VwGH 90/19/0575

VwGH90/19/057516.12.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in N, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 12. Juni 1990, Zl. Fr-146/2/90, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §13a Abs2;
FrPolG 1954 §13a;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §13a Abs2;
FrPolG 1954 §13a;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 idF 1987/575;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 12. Juni 1990 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen iranischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und 3 und § 4 Fremdenpolizeigesetz ein bis zum 16. März 1993 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 5. November 1987 unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist und habe in der Folge einen Asylantrag gestellt, der mittlerweile rechtskräftig abgewiesen worden sei. Mit Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 6. Mai 1988 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der versuchten Entwendung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt worden. Weiters sei er mit Urteil des Kreisgerichtes Ried/Innkreis wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Wochen verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe versucht, mit einem durch Einfügung seines Lichtbildes verfälschten griechischen Reisepaß am 2. Februar 1990 aus der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich einzureisen, nachdem er einige Tage zuvor unter Umgehung der Grenzkontrolle in die Bundesrepublik Deutschland gelangt sei. Der Beschwerdeführer habe in Österreich gelegentlich ohne eine für ihn erteilte Beschäftigungsbewilligung gearbeitet.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, auf Grund des festgestellten Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers sei zu schließen, daß sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle, weshalb die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach der Generalklausel des § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz erfüllt seien. Den maßgebenden öffentlichen Interessen komme wesentlich größeres Gewicht zu als den geltend gemachten privaten Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer bei einem niederösterreichischen Fußballverein verpflichtet sei und seit zwei Jahren eine Freundin habe, sei nicht von wesentlicher Bedeutung. Die Familie des Beschwerdeführers lebe im Iran; ein Bruder halte sich in den USA auf. Die Frage, ob der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat mit einer Haftstrafe und Folter zu rechnen habe, sei bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht von Belang, weil ein Aufenthaltsverbot nicht notwendigerweise mit der Abschiebung in den Heimatstaat verbunden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Die im Beschwerdefall zu beachtenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und 2 und Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz lauten wie folgt:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht;

2. im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen oder mehrmals wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes oder des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden ist.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

  1. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
  2. 3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

    2. Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe zu Unrecht die Generalklausel des § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz angewendet. Der Sachverhalt sei auf Grund der Tatbestände des § 3 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz zu beurteilen, deren Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt seien.

    Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Verhältnis des § 3 Abs. 1 zu § 3 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß es sich bei Abs. 1 um die Generalklausel und bei Abs. 2 um die beispielsweise Aufzählung von Fällen handle, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes jedenfalls rechtfertigen. Ein Aufenthaltsverbot kann gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. auch dann erlassen werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im Abs. 2 angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 3 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (siehe die hg. Erkenntnisse vom 2. April 1990, Zl. 90/19/0136, und vom 2. Dezember 1991, Zl. 90/19/0585).

    Die belangte Behörde war demnach unter Zugrundelegung des festgestellten Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers berechtigt zu prüfen, ob die im § 3 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Sie ist dabei in rechtlich unbedenklicher Weise zu dem Ergebnis gelangt, daß der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich den im § 3 Abs. 1 leg. cit. genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dieser Schluß erscheint schon deshalb gerechtfertigt, weil das festgestellte strafbare Verhalten eine Neigung des Beschwerdeführers zur Mißachtung der für die Einreise nach Österreich und die Ausreise aus Österreich bestehenden Vorschriften erkennen läßt.

    3. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die belangte Behörde hätte sich mit seinem im Asylverfahren erstatteten Vorbringen, wonach er im Iran eine Haftstrafe und die Folter zu gewärtigen habe, auseinandersetzen müssen.

    Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht zu untersuchen ist, in welchen Staat der Fremde allenfalls abgeschoben werden kann, sodaß hier die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 13a Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz nicht zu prüfen waren (siehe das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1991, Zl. 91/19/0273).

    Der Verwaltungsgerichtshof teilt - schon im Hinblick auf das Abschiebungsverbot nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle - nicht die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Fremdenpolizeigesetz und sieht sich daher zu der vom Beschwerdeführer angeregten Antragstellung im Sinne des Art. 140 Abs. 1 B-VG nicht veranlaßt.

    4. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die belangte Behörde bei der Vornahme der gemäß § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz vorzunehmenden Interessenabwägung rechtswidrig gehandelt hätte. Die Beschwerde enthält dazu - abgesehen von dem unter Punkt 3 behandelten Vorbringen - keine Behauptungen, sodaß sich nähere Ausführungen zur Interessenabwägung erübrigen.

    5. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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