Normen
SHG NÖ 1974 §42 Abs1;
SHG NÖ 1974 §42 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen (BH) vom 11. Juli 1988 war unter Bezugnahme auf § 27 des NÖ Sozialhilfegesetzes, LGBl. 9200-4, ausgesprochen worden, daß das Land Niederösterreich ab 29. Juni 1988 die Kosten des Aufenthaltes des Andreas F. (des Sohnes des nunmehrigen Beschwerdeführers) im NÖ Landeskrankenhaus Klosterneuburg einschließlich der Transportkosten, die der Genannte bzw. seine unterhaltspflichtigen Angehörigen nicht bezahlen könnten, übernehme; ferner, daß über eine allfällige Verpflichtung zu einem Kostenbeitrag (Kostenersatz) des Andreas F. bzw. seiner unterhaltspflichtigen Angehörigen gesondert entschieden werde.
2. Mit Bescheid vom 17. November 1989 sprach dieselbe Behörde aus, daß der Beschwerdeführer aufgrund seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht verpflichtet sei, "zu den Kosten der Sozialhilfe" für seinen Sohn Andreas F. "ab 1. Juli 1988 einen Kostenersatz von S 1.150,-- zu leisten". Diesen Betrag müsse der Beschwerdeführer bis 5. eines jeden Monats an die BH, Sozialkasse, zahlen. Der Kostenbeitrag für die Zeit vom 1. Juli 1988 bis 31. Oktober 1989 in der Höhe von S 18.400,-- sei umgehend zur Einzahlung zu bringen. Die Rechtsgrundlage für diese Entscheidung sei § 42 des NÖ Sozialhilfegesetzes, LGBl. 9200-6, (NÖ SHG).
3. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab die NÖ Landesregierung (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 4. September 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge.
Begründend führte die belangte Behörde - auf das Wesentliche zusammengefaßt - aus: Aufgrund der eingeholten Stellungnahmen des Dr. Franz G. und des HR Dr. Alois M. sowie der übermittelten Krankengeschichte des Andreas F. stehe die medizinische Notwendigkeit einer Behandlung des Genannten - die ärztliche Diagnose laute auf Schizophrenie - im Landeskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie in Klosterneuburg eindeutig fest. Eine Kopie der Aufnahmeanzeige und eine Einverständniserklärung (des Andreas F.) vom 14. April 1986 seien (der belangten Behörde) übermittelt worden; aus diesen Unterlagen sei ersichtlich, daß die Aufnahme freiwillig erfolgt sei. Da die Krankenkasse die Leistungen mit 28. Juni 1988 eingestellt habe, hätten die Kosten der Unterbringung des Andreas F. im genannten Krankenhaus ab diesem Zeitpunkt aus Mitteln der Sozialhilfe übernommen werden müssen. Die BH habe Andreas F. mit Bescheid vom 11. Juli 1988 Krankenhilfe gewährt. Der Bescheid der BH vom 17. November 1989 betreffe den Kostenersatz für den Aufenthalt des Andreas F. im Landeskrankenhaus Klosterneuburg ab 1. Juli 1988. Daher sei - so die belangte Behörde in Erwiderung auf entsprechendes Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren - die Frage, ob im April 1986 der Lebensgefährte der Mutter des Andreas F. bei dieser gewohnt habe, nicht verfahrensgegenständlich. Die Freiwilligkeit des Aufenthaltes im genannten Landeskrankenhaus im Jahr 1986 sei nur insoweit von Belang, als damit gezeigt werde, daß die Krankheit nicht mit diesem Zeitpunkt (wie in der Berufung behauptet) ausgebrochen sei, sondern der Sohn des Beschwerdeführers "bereits im Mai 1985 in der Psychosozialen Station 10, 1100 Wien, mit der Diagnose Neurose zum zweiten Mal wegen Selbstmordversuchen behandelt wurde".
Wesentlich für die Rechtmäßigkeit der Kostenersatzpflicht sei nicht die Frage, auf welche Art die Einweisung des Andreas
F. in das Landeskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie erfolgt sei, sondern die Frage, ob die Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers infolge mangelnder Selbsterhaltungsfähigkeit seines Sohnes wieder aufgelebt sei. Letzteres sei aufgrund der eingeholten medizinischen Gutachten eindeutig zu bejahen, weshalb die Verpflichtung des Beschwerdeführers zum Kostenrückersatz zu Recht ausgesprochen worden sei.
4. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht, "entgegen den Bestimmungen der §§ 15, 42 NÖ SHG iVm § 140 ABGB nicht zum Kostenersatz herangezogen zu werden, verletzt". Er macht Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer hat in dem den Kostenrückersatz betreffenden Verwaltungsverfahren (ebenso in der Beschwerde) die Rechtmäßigkeit des Bescheides der BH vom 11. Juli 1988, mit welchem dem Andreas F. Krankenhilfe gewährt worden war, insofern in Zweifel gezogen, als er die medizinische Notwendigkeit der Einweisung und des Aufenthaltes seines Sohnes im NÖ Landeskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie in Klosterneuburg bestreitet. Zur Erhebung eines solchen Einwandes war der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes legitimiert. Nach der ständigen Judikatur des Gerichtshofes steht ein Gewährungsbescheid nicht der Berücksichtigung von Einwendungen des zum Kostenersatz Herangezogenen gegen die Berechtigung der Gewährung der Sozialhilfeleistung in dem die Ersatzpflicht betreffenden Verfahren entgegen; vielmehr ist die Behörde gehalten, in diesem Verfahren die Rechtmäßigkeit der Zuerkennung der Leistung ohne Bindung an den Gewährungsbescheid neuerlich zu klären (vgl. etwa das Erkenntnis vom 1. März 1988, Zl. 87/11/0232, und die dort zitierten Judikate).
2. Der Beschwerde ist beizupflichten, daß angesichts der mit dem angefochtenen Bescheid im Instanzenzug ausgesprochenen Kostenersatzpflicht des Beschwerdeführers ab 1. Juli 1988 die Frage der Notwendigkeit der Unterbringung des Andreas F. in der genannten Krankenanstalt sich in zeitlicher Hinsicht allein für den Zeitraum ab 1. Juli 1988 stellt. Von da her gesehen erweist sich der Versuch der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid (wie auch in der Gegenschrift), die Notwendigkeit einer Behandlung des Andreas F. im NÖ Landeskrankenhaus Klosterneuburg mit den Stellungnahmen des Dr. Franz G. und des HR Dr. Alois M. sowie der Krankengeschichte des Genannten zu begründen, als verfehlt, da sich diese Stellungnahmen ausschließlich auf einen Zeitraum vor dem 1. Juli 1988 beziehen und die Krankengeschichte - nach Ausweis der vorgelegten Akten - mit eben diesem Datum endet (vgl. "Anstaltsärztlicher Bericht" vom 1. Juli 1988). Soweit den Akten das Bemühen der belangten Behörde zu entnehmen ist, den insoweit maßgeblichen Sachverhalt auch noch für die Zeit nach dem 1. Juli 1988 zu ermitteln, ist festzuhalten, daß der in dieser Hinsicht relevante, auf Anforderung durch die belangte Behörde vom 10. August 1989 erstattete Bericht des Vorstandes der Aufnahmeabteilung Nord des NÖ Landeskrankenhauses für Psychiatrie und Neurologie vom 11. August 1989, wonach Andreas
F. an einer so schweren schizophrenen Erkrankung leide, daß derzeit weder eine Entlassung aus dem Krankenhaus noch eine Überstellung in eine andere Einrichtung möglich sei, im bekämpften Bescheid keinen Niederschlag gefunden hat, er aber - was im gegebenen Zusammenhang als wesentlich anzusehen ist - auch nicht dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht worden ist.
Aus dem Vorstehenden folgt, daß für den im Beschwerdefall bedeutsamen Zeitraum nicht auf sachverständiger Basis die Notwendigkeit des Anstaltsaufenthaltes dargetan worden ist und damit die Berechtigung der Gewährung von Krankenhilfe an Andreas F. nicht feststeht. Selbst wenn man den vorerwähnten Bericht vom 11. August 1989 als sachverständige Äußerung gelten lassen wollte - den an ein "Gutachten" zu stellenden Anforderungen entspricht er jedenfalls nicht -, so wäre damit auch nur der Zeitraum vom 1. Juli 1988 bis 11. August 1989, nicht aber der Folgezeitraum abgedeckt. Bei der gegebenen Sachlage wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, vor Erlassung ihrer den Beschwerdeführer zum Kostenersatz verpflichtenden Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen (gemäß § 52 Abs. 1, allenfalls nach § 52 Abs. 2 AVG 1950) zu der in Rede stehenden Frage einzuholen und dazu Parteiengehör zu gewähren. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer ausdrücklich die "Einholung eines Fachgutachtens in der Richtung, ob die Einweisung des Andreas überhaupt und in dieser Dauer erforderlich war", beantragt hat ("Stellungnahme" ohne Datum, eingelangt bei der belangten Behörde am 11. Mai 1990).
3. Da erst dann, wenn einwandfrei die Notwendigkeit des Aufenthaltes des Andreas F. im NÖ Landeskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Klosterneuburg ab 1. Juli 1988 feststeht, von der Berechtigung der Gewährung der Sozialhilfe an Andreas F. in Form der Krankenhilfe gemäß § 27 NÖ SHG ausgegangen werden kann, was im derzeitigen Verfahrensstadium nicht der Fall ist, kann derzeit vom Verwaltungsgerichtshof auch nicht beurteilt werden, ob der Beschwerdeführer zu Recht gemäß § 42 Abs. 1 NÖ SHG im Rahmen seiner Unterhaltspflicht (die sich nach § 140 ABGB richtet) zum Kostenersatz herangezogen worden ist.
4. Nach dem Gesagten ist der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
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