VwGH 91/01/0115

VwGH91/01/011513.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Dorner, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der D in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Juni 1991, Zl. 4 301.465/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige, reiste am 4. März 1991 aus Ungarn kommend (in Begleitung ihres minderjährigen Sohnes) illegal in das Bundesgebiet ein und stellte noch am gleichen Tag Asylantrag.

Am 6. März 1991 gab sie niederschriftlich befragt folgendes an:

Sie sei am 15. August 1962 geboren worden und gehöre der Pfingstgemeinde ("Penticostal") an. In den Jahren 1968 bis 1983 habe sie folgende Schulen absolviert: bis 1976 die allgemeine Grundschule, danach zwei Jahre die Unterstufe des Gymnasiums, anschließend von 1978 bis 1980 die Berufsschule für Schuhmacher mit Abschluß und von 1980 bis 1983 die Fachmittelschule für Schuhmacher mit Matura. In den Jahren 1986 bis 1988 habe sie einen Kurs zum Zwecke der Ausbildung zur Krankenschwester besucht. Von 1980 bis Jänner 1991 habe sie in der Schuhfabrik in Oradea gearbeitet.

An der Revolution habe sie insoferne teilgenommen, als sie in der Zeit vom 17. Dezember bis 20. Dezember 1989 in Oradea "mitdemonstriert" habe. Auch an Wahlversammlungen und Wahlkundgebungen habe sie teilgenommen.

Im Jänner 1991 sei sie zwei Tage lang bei der Polizei in Bukarest wegen Teilnahme an einer Demonstration in Haft gewesen und geohrfeigt worden.

Im Jänner und Februar 1991 seien bei ihr zwei Hausdurchsuchungen vorgenommen worden, man habe aber nichts beschlagnahmt.

Seit Februar 1990 sei sie Mitglied der "NLP" gewesen. Sie sei aufgefordert worden, die Glaubensgemeinschaft "Penticostal" zu verlassen. Weil sie dem nicht entsprochen und an einer Demonstration für König Michael teilgenommen habe, sei sie gekündigt worden und "Schikanen der Polizei" ausgesetzt gewesen. Es habe anonyme Anrufe von einem Mann gegeben, der von den Hausdurchsuchungen gewußt hätte. Sie sei beschimpft worden und "mit den Nerven am Ende". Sie hätte eine Gesichtslähmung erlitten. Ihre Heimat habe sie verlassen, weil es auch für ihre Familie keine Zukunft gebe. Seit 13. Jänner 1991 sei ihr Gatte bei der Polizei in Oradea eingesperrt, den Grund dafür kenne sie nicht. Aus Angst, daß auch sie und ihr Sohn eingesperrt würden, sei sie geflüchtet. In Ungarn habe sie nicht um Asyl angesucht, weil sie nach Österreich wollte. Bei ihrer Rückkehr nach Rumänien drohten ihr Probleme mit der Polizei und Haft. Ihr Sohn wäre dann allein.

Mit Bescheid vom 6. März 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin und brachte folgendes vor:

Sie sei am 27. Dezember 1990 von der Polizei festgenommen worden, weil sie an einer Protestversammlung gegen die aktuelle rumänische Regierung teilgenommen habe. Sie sei zwei Tage lang im Polizeigefängnis festgehalten, "verprügelt und gefoltert" worden. Es sei kein Unterschied zwischen den Regierungen Ceaucescu und Iliescu. Sie sei dann freigelassen worden und man habe ihr nahegelegt "keine Demonstrationen zu machen", wenn sie am Leben bleiben wolle. Ihre Wohnung sei "vielmals durchsucht" worden. Jede Nacht seien Anrufe gekommen, weshalb ihr Kind Angst gehabt habe und schockiert gewesen sei. Im Jänner 1991 sei sie von ihrem Arbeitgeber entlassen worden. Auf ihre Frage warum, sei ihr gesagt worden, "wer nicht mit uns ist, ist gegen uns". Es sei ihr auch gesagt worden, sie solle ihre Konfession verlassen, weil ganz Rumänien orthodox werden müsse. Sie habe dies verweigert. Sie könne nicht nach Rumänien zurückkehren, weil ihr Leben dort in Gefahr sei.

Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde mit der Beschwerdeführerin am 15. Mai 1991 eine ergänzende Niederschrift aufgenommen. Sie gab dabei folgendes an:

Bezüglich der Haftgründe ihres Gatten könne sie keinerlei Angaben machen. Sie wisse nicht, weshalb er verhaftet worden sei und in welches Gefängnis man ihn gebracht habe. Sie wisse auch nicht, ob er von der Securitate oder sonst von einer Polizeibehörde festgenommen worden sei. Befragt, ob sie mit ihrem Gatten nach dessen Einreise nach Österreich über seine Haft in Rumänien gesprochen habe, könne sie nur angeben, zu keiner Zeit mit ihm darüber geredet zu haben. Auch nach Vorhalt, daß dies unglaubwürdig sei, blieb die Beschwerdeführerin bei diesen Angaben. Sie könne nur Vermutungen über die Haft ihres Mannes anstellen, er sei aktives Mitglied bei der oppositionellen Partei "National Liberale Partei" gewesen. Sie habe deshalb Angst, in Rumänien verhaftet zu werden, weil auch sie dieser Partei als aktives Mitglied angehöre.

Hinsichtlich der Hausdurchsuchungen gab die Beschwerdeführerin an, es sei in der Zeit von Jänner bis Februar 1991 viermal in ihre Wohnung eingebrochen worden, die Tür sei gewaltsam aufgebrochen und sämtliche Kästen seien durchwühlt worden. Weil nichts gestohlen worden sei, nehme sie an, Securitate-Leute hätten die Wohnung durchsucht. Sonst könne sie dazu keine Angaben machen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, daß die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

In der Begründung ihres Bescheides vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die Nachteile, die die Beschwerdeführerin wegen ihrer Zugehörigkeit zur "penticostalen Glaubensgemeinschaft" zu tragen hätte, stellten keinen derart gravierenden Eingriff in ihre Grundrechte dar, um als Fluchtgrund im Sinne der Konvention anerkannt zu werden. Das Recht auf Arbeit, Wohnung etc., ohne daß durch eine Verweigerung dessen die Lebensgrundlage entzogen werde, sei kein geschütztes Rechtsgut im Sinne der Flüchtlingskonvention. Dies umso mehr dann, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes oder der Wohnung vom Heimatstaat nicht "adäquat" verursacht und daher diesem nicht zurechenbar sei. Die Abhaltung freier Wahlen am 20. Mai 1990 in Rumänien sei wesentliches Indiz für den Demokratisierungsprozeß, somit seien die für die Ära Ceaucescu typischen Verfolgungshandlungen weggefallen. Wenn die Beschwerdeführerin Rechtseingriffe behaupte, so seien diese Angaben gemessen an den Verhältnissen in ihrem Heimatland unglaubwürdig. Auch das Ergebnis der ergänzenden Befragung vom 15. Mai 1991 habe nicht zu einer Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention führen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in ihrem Recht auf Feststellung ihrer Flüchtlingseigenschaft verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126 über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge (AsylG), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Artikel 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Artikel 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Artikel 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmen sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

In ihrer Verfahrensrüge wendet sich die Beschwerdeführerin in erster Linie gegen die Art und Weise der Begründung des angefochtenen Bescheides und macht geltend, daß nicht zu ersehen sei, auf welche Beweisergebnisse sich die belangte Behörde stütze, und zwar insbesondere hinsichtlich der Feststellung, es seien in Rumänien seit der Abhaltung freier Wahlen die für die Ära Ceaucescu typischen Verfolgungshandlungen weggefallen.

Der Beschwerdeführerin ist in diesem Zusammenhang zwar zuzugeben, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides stilistisch nicht als geglückt bezeichnet werden kann, doch ist dem Bescheid immerhin zu entnehmen, daß die belangte Behörde die Angaben der Beschwerdeführerin selbst ihrer Würdigung zugrunde legte und im Ergebnis diese Angaben als unglaubwürdig bezeichnet. Bei genauer Betrachtung der Angaben der Beschwerdeführerin im Laufe des Verwaltungsverfahrens erweist sich diese von der belangten Behörde vorgenommene Würdigung durchaus als schlüssig.

Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß die Beschwerdeführerin einerseits ihre Behauptungen im Laufe des Verfahrens unübersehbar steigerte (Erstbefragung: "geohrfeigt", zwei Hausdurchsuchungen; Berufung: "verprügelt und gefoltert";

Bedrohung mit dem Tod; "vielmalige Durchsuchung ihrer Wohnung";

jede Nacht Anrufe) und andererseits im Rahmen ihrer ergänzenden Befragung im Berufungsverfahren die behaupteten Hausdurchsuchungen so schilderte, daß es keineswegs wahrscheinlich erscheint, es habe sich dabei tatsächlich um Hausdurchsuchungen staatlicher Organe gehandelt. Genauso ist es auf Grund der eigenen Angaben der Beschwerdeführerin bei ihrer letzten Befragung auch möglich, daß sie das Opfer wiederholter Einbrüche krimineller Elemente wurde. Abgerundet wird dieses Bild noch dadurch, daß die Beschwerdeführerin selbst angab, mit ihrem inzwischen ebenfalls nach Österreich gekommenen Gatten über die Gründe für seine (von ihr behauptete) Haft in Rumänien "zu keiner Zeit gesprochen zu haben".

Daraus folgt aber, daß die belangte Behörde im Fall der Beschwerdeführerin im Ergebnis auch dann, wenn man die Feststellung, in Rumänien seien die für die Ära Ceaucescu typischen Verfolgungshandlungen inzwischen weggefallen, in dieser Allgemeinheit nicht teilt, zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können. Der gerügte Verfahrensmangel liegt sohin nicht vor.

Insoweit die Beschwerdeführerin inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend macht, ist ihr zu entgegnen, daß selbst dann, wenn man ihr zubilligen wollte, sie hätte auf Grund ihres Religionsbekenntnisses ihren Arbeitsplatz verloren, darin noch keine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention zu erblicken wäre, weil die Beschwerdeführerin in keiner Weise behauptet und dargetan hat, daß es sich dabei um eine behördlich gelenkte bzw. geduldete Maßnahme gehandelt hätte und daß sie dadurch einer massiven Bedrohung ihrer Lebensgrundlage ausgesetzt gewesen wäre; gerade darauf kommt es aber nach der hg. Judikatur an (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 11. Oktober 1989, Zl. 89/01/0161 bzw. vom 8. März 1989, Zl. 88/01/0160).

Da somit auch die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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