Normen
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, reiste am 23. September 1989 in das Bundesgebiet ein und stellte am 4. Oktober 1989 Asylantrag. In seiner niederschriftlichen Befragung vom 24. November 1989 brachte er als Fluchtgründe im wesentlichen vor, er sei geflüchtet, weil in der Türkei den Kurden die Menschenrechte vorenthalten würden. Er sei als selbständiger LKW-Fahrer häufig in den Irak gefahren. 1988 sei er bei der Grenze von einem türkischen Zollbeamten angehalten worden, der ihm vorgeworfen habe, er halte bei seinen Fahrten Kontakt zwischen türkischen und irakischen Kurden aufrecht. In den Jahren 1988 und 1989 sei er jeweils fünf- bis sechsmal von der türkischen Gendarmerie festgenommen worden. Einmal sei er beschuldigt worden, er habe im Irak einen türkischen LKW-Fahrer erschossen. Tatsächlich habe es mehrere Morde an türkischen LKW-Fahrern im Irak gegeben, weil irakische Kurden die Versorgung durch Gütertransporte hätten verhindern wollen. Bei einer der Festnahmen sei ihm vorgeworfen worden, "APO-Anhänger" zu sein und er sei vom Gendarmeriekommandanten durch einen Fußtritt so verletzt worden, daß er eine Narbe am Bein aufweise. Dieser Vorfall habe sich im Februar 1988 ereignet.
Mit Bescheid vom 12. Februar 1990 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung des Beschwerdeführers als Flüchtling fest.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte er im wesentlichen vor, die türkischen Behörden hätten ihm wiederholt vorgeworfen, die illegale kurdische Partei zu unterstützen. In diesem Zusammenhang sei bei seinen Ausreisen nach dem Irak immer wieder eine strenge Kontrolle vorgenommen worden. Einmal sei er ungefähr zehn Tage in Polizeihaft genommen und gefoltert worden, weil man von ihm erfahren habe wollen, was er im Irak beabsichtige. Diese ständigen Verfolgungen durch die türkischen Behörden hätten ihn veranlaßt, die Türkei zu verlassen und in Österreich um politisches Asyl anzusuchen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens aus, die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Furcht müsse nicht nur objektivierbar sein, sondern auch glaubhaft gemacht werden. Dabei stehe die Vernehmung des Asylwerbers als wichtigstes Beweismittel zur Verfügung. Im Rahmen der Beweiswürdigung seien grundsätzlich den Angaben des Asylwerbers bei seiner ersten Befragung im Verwaltungsverfahren größere Glaubwürdigkeit beizumessen als späterem Vorbringen. Im Fall des Beschwerdeführers sei hervorzuheben, daß er bereits bei der niederschriftlichen Befragung zum Asylantrag widersprüchliche Angaben gemacht habe. Nachdem er auf die fehlende Glaubwürdigkeit seiner Ausführungen hingewiesen worden sei, habe er sein Vorbringen geändert. Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei, daß den vom Asylwerber im Verlauf des Verwaltungsverfahrens vorgebrachten Argumenten entnommen werden müsse, daß er konkrete Verfolgung erlitten habe oder befürchte. Dies könne im vorliegenden Fall den Angaben des Beschwerdeführers nicht entnommen werden. Dies und die Tatsache, daß der Beschwerdeführer legal mit seinem Reisepaß habe ausreisen können, seien Indizien dafür, daß er keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Eine legale Ausreise wäre wohl nicht möglich gewesen, wenn man ein Interesse an seiner Verfolgung gehabt hätte. Die Zugehörigkeit des Asylwerbers zu einer Minderheit allein könne nicht als Grund für seine Anerkennung als Konventionsflüchtling angesehen werden. Der erstinstanzliche Bescheid weise alle im AVG vorgeschriebenen Merkmale auf. Überdies werde im Berufungsverfahren auf das gesamte Vorbringen des Asylwerbers Bedacht genommen. Da das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers jedoch unglaubwürdig gewesen sei, sei davon auszugehen, daß er sich nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatlandes befinde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126 (Asylgesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen ist ein Fremder Flüchtling im Sinne des Gesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Artikel I, Abschnitt A der Konvention über die Feststellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und kein Ausschließungsgrund nach Artikel 1 Abschnitt C und F der Konvention vorliegt. Artikel 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Die belangte Behörde hat das Vorbringen des Beschwerdeführers insbesondere deshalb als unglaubwürdig bezeichnet, weil er bei seiner ersten niederschriftlichen Vernehmung widersprüchliche Angaben gemacht hätte, ohne jedoch in der Bescheidbegründung näher auszuführen, worin sie den wesentlichen Widerspruch seiner Angaben vor der Behörde erster Instanz erblickt. Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, er sei von türkischen Gendarmen festgenommen und beschuldigt worden, im Irak einen türkischen LKW-Fahrer erschossen zu haben. Tatsächlich habe es mehrere Morde gegeben, da irakische Kurden die Versorgung des irakischen Regimes durch türkische LKW-Fahrer verhindern wollten. Die belangte Behörde hat nicht aufgezeigt, warum dieses Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig sein soll. Wenn der Beschwerdeführer auf einen diesbezüglichen Vorhalt angegeben hat, daß die Gendarmerie nur einen Vorwand gesucht hätte, um ihn festnehmen zu können, so ist daraus die Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens keineswegs zu erschließen. Ebensowenig kann aus den weiteren Angaben des Beschwerdeführers, es sei ihm durch die Gendarmerie nach seiner Festnahme vorgeworfen worden, ein "APO-Anhänger" gewesen zu sein, und er sei vom Gendarmeriekommandanten mit dem Fuß getreten worden, so daß er eine Verletzung am Bein erlitten hätte, von vorherein eine Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers abgeleitet werden.
Mit den diesbezüglichen Ausführungen in der Berufung, die sich im wesentlichen mit den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Einvernahme decken, hat sich die belangte Behörde in der Bescheidbegründung überhaupt nicht auseinandergesetzt. Aus der Tatsache, daß der Beschwerdeführer legal ausreisen konnte, allein läßt sich nicht schlüssig ableiten, er habe nicht eine Verfolgung aus Gründen der Konvention befürchten müssen. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit.b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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