechtsmittelfristen gegen den Abbruchbescheid mit Ausnahme der Frist gegenüber der Antragstellerin abgelaufen gewesen seien. Daß diese kein Rechtsmittel erhebe, sei sicherlich selbstverständlich, und es sei auch nicht in Aussicht genommen worden, da antragsgemäß entschieden worden sei. Nun werde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, daß am 20. Jänner 1989 die Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei. Selbst wenn man diese formalistische Betrachtung übernehme - mit dem Auslaufen der Rechtsmittelfrist sei die Rechtskraft des Bescheides immerhin mit dem Stichtag der Bescheiderlassung eingetreten -, so sei es geradezu unverständlich, hier die subjektive Tatseite, nämlich Verschulden in bezug auf seine Person, als gegeben anzunehmen. Der Beschwerdeführer sei kein Jurist und selbst Juristen könnten hier geteilter Meinung sein, ob bei einem antragsgemäß erlassenen Bescheid der Antragsteller die ihn betreffende Rechtsmittelfrist abwarten müsse, um mit dem bewilligten Vorhaben beginnen zu dürfen, wenn die Rechtsmittelfrist dritter Personen längst abgelaufen ist. Nach der ihm erteilten Information sei der Beschwerdeführer der Meinung gewesen, daß sämtliche Rechtsmittelfristen abgelaufen gewesen seien. Es könne ihm daher jedenfalls kein strafrechtlich bedeutsames Verschulden angelastet werden.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid gab die NÖ Landesregierung der Berufung keine Folge. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Beschwerdeführer das zur Vertretung nach außen berufene Organ der I-Gesellschaft m. b.H. sei und die am 6. Dezember 1988 durchgeführten Abbrucharbeiten jenes Maß überschritten hätten, welches am 5. Dezember 1988 vom Leiter des Bauamtes der Stadt Krems als erforderlich beurteilt worden sei. Wenn der Beschwerdeführer darauf verweise, daß er den Auftrag zur Durchführung der Abbrucharbeiten an eine bestimmte Person erteilt habe, so könne in dieser Handlung keine Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 VStG gesehen werden, die ihn der strafrechtlichen Verantwortung enthoben hätte. Als Geschäftsführer und als Anordnungsbefugter sei er vielmehr verpflichtet, sich über die einschlägigen Rechtsvorschriften und somit auch über die Bestimmungen der Bauordnung zu informieren, weshalb ihm auch ein Verschulden angelastet werden könne, wenn diese Vorschriften nicht eingehalten werden. Die mit Bescheid vom 21. Dezember 1988 erteilte Abbruchsbewilligung sei ihm am 10. Jänner 1989 zugestellt worden, und somit sei dieser Bescheid erst ab 25. Jänner 1989 rechtskräftig.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung dieser Gerichtshof mit Beschluß vom 27. November 1990 ablehnte. Mit Beschluß vom 4. Februar 1991, Zl. B 1155/90-5, trat der Verfassungsgerichtshof sodann die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof ab.

Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über die Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 115 Abs. 1 Z. 1 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ein bewilligungspflichtiges Vorhaben ohne Bewilligung durchführt oder vor Eintritt ihrer Rechtskraft beginnt oder von der Bewilligung abweicht. Solche Übertretungen werden gemäß § 115 Abs. 2 BO mit Geldstrafen bis zu S 50.000,--, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen bestraft, sofern die Tat nicht gerichtlich zu ahnden ist.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bestreitet der Beschwerdeführer nicht, daß die am 6. Dezember 1988 begonnenen Abbrucharbeiten das Ausmaß der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen (nach Sturmschäden) überschritten haben, er meint jedoch, daß er hiefür nicht verantwortlich sei, weil auf Grund der von ihm erteilten Aufträge und der Struktur seiner Unternehmung es unmöglich sei, daß er jede Baustelle besichtige und gleichsam vor Ort die Einzelentscheidungen treffe. Seinem diesbezüglichen Vorbringen auf Verwaltungsebene hat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu Recht entgegengehalten, daß nach § 9 VStG für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften bei juristischen Personen jene Personen strafrechtlich verantwortlich sind, die zur Vertretung nach außen berufen sind, soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt wurden. Letzteres ist hier nicht der Fall, sodaß die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers von den Verwaltungsbehörden zu Recht bejaht worden ist. Auch läßt das von der Strafbehörde erster Instanz durchgeführte Ermittlungsverfahren ausreichend klar erkennen, daß zunächst mit dem Abbruch von Gebäuden, also einem nach § 92 Abs. 1 Z. 7 BO bewilligungspflichtigen Vorhaben, ohne die erforderliche Bewilligung begonnen worden ist. In dieser Beziehung erweist sich daher die Beschwerde als unbegründet.

Soweit dem Beschwerdeführer auch zur Last gelegt wurde, am

20. und 24. Jänner 1989 bewilligungspflichtige Vorhaben, für die "keine rechtskräftige Bewilligung seitens der Baubehörde" vorgelegen sei, durchgeführt zu haben, vermag der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde, eine Verwaltungsübertretung nach § 115 Abs. 1 Z. 1 BO liege vor, nicht zu teilen. In seiner Berufung hat der Beschwerdeführer ausgeführt, daß am 20. Jänner 1989 die mit Bescheid vom 21. Dezember 1988 erteilte Baubewilligung für die Durchführung der Abbrucharbeiten allen Bescheidadressaten gegenüber in Rechtskraft erwachsen gewesen sei, ihm gegenüber freilich dieser Bescheid infolge urlaubsbedingter Abwesenheit erst am 10. Jänner 1989 zugestellt worden sei. Trifft dieses Vorbringen des Beschwerdeführers zu und die belangte Behörde ist seinen Ausführungen in der Sache nicht entgegengetreten, so war davon auszugehen, daß die Abbruchsbewilligung bereits konsumiert werden durfte, weil eine zulässige Berufung nicht mehr erhoben werden konnte. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich in seinem Erkenntnis vom 27. November 1972, Zl. 883/72 (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, S. 533) die Berufung eines Antragstellers, dem mit der Erlassung eines Bescheides in erster Instanz voll entsprochen worden ist, als unzulässig beurteilt, sodaß ein zulässiges Rechtsmittel gar nicht mehr hätte erhoben werden können. Das führt aber zu dem Ergebnis, daß die Abbruchsbewilligung bereits voll rechtswirksam war, also deren Rechtskraft zu bejahen ist, bedeutet doch die Rechtskraft eines Bescheides seine Unanfechtbarkeit im ordentlichen Verfahren. Daß aber bei einer unzulässigen oder verspäteten Berufung der Baubewilligungsbescheid schon vor Erledigung der Berufung in Rechtskraft erwächst, sodaß mit dem Bau begonnen werden darf, und sohin der Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach § 115 Abs. 1 Z. 1 BO nicht vorliegt, hat der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 1987, Zl. 87/05/0147, BauSlg. Nr. 1029, klar zum Ausdruck gebracht. Im Beschwerdefall wurde darüber hinaus dem Beschwerdeführer mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis ausdrücklich angelastet, daß für das Vorhaben keine rechtskräftige Bewilligung "seitens der Baubehörde" vorgelegen sei, was keinesfalls zutrifft, weil der Baubehörde gegenüber die Unanfechtbarkeit auch schon am 20. Jänner 1989 gegeben war. In dieser Beziehung erweist sich sohin der angefochtene Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, sodaß er insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Antrag auf Zuerkennung eines den pauschalierten Schriftsatzaufwand übersteigenden Betrages für Umsatzsteuer, dessen gesonderte Zuerkennung nicht vorgesehen ist.

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